Bei der Trampolin-EM in St. Petersburg will Karsten Kuritz aus Schwäbisch Gmünd gleich zwei Titel verteidigen: Mit dem Team und im Synchronwettbewerb.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Zum Entfernen seines Weisheitszahns hat Karsten Kuritz beinahe keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. So durchschlagend war sein Sturz im November während der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften in Birmingham. Der Deutsche Meister im Trampolinturnen aus Stuttgart kam ziemlich unglücklich auf dem Geräterahmen auf: Er zog sich mit dem Knie eine Platzwunde am Kinn zu und wurde noch in der Trainingshalle genäht – 30 Minuten später zog ihm ein englischer Dentist in nur fünf Minuten den Weisheitszahn, der stark in Mitleidenschaft gezogen worden war.

 

„Es lief noch alles relativ glimpflich ab. Am nächsten Tag konnte ich schon wieder trainieren – und drei Tage später beim Wettkampf hat mich das nicht mehr beeinträchtigt“, sagt Karsten Kuritz. Trampolinturnen ist nicht nur ein bisschen Auf-und-Abhüpfen, sondern manchmal gar nicht ungefährlich. Auch bei den Titelkämpfen in Birmingham selbst stürzte Karsten Kuritz in der Vorrunde (und vergab eine gute Platzierung), er landete auf dem Mattenboden nebendran. „Es ist alltäglich, dass man mal nicht direkt auf dem Trampolin runterkommt. Man lernt aber, damit umzugehen – Schlimmeres ist bei mir in mehr als zwanzig Jahren noch nicht passiert“, sagt der 28-Jährige. 2004 hat er sich zwar einmal den Arm gebrochen, doch das war beim Reckturnen, einer Ausgleichsbeschäftigung.

Freiheit in der Luft

Schon seit Kindestagen fasziniert Karsten Kuritz die in Saltos und Schrauben gefasste Fliegerei auf dem federnden Untergrund, bei der es in sieben, acht Meter Höhe geht. Sein Vater Werner, ein mittlerweile pensionierter Professor für Sport an der PH in Schwäbisch Gmünd (an der seine Mutter Astrid als Dozentin in ihrem letzten Semester unterrichtet), brachte ihn dazu. „Es sind einfach zwei Sekunden Freiheit in der Luft“, sagt der Sohn. Als Siebenjähriger begann er mit spezifischem Training beim TSB Schwäbisch Gmünd, für den er immer noch antritt – auch von heute an bei den Europameisterschaften in St. Petersburg.

Karsten Kuritz kann in Russland zwei Titel verteidigen. Bei der EM 2010 in Varna siegte er sowohl mit dem deutschen Männerteam als auch im Synchronwettbewerb zusammen mit seinem Partner Martin Gromowski (MTV Bad Kreuznach). „Wir sind wieder sehr stark und sehen uns europaweit unter den besten Mannschaften: Die Titelverteidigung ist das Ziel und machbar“, sagt der 28-Jährige. „Beim Synchron kann man schnell viele Punkte verlieren, das ist immer ein bisschen ein Lotteriespiel.“ In der Einzelkonkurrenz strebt Kuritz einen Platz im Finale der besten acht an: „Im besten Fall könnte eine Medaille drin sein.“

Chance auf die Olympischen Spiele in London

Und Edelmetall würde er im Einzel schon auch brauchen, um noch eine Chance auf die Olympischen Spiele in London zu haben. Henrik Stehlik (TGJ Salzgitter), der Weltmeister von 2003 und Olympiadritte von 2004, liegt in der nationalen Qualifikationsrangliste deutlich in Führung. Und der Bundestrainer Michael Kuhn darf nur einen Mann und eine Frau mit nach London nehmen. „Theoretisch ist es noch möglich, praktisch aber schwer“, sagt Karsten Kuritz zu seinen überschaubaren Olympiaaussichten.

Im Moment hat er nur bis zu dem Großereignis in London geplant. Er absolviert zurzeit sein elftes und letztes Unisemester der Technischen Biologie in Stuttgart-Vaihingen, wo er auch wohnt. Die Diplomarbeit zum Wachstum von Krebszellen ist bereits fertig, nur zwei Prüfungen stehen noch aus. Am Institut für Systemtheorie und Regelungstechnik hat er bereits einen Doktorandenstelle sicher. „Da muss ich einfach zeitlich sehen, wie es weitergeht, ob tägliches Training auf Höchstleistungsniveau noch möglich ist“, sagt Kuritz. Denn Trampolinturnen ist eben nicht nur ein bisschen Auf-und-Abhüpfen.