Fünf Düsseldorfer feiern Premiere in Stuttgart: Der SWR-Film „Auswärtsspiel“ über ein Geheimkonzert der Toten Hosen 1983 in Ostberlin geht unter die Haut. Im Gloria-Kino sind 400 Fans und Promis wie Landtagspräsidentin Muhterem Aras begeistert.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Es geschah viele, viele Jahre vor den Handyfotos, als Privates noch privat blieb. Von dem geheimen Konzert der Toten Hosen in einer Ostberliner Kirche vor fast 40 Jahren gibt es nur eine einzige Aufnahme. Eigentlich waren alle Beteiligten aufgefordert, keine Bilder zu machen, um nicht die Musiker und die Zuhörer zu gefährden. Punk, so dachte Honecker wohl, könnte seinen Staat zersetzen. Ein Bild ist trotzdem entstanden, das irgendwann nach dem Mauerfall in einer Fotokiste aufgetaucht ist. „Wie gut, dass die Stasi alles aufgeschrieben hat“, scherzt Sänger Campino, 59, nach der Premiere des Films „Auswärtsspiel“ im Stuttgarter Gloria-Kino, „deshalb können wir heute Details dieser Mission nachlesen.“

 

„Wir kamen uns vor wie bei ‚Emil und die Detektive‘“

Weil es keine Originalfilmschnipsel von diesem einzigartigen Konzert der deutsch-deutschen Geschichte gibt, arbeitet Regisseur Martin Groß mit Comic-Animationen. Die 400 Zuschauer, darunter Gewinner von SWR 3 und Promis wie Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Kabarettist Christoph Sonntag, sind begeistert. Es wird viel gelacht. Die Zeichnungen führen mit Witz und surrealer Übertreibung raus aus beklemmenden Schilderungen des Ost-West-Wahnsinns.

Campino lobt: „Unser Beispiel zeigt, dass Kirche auch gut sein kann“

Die Toten Hosen, die durch die 1980er „getaumelt“ (Campino) sind, meist auf Krawall gebürstet, wollten in der DDR spielen, aber ohne Kompromisse. Mit einem Tagesvisum gelangten die im gelben Tourbus nach Westberlin angereisten Musiker nach Ostberlin, getrennt voneinander, die Punkmähnen unter Mützen verdeckt oder glatt frisiert. „Wir kamen uns vor wie bei ,Emil und die Detektive‘“, erinnert sich Campino. Ihre Instrumente bekamen die Hosen von der DDR-Punkband Planlos ausgeliehen, die mit aufgetreten ist bei diesem Konzert, das am Nachmittag stattfinden musste, weil das Visum am Abend auslief. „Wir haben uns gefragt, warum unsere Instrumente bei den Hosen so gut klingen und bei uns so scheiße“, sagt der ebenfalls angereiste Schauspieler Bernd Michael Lade („Tatort“), der Schlagzeuger von Planlos war.

Campino lobt: „Unser Beispiel zeigt, dass Kirche auch gut sein kann“

Nach diesem irren Ausflug kehrte Campino „mit einem Triumphgefühl“ nach Hause. Alles hat geklappt! Es gab keine Verhaftungen! Es fiel ihm schwer, niemanden was zu erzählen, wie vereinbart, um die DDR-Musiker nicht zu gefährden. Mit der großartigen Dokumentation kommt fast vier Jahrzehnte später alles nun ans Licht. Bei der Preview in Stuttgart brandet Beifall auf, wenn etwa die Hosen erzählen, wie sie im Laufe der Karriere immer politischer geworden sind und „klar gegen rechts“ waren und sind.

In der Reihe „Blues-Konzerte“ konnte die Punkband 1983 in der Ostberliner Kirche auftreten, was Campino zum Anlass nimmt, im Gloria-Kino unter Beifall ein Lob loszuwerden: „Unsere Geschichte ist ein Beispiel dafür, dass Kirche auch gut sein kann.“

Einer der emotionalen Höhepunkte im Film ist die Begegnung des Sängers mit einem Stasi-Mann, der, wie Campino irritiert feststellt, „noch voll in seiner Rolle drin ist“. Fehler räumt dieser nicht ein, erklärt nur, dass er nun auf der Verliererseite sei.

Wie der Film über die Düsseldorfer nach Stuttgart kam

Der Film ist ein Geschenk der ARD zum 40. Geburtstag der Hosen. SWR-Intendant Kai Gniffke freut sich, dass sein Produzent Thomas Schuhbauer diesen spannenden Stoff nach Stuttgart geholt hat. Wahrscheinlich werde the Länd nun Düsseldorf eingemeinden, wird auf dem roten Teppich gescherzt. Für die Dokumentation hat die Megaband noch mal in der Ostberliner Erlöserkirche gespielt. Berührende Momente schaffen ein intensives Filmerlebnis. Die Zuschauer verstehen, was Glück ist. Die einen hatten das Glück, im Westen zu leben. Den anderen im Osten war dies nicht vergönnt. Wären die Bands genau anders rum aufgewachsen, würde heute niemand Campino, Kuddel und Co. kennen – und Planlos wäre auf dem Sprung zur Stadiontour zum 40. Geburtstag. Glück ist oft nur Zufall.

Der Film „Auswärtsspiel“ läuft am Mittwoch um 22.50 Uhr im Ersten. In der Mediathek ist eine um 15 Minuten längere Version zu sehen.