Thomas Hitzlsperger hat sein Treuebekenntnis für Markus Weinzierl erneuert. Allerdings mit einer Einschränkung. Für den Trainer des VfB Stuttgart steht am Samstag in Augsburg viel auf dem Spiel.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Die Fotos gingen in der vergangenen Woche um die Welt. Erstmals war es Forschern gelungen, Aufnahmen eines schwarzen Loches zu erstellen. Jene Erscheinung im Universum, die alles in sich verschwinden lässt. Als „Eingang zur Hölle“ hatten es die Astrophysiker bezeichnet, was unmittelbar zum VfB Stuttgart überleitet. Ein großes schwarzes Loch tut sich nach der 0:1-Niederlage gegen Bayer Leverkusen auch rund um den Tabellen-16. der Fußball-Bundesliga auf.

 

Im Moment, so scheint es, geht darin alles verloren. Die letzte spielerische Linie. Die Nerven einiger Akteure. Der Rückhalt der Fans. Und peu à peu auch der Glaube an den Klassenverbleib.

Wie kann sich der gebeutelte Club dem wilden Strudel noch entziehen?

Folgt man den Ausführungen von Ron-Robert Zieler, muss die Mannschaft gar nicht viel ändern. „Vieles in unserem Spiel stimmt. Die Mannschaft lebt und tut viel, auch wenn wir uns dafür nichts kaufen können“, sagte der Torhüter nach einem zwar kämpferischen, spielerisch dafür umso ärmeren Auftritt. Keine nennenswerte Torchance brachten die Mannen in Weiß und Rot während 90 Minuten zustande. Was die Sache mit dem Gewinnen schwierig macht.

Stimmung der Fans am Tiefpunkt

Wenn sich dazu auch noch Aussetzer wie jene von Gonzalo Castro gesellen, dessen unnötiges Foul zum spielentscheidenden Strafstoß führte, hilft die beste Verteidigungsarbeit nichts. Tatsächlich hielten Marc Oliver Kempf, Benjamin Pavard und Ozan Kabak den unter Druck stehenden VfB lange am Leben. Irgendwann aber bricht jeder Bann – gegen Leverkusen nach 64 Minuten.

Santiago Ascacibars Spuckattacke in der Nachspielzeit war dabei gar nicht mehr spielentscheidend. Mit seinem Blackout leistete er seiner Mannschaft dennoch einen „Bärendienst“, wie Trainer Markus Weinzierl frustriert feststellte. Wie sehr die Nerven blank liegen, verdeutlichte eine weitere Szene unmittelbar nach Schlusspfiff. Der sonst so besonnene Kempf leistete sich ein hitziges Wortgefecht mit Co-Trainer Wolfgang Beller. „Wir dürfen nicht anfangen, den Frust über die derzeitige Lage nach außen zu tragen. Wenn wir dies tun, sind wir auf dem falschen Weg“, appellierte Sportvorstand Thomas Hitzlsperger.

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Und dürfte damit auch die Fans gemeint haben. Unter ihnen ist die Stimmung mal wieder am Tiefpunkt. Ein gellendes Pfeifkonzert und Beschimpfungen mussten sich die Spieler nach dem Schlusspfiff anhören, dann tobte im Internet eine Debatte, so resignativ, als sei der VfB längst abgestiegen.

Zu real erscheint inzwischen die Gefahr eines direkten Absturzes. Der Abstand auf den im zarten Aufschwung befindlichen 1. FC Nürnberg (mit dem fast identischen Restprogramm wie der VfB) ist auf drei Punkte zusammengeschmolzen. Die lange als sicher erscheinende Relegation hängt mehr denn je am seidenen Faden. „Wenn wir noch eine Chance auf den direkten Klassenverbleib haben wollen, müssen wir in Augsburg gewinnen“, rief Torhüter Zieler die Partie am Karsamstag (15.30 Uhr) zum nächsten Endspiel im Klassenkampf aus. Der Rückstand auf den FCA beträgt aber bereits vier Punkte (das Augsburger Sonntags-Spiel in Frankfurt nicht berücksichtigt).

Der Präsident ist der Verzweiflung nahe

Das Bild von Präsident Wolfgang Dietrich auf der Tribüne sprach Bände. Der Verzweiflung nahe, vergrub er immer wieder sein Gesicht in den Händen. Was nichts mit den neuerlichen Forderungen der Fans zu tun hatte (Dietrich raus!), sondern einzig mit dem Geschehen auf dem Rasen. Nicht nur Dietrich wird sich gefragt haben: Wo soll das nur enden? Und damit auch Markus Weinzierl in seine Überlegungen einbezogen haben. Wenn nicht jetzt, wann dann?, fragt man sich vor dem Augsburg-Spiel, ob nicht jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Trennung wäre. Zu viel Zeit, zu viele Neuanfänge, zu viele Personal- und Systemwechsel sind inzwischen verstrichen, als dass der gesunde Fußballverstand noch an eine (direkte) Rettung unter dem Coach glauben mag.

Andererseits: Was wäre die Alternative? Das Gros der Assistenztrainer bilden Weinzierls Gefolgsleute. Andreas Hinkel wurde gerade erst die schwierige Aufgabe beim VfB II übertragen, und ob jemand wie U-19-Trainer Nico Willig den wilden Haufen noch geordnet bekäme, darf bezweifelt werden. Ein erfahrener Retter wie einst Huub Stevens ist nicht in Sicht, und der zur nächsten Saison wahrscheinliche neue Trainer soll seine Arbeit nach Möglichkeit unbelastet beginnen.

„Jetzt ist es für ein paar Tage gut“

Also spricht im Moment vieles für ein Weiter-so mit Markus Weinzierl. Auf die Gefahr hin, dass sich nichts ändert und der Trend der vergangenen Wochen anhält –womöglich bis zum bitteren Ende. Dabei wäre es gerade mit Blick auf die möglichen Ausscheidungsspiele gegen den Zweitliga-Dritten wichtig, im Saisonendspurt noch einmal Schwung aufzunehmen.

Thomas Hitzlsperger hat sein Treuebekenntnis zum Trainer am Sonntag erneuert. Allerdings mit einer zeitlichen Einschränkung. „Ich habe letzte Woche ausführlich zu dem Thema gesprochen. Ich denke, dass es jetzt für ein paar Tage gut ist.“ Nach dem 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg war noch die Rede davon, „die Sache gemeinsam durchzuziehen“.

Nun klingen Hitzlspergers Worte nach einem Endspiel in Augsburg. Eine weitere Niederlage, dann droht auch dem VfB-Trainer das schwarze Loch von Stuttgart.