Der „heilige Campinus“ habe geholfen, frohlocken die Toten Hosen bei Instagram, „Gehör und Wetter haben gehalten“. Von Campinos erstem Konzert nach seinem Hörsturz waren 65 000 Fans auf dem Cannstatter Wasen hellauf begeistert. Kritisiert wird, dass es wohl mehr Bierstände als Klokabinen gab.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Campino im Glück: Man sah ihm an und konnte es vor allem spüren, wie gut es ihm tut, endlich wieder auftreten zu können. Nach fünfwöchiger Zwangspause meldete sich der von einem Hörsturz genesene Sänger der Toten Hosen am Samstagabend fulminant zurück vor 65 000 begeisterten Fans auf dem seit Monaten ausverkauften Cannstatter Wasen.

 

Lesen Sie hier: Unsere Konzertkritik vom Konzert der Toten Hosen auf dem Cannstatter Wasen.

Der 56-Jährige mit dem bürgerlichen Namen Andreas Frege erwähnte seine ganz besondere Beziehung zu Stuttgart: In dieser Stadt tanzte seine Schwester Judith Frege einst beim weltberühmten Stuttgarter Ballett, weshalb er oft die Stadt besuchte. Campino war sehr gut drauf und äußerst fit. Er machte Späße über seinen nächtlichen Ausflug in ein Schwimmbad in Dresden, wo es wegen ihm neuerdings Nachtbaden geben würde. Der Sänger lästerte über Innenminister Horst Seehofer und sang extra ein Lied für den französischen Weltmeister Benjamin Pavard, den Noch-VfB-Verteidiger: „Nie im Leben würde ich zu Bayern gehen.“ Sein Liebeslied sang er für zwei junge Leute, die ihm in der ersten Reihe aufgefallen waren. Er stieg zu ihnen herab. Den ganzen Abend hätte der Junge das Mädchen gehalten und verliebt angeschaut, sagte Campino. Aus Biberach kommen die beiden. Später stellte sich heraus: Die beiden sind kein Liebespaar, sondern Geschwister.

Bei Gewitter hätten die Veranstalter das Konzert abgebrochen

Für den Sturm, der über den Wasen fegte, waren allein die Toten Hosen verantwortlich. Für Samstag hatte es eine Unwetterwarnung für Stuttgart gegeben. Vor dem Auftritt der Düsseldorfer Band appellierte ein Sprecher an das Publikum, ruhig zu bleiben, wenn Sturmböen mit Regen aufkämen. Doch der angekündigte Starkregen blieb aus – es gab einfach nur ein starkes Konzert. Bei Gewitter hätten die Veranstalter das Open-Air-Festival abbrechen müssen. In Flussnähe gibt es keine Blitzableiter für den großen Platz, anders als in der Mercedes-Benz-Arena, wo am Sonntag Helene Fischer singt und wo auch bei Gewitter niemand gehen muss. Campino sprach eine Lobeshymne auf Freundschaft, aufs gemeinsame Feiern, darauf, dass man sich gegenseitig hochzieht, wenn es mal einem schlecht geht.

Alles war also bestens für die 65 000 Fans in dieser schönen Sommernacht – mit einer, nicht gerade unwesentlichen Ausnahme: Wer ein dringendes Bedürfnis hatte, musste bis zu 45 Minuten vor den Dixi-Klos warten. Auf dem Wasen gab es wohl deutlich mehr Bierstände als Toilettenkabinen. Das Bier floß in rauen Mengen, dann aber musste man sich was verklemmen, um nicht in die Hosen zu machen. Sehr viele, egal ob Männer oder Frauen, erledigten ihre Notdurft an den Zäunen. Die Ordner ließen sie gewähren.

„Der Hörsturz“, sagt Campino, „war eine Warnung“

Auch draußen vor den Absperrungen herrschte an diesem Abend gute Stimmung. Die Zahl der Zaungäste war außerordentlich groß. Stellenweise war der Gehweg der Mercedes-Straße so überfüllt, dass es kein Durchkommen gab. .

Ob Campino nach dem Konzert mal wieder baden ging, ist nicht überliefert. Auf der Bühne hatte er das Höhenbad Killesberg erwähnt. Seiner Gesundheit zuliebe will er es aber während der Reise für die „Laune der Natour“ abseits der Auftritte ruhiger angehen. Der Hörsturz sei „eine Warnung“ gewesen, sagte er in Stuttgart im Gespräch mit SWR 1. „Wer mich kennt, weiß, dass ich schon immer an beiden Enden gebrannt habe“, fuhr der 56-Jährige fort. Nach einer Krankheit müsse man sich überlegen, „wo liegen die Prioritäten im Leben und dass man vielleicht nicht immer jede Party mitnimmt“.