Noch sind die Helfer der SPD beim Zählen der Stimmzettel. Doch die Bürger rechnen schon fest mit dem Ja der Parteibasis zur schwarz-roten Koalition.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Mittlerweile hat sowohl die SPD-Spitze als auch die gesamte politische Klasse fast schon wieder ein entspanntes Verhältnis zu der Spezies des homo politicus entwickelt, die unter der Bezeichnung „sozius gregarius“ – also: gemeiner Genosse – einen Stammplatz unter den hierzulande heimischen politischen Tieren einnimmt. Das ist in der Zeit, in der die Auszählung des SPD-Mitgliedervotums zwar begonnen hat, aber noch nicht abgeschlossen ist, nicht ganz so selbstverständlich, wie es angesichts der 150 Jahre zu erwarten gewesen wäre, in der die Verbreitung dieser Tierart in Deutschland nachgewiesen ist.

 

Denn als die SPD sich selbst das Mitgliedervotum über die große Koalition verordnet hatte, wandelte sich das zuvor stabile Vertrauen in die demokratisch-domestizierte Friedfertigkeit der Genossen an der Basis in eine latente Furcht: dass die Mehrzahl von ihnen sich ungewohnt wildtierhaft gebärden, dem von ihren Leittieren vorgegebenen Kurs nicht folgen und die große Koalition platzen lassen könnte. Nach einem Dutzend Regionalkonferenzen und Hunderten von Diskussionsrunden in den Ortsvereinen hat sich an der SPD-Spitze aber wieder Zuversicht breit gemacht. Es wird erwartet, dass die Partei die Regierungsbildung mit der Union ermöglichen wird. „Wenn alle so abstimmen, wie es sich in meinen Veranstaltungen abgezeichnet hat, bekommen wir neunzig Prozent“, meinte der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold; er hat acht Diskussionen zum Koalitionsvertrag bestritten.

Bürger rechnen fest mit dem Ja der Genossen zu Schwarz-Rot

Es blieb glücklicherweise eine kurze Phase, dass Genossen, die brav ihren Mitgliedsbeitrag zahlen, aber in ihrem Ortsverein nicht aktiv und damit auch nicht bekannt sind, bisweilen als „Schläfer“ tituliert wurden Die Sorge hat sich gelegt. Unterdessen haben sogar die Kanzlerin Angela Merkel („sehr erfreulich“) und Bundestagspräsident Norbert Lammert („bemerkenswert“) die hohe Beteiligung gelobt. Die Mehrheit der Bundesbürger (83 Prozent) erwartet laut einer Umfrage des ZDF-Politbarometers die Zustimmung der SPD-Basis zur großen Koalition.

Dass mehr als 300 000 von 474 820 stimmberechtigten Mitgliedern ihren Stimmzettel abgegeben haben, hat die SPD vor einigen Tagen bereits mitgeteilt. Am Freitag dauerte es aber dann doch unerwartet lange, bis die Generalsekretärin Andrea Nahles die endgültige Teilnehmerzahl mitteilen konnte: Es sind 333 500, das sind 70 Prozent der Mitglieder.

Nahles lässt sich „Schlitzer“ in Aktion vorführen

Nahles, die als Parteimanagerin die Befragung der Basis organisiert hatte, hat sich am Freitag noch einmal über den Stand der Vorbereitungen informiert. Sie besichtigte die fürs Auszählen angemietete Halle in Berlin, inspizierte die beiden Maschinen fürs Öffnen der Umschläge, organisierte für die Fernsehkameras einen Probedurchlauf mit Testumschlägen und freute sich, dass sich deutlich mehr als die benötigten 400 freiwilligen Helfer fürs Auszählen gemeldet hatten. Noch in der Nacht legten die Helfer los, am heutigen Samstagmorgen sollte das Gros deshalb der Briefe bereits geöffnet sein. Am Nachmittag will der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel das Ergebnis veröffentlichen.