Große Regisseure, weniger Wiederholungen und eine erfrischend direkte neue Wellenchefin: Auf seiner Jahrespressekonferenz präsentiert der SWR Neues beim „Tatort" und in der „Landesschau“, bei den Dokus und im Jugendprogramm „Das Ding".

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Beim SWR-„Tatort“ wird jetzt improvisiert: Wie spielt Ulrike Folkerts die Kommissarin Lena Odenthal, wenn sie bei Beginn der Dreharbeiten noch nicht weiß, wie der neue Fall sich entwickeln wird, vor allem, wer der Mörder und was sein Motiv ist? Mit „Babbeldasch“, dem nächsten Fall in Ludwigshafen, betritt der SWR durchaus Neuland: Alles, was der Regisseur Axel Ranisch an die Schauspieler anfangs verteilt hat, war eine Handlungsskizze. Gedreht wurde die Geschichte in der Chronologie der Handlung. Ihren Reim musste sich Kommissarin Odenthal tatsächlich allein aus dem machen, was sie in den Szenen erlebt und herausfindet. Und besichtigen kann der SWR-Zuschauer das Ergebnis am 26. Februar im Ersten.

 

Wobei die Bilder und Szenen, die der Sender auf seiner Jahrespressekonferenz den Journalisten präsentierte, einen ordnungsgemäßen und keineswegs weniger durchgestylten Eindruck gemacht haben als in früheren „Tatorten“. Wichtiger war die Botschaft, dass der Sender im Jahr 2017 vor allem mit relevanten Inhalten und Neuerungen auffallen will. Gerade der „Tatort“ ist hier ein zentrales Terrain: Der Sonntagabend erzielt diesseits von Sport-Großereignissen die höchsten Einschaltquoten; zugleich sind die Produktionen mittlerweile aber auch die teuersten. Der interne Wettbewerb zwischen den ARD-Sendern um Alleinstellungsmerkmale ist deshalb beim „Tatort“ besonders groß. Mit der Improvisations-Schiene soll die in jüngerer Zeit schwächelnde Kommissarin Odenthal wieder an Gewicht zulegen. Deswegen dreht sie aktuell mit dem Regisseur Axel Ranisch im Schwarzwald auch schon den zweiten drehbuchlosen Fall.

Martina Zöllner, die Film-Chefin beim SWR, wusste auch sonst bei der Jahrespräsentation mit Neuigkeiten zu glänzen: Der nächste Stuttgarter „Tatort“ spielt fast komplett in einem Autostau auf der Neuen Weinsteige; Richy Müller und Felix Klare müssen einen Mörder finden, so lang die Fahrzeuge noch stehen. Der Regisseur Dietrich Brüggemann hat die Straße mittels digitaler Technik komplett in einem Freiburger Großstudio nachbauen lassen. Die Bilder, die der Sender erstmals präsentierte, sind ebenso real wie fantastisch. Man darf auf die Ausstrahlung im Herbst gespannt sein. Und auch der dann folgende Fall aus Stuttgart könnte ein Knaller werden: Zöllner hat einen der besten deutschen Regisseure überhaupt verpflichtet, um einen Fall zum 40-Jahr-Gedenken an den deutschen Terror-Herbst 1977 zu inszenieren: Dominik Graf.

Das SWR-Fernsehen schafft bei den Quoten inzwischen einen mittleren Platz

„Wir wollen stärker die Regionalität pflegen, die aber nichts zu tun hat mit Provinzialität“ – so lautet das Credo des SWR-Intendanten Peter Boudgoust, mit dem vor allem die Quoten des Südwestfernsehens weiter gestärkt werden sollen, ein Rezept, mit dem die Kollegen in Hamburg oder München schon lang Erfolg haben. „Unser drittes Programm ist so erfolgreich wie seit 25 Jahren nicht mehr“, sagt der Intendant mit Blick auf einen Marktanteil von 6,8 Prozent im Sendegebiet, der das Südwestprogramm vom letzten Platz der Dritten immerhin 2016 ins Mittelfeld bugsiert habe. Zum Vergleich: Spitzenreiter bleibt hier der MDR mit 9,5 Prozent, auf dem letzten Platz liegt inzwischen Radio Berlin-Brandenburg mit 5,5 Prozent.

Mehr Eigengewächse, weniger „Tatort“-Wiederholungen: Am Dienstagabend bringt der SWR inzwischen selbst produzierte Verbrauchermagazine; ab dem 11. Februar wird die „Landesschau“ auch am Samstag dreißig Minuten lang sein, „mit mehr Breitensport, Kultur und einem Interview der Woche“, wie Stefanie Schneider, die Chefin des Landesstudios Baden-Württemberg, erläuterte. Weitere neue Formate, die der SWR vorstellte, erinnerten von Ansatz und Machart dann aber doch wieder stark an die Vorbilder der Privaten: Wenn beispielsweise der Reporter Axel Gagstätter im Reitstall im knallbuntengen Dress und mit wackligen Beinen Kunststücke auf dem trabenden Pferd vorführt („Vereinsmeier Gagstätter“; ab 3. März) oder Fernsehzuschauer auf der Couch Urteile in realen Rechtsfällen sprechen („Die Sofa-Richter", ab 23. Mai), dann wirkt das im Trailer immer ein bisschen wie bei RTL 2 oder Pro Sieben, nur langsamer. „Seriöser“ würde der SWR-Chef Boudgoust das wohl nennen.

Eine 31-jährige Videobloggerin leitet jetzt „Das Ding“

All das ist noch klassisch lineares Fernsehprogramm – und auch der SWR weiß, dass ein jüngeres Publikum keine „Hörzu“ mehr studiert. Gleich dreißig neue Formate will der Sender darum für das digitale ARD-Jugend-Netzportal „Funk“ entwickeln. Rayk Anders und Philipp Walulis heißen neue, frische Gesichter des Senders, die der traditionelle Zuschauer gar nicht mehr kennenlernt, weil sie ihre Projekte namens „Headz“ (Interviews) oder schlicht „Walulis“ (Comedy) nicht mehr im normalen Programm präsentieren, sondern nur noch bei Facebook oder Youtube.

Dazu passt, dass der Sender zum 1. Februar die 31-jährige Videobloggerin Alina Schröder zur neuen Chefin des Radioprogramms „Das Ding“ macht. Die junge Journalistin spricht auf der SWR-Pressekonferenz eine deutlich weniger abgewogene Sprache als ihre zwanzig bis dreißig Jahre älteren Chefkollegen ringsum. Liebe, Sex, Ausbildung, Lebensziele sind jene Themen, mit denen Schröder das SWR-Jugendradio noch interessanter machen will für die 14- bis 29-Jährigen. „Mit der besten Musik allein lockt man niemand“, sagt sie. „Das bekommen die Jungen heute bei ,Spotify’ tausendmal besser. Wir müssen deswegen unsere Stärke mehr pflegen: den Musikjournalismus.“ Man hört es mit Staunen: Just dieser Musikjournalismus spielte in jüngerer Zeit auf vier von sechs SWR-Hörfunkwellen programmatisch kaum bis gar keine Rolle mehr.