Am Nachmittag begehen Kurden in Stuttgart den Welt-Kobane-Tag, am Abend feiern Erdogan-Anhänger das Ergebnis der türkischen Parlamentswahl. Vereinzelt kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen, meldet die Polizei.

Stuttgart - Der Nachmittag hat in der Stadt den Kurden gehört, der Abend den Erdogan-Anhängern: Das politische Geschehen in der Türkei, in der am Sonntag gewählt wurde, und im syrischen Kobane spiegelte sich auch in Stuttgart wider. Anders als bei Demos im Vorfeld der Wahl blieb es aber dieses Mal ruhig. Laut der Polizei kam es zu mehreren Auseinandersetzungen am Rande eines Autokorsos, mit dem AKP-Anhänger den Sieg feierten. Sie seien an der Friedrichstraße mit Kurden aneinandergeraten. Die Polizei nahm mehrere Personen fest.

 

Am Sonntagnachmittag war es friedlich. Mehrere Hundert kurdische Demonstranten feierten beim „Welt-Kobane-Tag“ auf dem Schlossplatz den Sieg ihrer Volksverteidigungseinheiten über den Islamischen Staat. Einige wenige blieben nach dem Ende der Kundgebung und warteten auf die Wahlergebnisse. Als klar war, dass die islamisch-konservative AKP die absolute Mehrheit erreichen würde und die prokurdische HDP eventuell wieder ins Parlament einziehen würde, trennte sich die Gruppe allmählich. Es wurde laut in der Stadt, als fast alle Kurden gegangen waren. Auf der Theodor-Heuss-Straße und der Friedrichstraße brach Jubel der Erdogan-Anhänger aus. Im Autokorso schwenkten sie Halbmondfahnen.

HDP-Anhänger waren am Nachmittag optimistisch

Für die Kurden, die nach dem Einzug der HDP ins Parlament im Juni mit spontanem Jubel reagiert hatten, gab es dieses Mal wenig Grund zum Jubel. Zwar waren die pro-kurdischen Demonstranten optimistisch gewesen: „Es gibt Wahlprognosen die bis zu 16 Prozent für uns vorhersagen“, meinte ein Anhänger der linksliberalen kurdischen Partei HDP. Jedoch war schon nach den ersten Hochrechnungen klar, dass die HDP nicht erneut die absolute Mehrheit der AKP verhindern konnte. Das dämpfte die Stimmung. Die Polizei hatte sich bereitgehalten. An zwei Sonntagen im September war die Lage eskaliert, als HDP-Anhänger und regierungsnahe Türken in der Stadt demonstrierten.

Am Nachmittag hatte das Schicksal der grenznahen syrischen Stadt Kobane im Mittelpunkt gestanden, die Wahl war nur am Rande ein Thema. Knapp 400 Menschen der Einladung des Mesopotamischen Kulturvereins Stuttgart auf den Schlossplatz gefolgt. „Die zerstörte Stadt braucht dringend Hilfe aus der ganzen Welt“, sagte der Sprecher Mehmet Cebedag. Der Kampf um Kobane sei zum Symbol des Widerstands gegen den IS geworden. Trotz militärtechnischer Unterlegenheit hatten syrisch-kurdische Kämpfer die Stadt im Januar 2015 befreit. Alle Redner betonten den Willen, weiter für ein freies Kurdistan zu kämpfen. Als Antwort auf die Angriffe des IS-Terrorregimes auf die strategisch wichtige syrische Stadt an der Grenze zur Türkei war im vergangenen Jahr der 1. November zum internationalen Aktionstag für die fast völlig zerstörte Stadt ausgerufen worden. Nach der Vertreibung des IS kehrten wieder zahlreiche Bürger in die Stadt zurück. Vor einem Jahr hatten in Stuttgart rund 10 000 Menschen friedlich gegen die IS-Terrormiliz protestiert, um auf das Schicksal der Menschen in Syrien und im Irak aufmerksam zu machen.