Die gute Nachricht: Es gibt bald vier neue Folgen der TV-Serie „Der Tatortreiniger“. Die schlechte: Es werden die letzten sein. Es gibt gute Gründe, das sehr zu bedauern.

Hamburg - Wann gibt es das, dass eine neue Serie, in der Nacht versteckt, innerhalb kurzer Zeit dank einer Webkampagne vom Geheimtipp zur Kultserie avanciert? Dass der Serie im Lauf der Zeit sämtliche Fernsehpreise verliehen werden, und dass namhafte Schauspieler Schlange stehen, um in einer der Folgen von knapp dreißig Minuten mitzuspielen?

 

Nicht lange grübeln: Es handelt sich natürlich um das Comedy-Juwel des NDR, um den „Tatortreiniger”, der in Gestalt von Heiko Schotte, genannt Schotty, hinreißend gespielt von Bjarne Mädel, seit sieben Jahren jedes Jahr aufs Neue menschliche Überreste von Toten beseitigt.

Fremdem stets aufgeschlossen

Beseitigt hat, muss es jetzt aber leider heißen. Denn die Drehbuchautorin Ingrid Lausund alias Mizzi Meyer, deren Ideenreichtum den Fans der Serie unerschöpflich schien, zieht sich zurück. Sie befürchtet, sich nach inzwischen 27 Folgen zu wiederholen und ist der Meinung, Schottys Erlebnisse seien „auserzählt”. Zuvor hat sie allerdings noch vier neue Folgen geschrieben, die kommende Woche gesendet werden.

Danach ist unwiderruflich Schluss mit den wunderbar lebensphilosophischen Miniaturen, in denen der bodenständige, aber für alles ihm Fremde stets aufgeschlossene Schotty den Hinterbliebenen oder anderweitig dem Toten Verbundenen begegnet und sich mit seiner rustikalen Lebensauffassung an den Erfahrungen seines jeweiligen Gegenübers misst. Schluss mit den intelligent geschliffenen, vor Witz sprühenden Dialogen, in denen auch Ernstes wie nebenbei verhandelt wird.

Nazis und Vorurteile

Und Schluss mit Bjarne Mädels „Schotty”, dem für ihn so charakteristischen „Häh?” als Kommentar, wenn etwas über sein am Pragmatismus geschultes Begriffsvermögen geht, wie in „Özgür”, einer der allerschönsten unter den zahllosen allerschönsten Episoden, in der er sich mit der hochschwangeren, kurz vor der Geburt stehenden Sandra Hüller in eine Auseinandersetzung verwickelt über Vorurteile und Überforderung von Kindern. Sie, die blonde Deutsche, will ihrem Sohn einen türkischen Namen geben, damit er beizeiten mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert wird und lernt, sich dagegen zu wehren.

Unvergessen vor allem „Schottys Kampf”, die Episode im Nazi-Vereinsheim, in der es dem Tatortreiniger mit List gelingt, die Devotionalien, die Gemälde und Reliquien zur Vernichtung abtransportieren zu lassen. Dies ist wohl auch die einzige Folge, in der Schottys Satz, mit dem er sich einzuführen pflegt - „Meine Arbeit fängt da an, wo sich andere Leute vor Entsetzen übergeben” - auf ihn selbst zurückgewendet werden kann. Schottys Arbeit in der Nazigruft hat da angefangen, wo er sich selbst vor Entsetzen fast übergeben hat.

Mit federleichter Hand

„Fleischfresser” dagegen ist eine Episode, die fanatischen Veganern dringend zu empfehlen wäre: Schotty, der Fleisch und Würste über alles liebt, trifft da auf eine dogmatische Veganerin im Rollstuhl (Karin Hanczewski) und handelt im Gespräch mit ihr das Für und Wider der pflanzlichen und fleischlichen Ernährung aus. Am Ende haben sich beide auf listig ausgehandelte Kompromisse geeinigt und trennen sich, bereichert um neue Argumente.

Denn darin besteht die große Kunst von Mizzi Meyer: Sie lotet in der kurzen Zeit von einer halben Stunde Konflikte und gegensätzliche Lebensentwürfe aus, ohne zu moralisieren oder gar zu karikieren. Besser gesagt: Sie lotet die Konflikte nicht aus: Sie streift sie mit federleichter Hand und fein formulierten, mit Humor gewürzten Dialogen. Aber gerade dadurch treffen sie viel genauer ins Zentrum, gehen viel tiefer, stellen Vorurteile in Frage.

Brillante Drehbücher

Selbstverständlich muss neben den brillanten Drehbüchern und den exzellenten Schauspielern der Regisseur aller Folgen, Arne Feldhusen, hervorgehoben werden. Er inszeniert jede Folge als kleines Kunstwerk der Comedy. Das zeigt sich noch einmal besonders in „Currywurst”, einer der neuen Episoden, die - anders, als es der Titel vermuten lässt - in einer Kunstgalerie spielt. Da trifft Schotty auf die Galeristin Pia Hierzegger, die ihm mit stoischem Ernst die Gesetze des Kunstmarkts erklärt, was für Schotty nicht ohne Folgen bleibt.

Mehr wird darüber nicht verraten. Nur so viel: Die titelgebende Wurst wird von der wunderbaren Lina Beckmann als prolliger Imbissbesitzerin verkauft. Sie wäre Schotty in einer künftigen Episode eine kongeniale Partnerin gewesen. Aber dieser Wunsch wird ja leider nicht mehr erhört.

Ausstrahlung: Am 18.12 2018 ab 22 Uhr und am 19.12. 2018 ab 22 Uhr zeigt NDR jeweils zwei neue Folgen „Der Tatortreiniger)