Die beiden SPD-Altkanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder helfen dem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück im Endspurt. Ganz nebenbei nähren sie dabei Spekulationen über eine Große Koalition.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Ob das ein Versprechen ist? Helmut Schmidt – Altbundeskanzler, Groß-Sozialdemokrat und liebster Elder Statesman der Deutschen – hat im Dreierinterview mit der „Bild“-Zeitung angekündigt, dies sei „heute der letzte Wahlkampftermin meines Lebens“. Bis zum Wahlsonntag werde er schweigen und in der nächsten Kampagne 2017 gedenke er, „meinen Schnabel“ nicht mehr aufzumachen. Absolviert hat der 94-jährige Altkanzler seinen finalen Wahlkampfauftritt zusammen mit Altkanzler Gerhard Schröder und dem Kanzlerbewerber der SPD, Peer Steinbrück. Bei dieser erlauchten Runde kann man fürwahr von einer großen Koalition der SPD-Granden sprechen.

 

Natürlich wollten Schröder und Schmidt dem aktuellen SPD-Bewerber Steinbrück mit dem Interview im Wahlkampfendspurt unter die Arme greifen. Wie gehabt, lobte Schmidt die ökonomische Urteilskraft des Kanzlerkandidaten. Wie gehabt, mahnte Schröder Steinbrück, die Zuversicht auch wenige Tage vor der Wahl nicht zu verlieren: „Wenn man nicht aufgibt, geht immer was.“ Im Übrigen gelte die Zeile des Heine-Gedichtes: „Schlage die Trommel und fürchte dich nicht.“ Steinbrück revanchierte sich für die freundliche Unterstützung mit Lob für die Lebensleistung der beiden SPD-Altkanzler: Schmidt habe seinerzeit den Nato-Doppelbeschluss durchgesetzt, was in der SPD nach wie vor nicht hoch genug geschätzt werde; und Schröder hätte für seine Agenda-Politik eigentlich mehr innerparteiliche Anerkennung verdient.

Schröder-Interview mit seinem Ex-Sprecher

Wegen des Gesagten wird das Interview sicher nicht als besonders originelles Stück in die journalistischen Jahrbücher des 2013er-Wahlkampfes eingehen. Die Konstellation dieses Gesprächs aber ist schon ziemlich einmalig, denn Schröder, Schmidt und Steinbrück saß auf der anderen Seite des Tisches neben dem „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann auch dessen Stellvertreter Béla Anda als Interviewer gegenüber. Anda diente in rot-grünen Zeiten als Regierungssprecher und war damit das wichtigste Sprachrohr Schröders. Ergänzt wird das Bild enger Beziehungen zwischen dem Medium und den Politikern dadurch, dass Steinbrücks Sprecher Rolf Kleine bis vor nicht allzu langer Zeit Leiter des Hauptstadtbüros der „Bild“-Zeitung gewesen ist.

Lediglich an einer Stelle rühren die beiden Altkanzler an eine Debatte, die der SPD gar nicht gelegen kommt. Sie räumen, auf eine entsprechende Frage hin, Peer Steinbrück natürlich das Recht ein, nicht Vizekanzler einer Großen Koalition werden zu wollen. Dass er nicht erneut den „Steigbügelhalter“ für eine Große Koalition unter Frau Merkel abgeben werde, hat Steinbrück schon zu Beginn seiner Kandidatur klargestellt. „Dürfen darf er das. Ob das klug ist, ist eine andere Frage“, sagte Schmidt nun dazu. „Ich kann dem nichts hinzufügen“, ergänzte Schröder.

Den Umfragen zufolge ist Rot-Grün nach wie vor meilenweit von einem Wahlsieg entfernt. Zwar haben sich die Zustimmungswerte für Peer Steinbrück und die SPD seit dem TV-Duell mit der Kanzlerin verbessert, aber der Zuwachs bei den Genossen wird durch sinkende Umfragewerte bei den Grünen wieder aufgezehrt.

Nur „alberne Spekulationen“?

Offiziell kämpft Peer Steinbrück, unterstützt von allen Spitzengenossen, weiter für Rot-Grün und für seine Zukunft als Bundeskanzler. Offiziell werden Überlegungen zu anderen Koalitionsoptionen als „alberne Spekulationen“ abgetan wie zuletzt von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Auch unter den Genossen sinkt die Zuversicht, dass ein Machtwechsel nach der Wahl möglich wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Großen Koalition kommt, ist ziemlich hoch – und so realitätsblind sind die Genossen nicht, dass sie das nicht wüssten.

Während Schwarz-Rot in der Bevölkerung insgesamt beliebt ist, ist dieses Bündnis in der SPD verpönt und gefürchtet. Die Sozialdemokraten waren regelrecht traumatisiert, als sie trotz erfolgreicher Regierungsarbeit in der Großen Koalition bei der Bundestagswahl 2009 von den Wählern mit mageren 23 Prozent abgestraft wurden. Zeitweise sah es so aus, als wolle die SPD lieber in die Opposition gehen, als erneut mit der Union zu koalieren. Das hat sich unterdessen geändert. Zwar gilt es nach wie vor als äußerst schwierig, die Partei insgesamt für ein solches Regierungsbündnis zu gewinnen – als unmöglich erscheint es führenden Genossen nicht mehr. Als Voraussetzung dafür gilt aber, dass die SPD am Sonntag spürbar besser abschneidet als 2009. Wenn das Wahlergebnis deutlich über der damaligen Trauma-Marke liegt, könnte es Sigmar Gabriel und dem Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gelingen, ein sozialdemokratisches Scherbengericht zu verhindern und die Weichen für eine Große Koalition zu stellen.