In unserer Serie „Die Stadt erwacht“ haben wir hinter die Kulissen geschaut: Während die Stadt noch schlummert, wird am Hafen rund um die Uhr gearbeitet. Rund um die Uhr ist die Fernbedienzentrale besetzt, um die Schleusen zu steuern, damit die Schiffe vorankommen.

Stuttgart - Über 50 Firmen bieten auf dem Hafengelände Dienstleistung, Logistik und Transportleistungen an. Die Arbeitsabläufe sind genau aufeinander abgestimmt, damit die Waren zügig weitergeleitet werden.

 

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Feuchtkalt zieht es vom Neckar herüber. Johannes Zeller, Pressereferent der Hafen Stuttgart GmbH (HSG), legt dennoch die Handschuhe ab. So ist es einfacher, die Dimensionen des Stuttgarter Hafens auf der Karte nachzuzeichnen. „Unsere Hafenbahnanlage ist 33 Kilometer lang“, sagt er. „Wir arbeiten trimodal.“ Die Güter – Waren, Rohstoffe, Abfälle, Futtermittel, Baustoffe, Schrott, Schüttgut wie Kies und anderes mehr – werden mit drei unterschiedlichen Verkehrsträgern angekarrt und umgeschlagen, per Schiff, Lkw oder Bahn.

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Im Wasser spiegeln sich Lichter eines Logistikzentrums am Ufer. Über 50 Firmen und Unternehmen bieten auf dem Hafengelände Dienstleistungen, Produktion, Lagerei, Logistik und Transportleistungen. HSG-Geschäftsführer Carsten Strähle betont, dass ein 105 Meter langes Schiff fast 2000 Tonnen Ladung an Bord nehmen kann. „Das entspricht 100 bis 120 Lkw-Ladungen.“ Der Neckar habe großes Potenzial, um Stuttgarts stauverstopfte Straßen zu entlasten. „Wir wollen den Umweltverbund Wasser-Schiene stärken, erweitern den Containerterminal. Nach einem Gutachten könnten wir um das Siebenfache wachsen, eine Vervierfachung unserer Kapazitäten ist schon jetzt möglich. Wir brauchen 135-Meter-Schiffe“, so Strähle. Dafür müssten aber die 110 Meter langen Schleusen um 30 Meter verlängert werden.

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Auf den Gleisen unterhalb der Otto-Hirsch-Brücken wird rangiert. „Das Stellwerk, Herz der Hafenbahnanlage“, so Zeller. „Die Waggons werden auf die Gleise für die Empfängerfirmen verteilt.“ Strähle ergänzt, dass im Stellwerk der Betrieb oft um 2 Uhr beginne – und um 22 Uhr ende. „Manchmal geht es auch rund um die Uhr.“

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Seit einer Stunde schiebt sich beim Containerterminal schon einer der beiden enormen Portalkräne am Ufer hin und her. Die „Katze“ mit Führerhaus läuft in luftiger Höhe vorwärts und rückwärts: Container werden verladen – gemäß dem „Stauplan“ der kaufmännischen Mitarbeiter. „Um 4 Uhr kommen oft die Züge, je nach Ware geht es auf Binnenschiffen über Neckar und Rhein nach Rotterdam“, sagt Andreas Janetzko, Geschäftsführer der DP World Logistics Europe. „Der Kranführer lädt nach Sicherheit, damit nichts kippt. Bedacht werden muss auch, wo und wann er entladen wird“, so Janetzko. Die DP World mit Hauptsitz in Dubai ist einer der größten Hafenbetreiber. 2015 übernahm sie den Terminal vom Familienunternehmen Götz. Mehrere Hundert Container würden pro Tag verladen. „Die Tendenz ist steigend“, sagt Janetzky. „Hier gibt es viele Unternehmen – ein wichtiger Teil des deutschen Exportgeschäfts.“

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Auf der anderen Seite der Otto-Konz-Brücken wird Schüttgut verladen: Ein Greifer schaufelt Kies und Sand in offene Boxen. Auch in einer Halle, einige Meter weiter, stehen Boxen. Ein Bagger zerrt an einer alten Matratze: Abfall. „Wir nennen es Rohstoff“ ist das Motto der Recycling- und Entsorgungsfirma Alba. „Zwei Drittel sind Bauschutt, ein Drittel anderer Abfall“, so der Betriebsstättenleiter Thomas Sasse. Unter seinen Mitarbeitern sind Spezialisten für kontaminierte Baurestmassen und Bodenaushübe, die Proben analysieren.

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Getrennt nach altem und neuem, glänzendem Metall – Reste von Stanzblechen – wird auch bei der Pro Metall GmbH. Lastwagenfahrer reihen ihre Fahrzeuge auf eine Waage, schauen auf einen Detektor an der Wand: Er misst, ob der geladene Schrott radioaktiv strahlt. Im Hof stapeln sich Metallteile auf unterschiedlichen Haufen: Schablonen der Automobilindustrie, alte Maschinen, Stahl- und Kupferteile. „Wertvolle Rohstoffe!“, so ein Mitarbeiter. „So voll war der Hof selten.“ Um die Ecke hinter den Gleisen wartet noch kein Schiff – Niedrigwasser im Rhein.

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Am Kai der Rhenus Logistics hat ein Frachtschiffkapitän nun den Sojaschrot entladen – er erinnert an eine Sanddüne. „Nur 800 Tonnen statt 2000 Tonnen laden wir derzeit“, sagt Peter Bradler, für Agrarprodukte verantwortlich. „Wir müssen Kleinwasserzuschläge verlangen.“ In den beiden großen Silos lagern in verschiedenen Kammern Getreide und Futtermittel für die ganze Region – getrennt nach genfreiem und gentechnisch verändertem Soja, konventionellem und Biogetreide. Sie dürfen auf keinen Fall miteinander in Berührung kommen.

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Fast berühren sich indes die zehn Bildschirme pro Schreibtisch in der Fernbedienzentrale Obertürkheim. Von dort aus steuern in drei Schichten 365 Tage rund um die Uhr je zwei Schichtleiter per PC und über Kameras sieben Schleusen mit zehn Kammern: Deizisau, Oberesslingen, Esslingen, Obertürkheim, Untertürkheim, Cannstatt und Hofen. Leiter Wilfried Staudt zeigt auf einen Bildschirm: „Das Schiff fährt in Untertürkheim ein.“ Um drei davon durch sieben Schleusen zu bekommen, seien über 30 Schleusungen nötig. „Wegen der Leerschleusungen, um Wasser abzulassen.“ Ein anderer Bildschirm zeigt den Neckar grafisch: Das europäische AIS-System. Mit dem „Automatischen Schiffsidentifizierungssystem“ wird stets die aktuelle Position eines Schiffes gesendet. „Wir wissen so, welche Boote kommen“, so Staudt. Er blickt nach draußen. Dort ist es längst hell, die Stadt ist wach.