Es war der schwärzeste Tag in der 119-jährigen Vereinsgeschichte. Am Samstag sind die Kickers endgültig in die fünfte Liga abgestiegen. Jetzt wollen sie zurück – mit Tobias Flitsch als Trainer?

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Die Stuttgarter Kickers sind fünftklassig. Erstmals in der Geschichte des Traditionsvereins. Daran hat auch der 3:1-Sieg zum Saisonabschluss gegen den FSV Frankfurt nichts geändert.

 

Stimmung Ende gut – aber nicht alles gut. „Die Enttäuschung ist trotz des Sieges groß“, sagte Trainer Jürgen Seeberger. Die Fans brachten es auf den Punkt: „Die größte Schande in 119 Jahren!!!“ war auf einem Banner vor dem Fanblock zu lesen. Kein Widerspruch bei einem Verein, der 1987 ins Pokalfinale gegen den HSV einzog, die Bayern in der Bundesliga 4:1 besiegt hat oder noch 2014 vor 37 000 Zuschauern im Pokal gegen Borussia Dortmund angetreten ist. Vorbei! Bei Präsident Rainer Lorz hielt sich der Schock in Grenzen. „Emotional wog der Abstieg aus der dritten Liga sogar fast schwerer, denn dieses Mal kam der Absturz nicht so unvermittelt.“

Trainer Jetzt gilt es, schnellstmöglich einen für diese Liga im Rahmen der Möglichkeiten schlagkräftigen Kader hinzustellen, denn das Ziel kann für den Präsidenten nur lauten: „Wiederaufstieg“. An erster Stelle steht die Trainerfrage. Die Marschroute ist klar, so Lorz: „Der Sportdirektor macht Vorschläge, das Präsidium entscheidet.“ Martin Braun hegt zwar eine gewisse Präferenz für Jürgen Seeberger, die aber nur schwer durchsetzbar scheint. Lorz zum Anforderungsprofil: „Regionalliga- und Oberligaerfahrung sowie der Nachweis, mit einer Aktivenmannschaft erfolgreich gewesen zu sein.“ Dies trifft schon eher auf Tobias Flitsch vom SSV Ulm zu. Braun gibt zu: „Das ist ein interessanter Mann, der in Ulm gute Arbeit geleistet hat.“ Was für eine Verpflichtung spricht: Flitsch soll beim FC Eislingen zu- und jetzt wieder abgesagt haben – wegen der Kickers. „Wir wollen so rasch wie möglich eine Entscheidung, lassen uns aber keinen Druck machen“, betont Lorz, „der Neue soll ja auch bei der Kaderplanung eingebunden sein.“

Etwa zehn Spieler sollen bleiben

Kader Dabei sind sich die Beteiligten einig, dass ein radikaler Umbruch nicht zielführend wäre. „Einige der Spieler haben sicher mehr Potenzial, als sie zuletzt gezeigt haben“, so Braun. An wen er denkt? Zunächst haben nur Jäger und Suver einen Vertrag, wobei Letzterer bei einem Wechsel zumindest eine Ablöse bringen würde. Im Gegensatz zu Jonas Meiser, der aber angedeutet habe, bei den Kickers zu bleiben. Gleiches gilt für den an der Schulter operierten Kapitän Josip Landeka oder David Müller. „Ich bin zuversichtlich, dass wir acht bis zwölf Spieler halten können“, sagt Braun und strebt eine Mischung aus jung und alt (Badiane, Tunjic?) an: Der Kader soll 18 bis 20 Feldspieler umfassen und drei Torhüter, wobei Miro Varvodic und Christian Ortag eher gehen, Manuel Schneck aber bleiben soll. „Wir brauchen auf jeden Fall zwei, drei Führungsspieler“, so Lorz, vielleicht sogar mit Kickers-Vergangenheit (Patrick Auracher?). Die suchte man im aktuelle Kader vergeblich, sieht man von dem zu 1860 wechselnden Sandro Abruscia ab, der in der 88. Minute unter Applaus ausgewechselt und damit quasi verabschiedet worden ist.

Funktionäre Präsidium und Aufsichtsrat waren bei der Talfahrt in den vergangen Jahren nahezu unverändert zusammen, was einen Rücktritt nahelegen würde. Doch ohne die Gremien geriete das finanzielle Konstrukt ins Wanken. Lorz klebt nicht an seinem Stuhl, sagt aber: „Unser Hauptziel ist zunächst, einen geordneten Übergang in die neue Spielzeit hinzubekommen.“ Zumindest bis zur Hauptversammlung Ende November. Denkbar wäre dann auch, dass Lorz in den Aufsichtsrat zurückgeht, falls ein geeigneter Nachfolger parat stünde. Offen ist auch noch, ob Marc-Nicolai Pfeifer weitermacht. Gut möglich, dass der Geschäftsführer eine neue Herausforderung sucht.

Insolvenz ist kein Thema

Finanzen Parallel zum sportlichen Abstieg des Vereins ging es auch wirtschaftlich bergab. Zuletzt konnte der Super-GAU nur verhindert werden, weil die Gremiumsmitglieder auf Forderungen von 1,5 Millionen Euro verzichtet haben. „Das ist kein Dauerzustand, insofern arbeiten wir an einem ausgeglichenen Etat“, sagt Lorz. Er hofft, die abgelaufene Saison mit einem operativen Minus von unter 500 000 Euro abzuschließen. In der Oberliga soll ein Budget aufgestellt werden, das auf einer Kalkulation von 1500 bis 2000 Zuschauern ausgeht. Als Zielgröße gelten im Idealfall eine Million Euro für den Kader – viel Geld in der Oberliga. Etliche Sponsoren (Dinkelacker, Minol) haben schon verlängert, von anderen wichtigen wie MHP und Porsche gibt es positive Signale. Eine Insolvenz ist deshalb kein Thema.