Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die auf kurzfristige Einlagen Strafzinsen erhebt, trifft auch die Landeshauptstadt. Womöglich kostet deren Sparbuch bald Geld.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt hat für 2015 einen glänzenden Jahresabschlussmit einem Überschuss von 245 Millionen Euro vorgelegt. Nur für den Bau von Flüchtlingsheimen wurde ein Darlehen in Höhe von 20 Millionen Euro aufgenommen, aber dieses ist zinslos. Auch 2016 wird der eigentlich vorgesehene Gang zur Kreditabteilung vermieden werden. Für Flüchtlingsheime soll nochmals zinsloses Geld geholt werden. Die gute Kassenlage zeigt angesichts der rigiden Vorgaben der Europäischen Zentralbank (EZB) für Banken, die ihr Geld kurzfristig parken, aber eine unschöne Kehrseite: Die Geldhäuser dringen darauf, dass die Stadt künftig Negativzinsen auf ihre kurzfristen Geldanlagen zahlt.

 

„Das Thema ist uns von verschiedenen Banken adressiert worden“, sagt Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU). Die Stadt verfüge über Liquidität in dreistelliger Millionenhöhe, über deren künftige Behandlung die Banken reden wollten. Genaue Termine gibt es offenbar noch keine. Föll spricht von Herbst. „Mal sehen, wie die Diskussionen sind“, sagt der gelernte Bankkaufmann.

Seit 201 steht bei den städtischen Zinsen eine Null vor dem Komma

Insgesamt verwaltet die Stadtkämmerei Rücklagen und Rückstellungen im Umfang von 1,9 Milliarden Euro. Dazu kommt Geld städtischer Tochterunternehmen wie der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (SVV), die zum Stichtag 31. Dezember 2015 rund 518 Millionen Euro in extern verwalteten Fonds liegen hatte.

In der Stadtkämmerei kümmern sich Experten um die kurz- wie langfristigen Geldanlagen. Die Zinssätze sind inzwischen ernüchternd niedrig und zeigen bereits seit 2013 eine Null vor dem Komma. Nun wollen die Banken ein Minuszeichen davor setzen. Negativzinsen oder auch Verwahrgebühren kannte man bei der Kommune bisher nicht. In den letzten Jahren konnte die Stadt noch Zinserträge realisieren, die die Sollzinsen und einen Teil der planmäßigen Tilgung der Darlehen abdeckten. 2015 wanderten 5,7 Millionen Euro Zinsen auf das Konto, die Schuldzinsen beliefen sich auf 600 000 Euro.

Bei ihren jährlichen Bescheiden zur Grundbesitzabgabe gibt die Stadtkasse nur ein Konto an. Es wird von der BW-Bank geführt. Negative Einlagenzinsen für Sparer seien derzeit weder bei der Baden-Württembergischen Bank noch bei der Landesbank (LBBW) geplant, sagt ein Sprecher der Geldhäuser. Bei institutionellen Kunden und Großunternehmen erhebe die LBBW aber „im Einzelfall ein individuelles Entgelt für sehr hohe kurzfristige Einlagen, die nicht der Disposition des täglichen Zahlungsverkehrs dieser Kunden dienen“. Grund seien die „hohen Kosten durch die Zinsvorgaben der EZB“. Man verhalte sich damit „wie viele andere Banken auch“, heißt es weiter.

Fast jeden Monat strömt eine dreistellige Millionensumme auf die städtischen Konten

Zwar braucht die Stadt täglich zwischen drei und zehn Millionen Euro, mit Ausnahme des Januars strömt aber jeden Monat zum Gewerbe- oder Einkommensteuertermin eine dreistellig Millionensumme auf ihre Konten. Im historisch anmutenden alten Tresorraum im Erdgeschoss des Rathauses, der Teil der Büroräume der Fraktion SÖS/Linke-plus ist, können solche Summen längst nicht mehr verwahrt werden.

Die Zahlungsbereitschaft der Stadtkasse sei auch ohne die Aufnahme von Kassenkrediten im Jahr 2015 gewährleistet gewesen. „Die Liquidität ist im Vergleich zum Vorjahr unverändert gut“, heißt es im Zwischenbericht zur Finanzlage, den Michael Föll dem Gemeinderat Ende Juli geliefert hat. Die Bankenvertreter werden diesen Satz im Hinterkopf haben, wenn sie die Krawatte zurechtrücken und das Thema Negativzins anschneiden. „Über die Einführung eines Einlagenentgelts wird individuell unter Berücksichtigung der gesamten Kundenbeziehung und der Erfordernisse des Zahlungsverkehrs entschieden“, heißt es bei der LBBW. Die Stadt hofft auf weiterhin gute Beziehungen und nicht auf Negativzinsen.