Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Es mag sein, dass diese Generation gelegentlich etwas altklug scheint und auftritt. Das ist aber nicht die Folge mangelnden Respekts vor dem, was die Generationen vor ihr erreicht haben und wissen. Vielmehr ist dieser Generation schon immer vermittelt worden, dass ihre Meinung zählt. Und das ist auch richtig so.

 

So wie unsere Eltern und Lehrer uns den Gedanken eingepflanzt haben, dass wir alles erreichen können, was wir nur wollen, und dass wir uns immer zu allem äußern dürfen, machen wir es auch: Wir sagen, was wir denken. Auch wenn wir natürlich wissen, dass wir jeden Tag Neues lernen müssen, dass wir manchmal scheitern. Doch das hält uns nicht davon ab, es immer wieder zu versuchen, denn wir sind es gewohnt, dass nicht immer alles klappt, was wir anpacken, dass wir auch mal danebenliegen oder uns blamieren. Gerade im Journalismus finden wir diese Einstellung jetzt wichtig: Nicht jeder Blog, jede Serie oder jede Idee zur Berichterstattung, die wir haben und umsetzen, wird erfolgreich sein.

Wir probieren es mal aus. Wir sind in einer Welt aufgewachsen, die sich aus Angebot und Nachfrage ergibt. Das finden wir nicht immer gut. Genauso wenig verstehen wir es aber, wenn jemand entschlossen an einem Produkt festhält, das ganz offensichtlich in dieser Form immer weniger Leute haben wollen. Wir finden es normal, dass wir unseren Job nicht dreißig Jahre lang auf die gleiche Weise machen, nur weil wir es irgendwann einmal so gelernt haben.

Die Eltern haben keine Ahnung

Übrigens wissen wir natürlich längst, dass unsere Eltern mit der Annahme, jedem von uns sei irgendwann alles möglich, nicht immer recht haben. So wie sie überhaupt in Wahrheit meist gar nicht beurteilen können, wie es bei uns im Studium und später in der Arbeitswelt abläuft. So wie unsere Eltern studiert haben, studieren wir spätestens seit Bologna nicht mehr. Was Credits sind, wissen die Eltern nicht. Sie stellen sich alles ganz falsch vor. Dass wir keinen Job finden werden, der ein Leben lang eine sichere Bank sein wird, das haben wir schon lange emotionslos anerkannt – und wir bedauern das nicht. Es ist für uns Realität und Normalität.

Diese Aufnahme hängt seit einiger Zeit über meinem Schreibtisch. Ich habe sie auch einmal bei einem Vortrag gezeigt, den ich auf Nachfrage von einigen Lehrern an einer Schule gehalten habe. Dabei wurde ich von Eltern und Schülern, wie schon so oft, gefragt, warum ich in der heutigen Zeit noch Journalistin werden wolle, und wer in den Zeiten des Internets noch Zeitungen kaufen solle, ob man sich künftig guten Journalismus überhaupt noch leisten könne.

Natürlich, die Zeitungen schreiben ja seit Jahren selbst erregt bis lustvoll über ihren eigenen Untergang. Darüber muss ich mich immer wieder wundern. Wie sollen denn andere etwas, das man macht, gut finden, wenn man offenbar nicht einmal selbst davon überzeugt ist?

Sie wollen Journalisten werden, allen Widrigkeiten zum Trotz

Junge Journalisten meiner Generation, das heißt die Umdiedreißigjährigen, haben oft einen längeren und steinigeren Weg in den Journalismus als ihre Kollegen, die heute vierzig, fünfzig oder sechzig sind. Obwohl der Journalismus angeblich seinem Ende zugeht, sind es mehr junge Menschen denn je, die als Journalisten arbeiten wollen. Auf die vier Volontariatsstellen, die zuletzt bei der StZ ausgeschrieben waren, haben sich knapp 300 Journalisten beworben. Das war in den vergangenen Jahren ähnlich. Viele, die sich bewerben, haben ungezählte Praktika absolviert, arbeiten schon jahrelang als freie Journalisten für verschiedene Zeitungen und andere Medien. Sie scheinen sich ganz sicher zu sein, allen Widrigkeiten zum Trotz, dass sie diesen Beruf erlernen, dass sie als Journalisten arbeiten wollen.

Was sage ich also den Schülern und Jugendlichen, mit denen ich häufig spreche, weil ich bei der StZ auch das Projekt „Zeitung in der Schule“ betreue? Warum lohnt es sich, Journalist zu werden? Es reicht nicht, nur zu sagen, dass unsere Gesellschaft Journalisten immer brauchen wird, dass Zeitgenossen, deren Beruf es ist, die Politik, die Kultur, den Sport täglich zu beobachten und auf der Basis dieser Kenntnis zu bewerten, zu beschreiben, zu erklären, zu kritisieren, heute nötiger sind denn je.

Junge Menschen wollen sich einmischen

Häufig erfahre ich bei diesen Gelegenheiten auch, dass Jugendliche längst nicht so gleichgültig sind, wie es Erwachsene häufig glauben. Es ist ihnen nicht egal, was in ihrer Stadt, in ihrem Land oder auf der Welt passiert. Das Internet und die massenhafte Aktivität und der Austausch junger Menschen in diesem Medium zeigen doch gerade, dass sie sich engagieren und beteiligen wollen. Sie wollen Bescheid wissen. Sie wollen mitmischen. Und sie haben etwas zu sagen.

Dafür sind Jüngere heute auch bereit, Hürden zu überwinden – Journalisten beispielsweise. Neulich hat die „Zeit“ über die Generation der Umdiedreißigjährigen berichtet. Anscheinend werden sie den Arbeitsmarkt verändern mit ihren Einstellungen. Das Interessante an dieser These ist die Vermutung, dass diese Umdiedreißigjährigen selbstbewusst ins Arbeitsleben treten, Forderungen stellen, aber auch bereit sind, überdurchschnittlich gut und hart zu arbeiten. Diese Generation, so ein Forscher, ist bereits in einer Welt groß geworden, in der sich alles ständig verändert, in der nichts ewig währt, in der jeder anpassungsfähig bleiben muss – aber in der jedem auch theoretisch alles möglich ist. Diese Generation Y – was im Englischen „why“, also „warum?“ ausgesprochen wird – fragt eben nicht nur nach dem Warum, sondern fragt vor allem: Warum nicht?

Keine Angst vor dem Scheitern

Es mag sein, dass diese Generation gelegentlich etwas altklug scheint und auftritt. Das ist aber nicht die Folge mangelnden Respekts vor dem, was die Generationen vor ihr erreicht haben und wissen. Vielmehr ist dieser Generation schon immer vermittelt worden, dass ihre Meinung zählt. Und das ist auch richtig so.

So wie unsere Eltern und Lehrer uns den Gedanken eingepflanzt haben, dass wir alles erreichen können, was wir nur wollen, und dass wir uns immer zu allem äußern dürfen, machen wir es auch: Wir sagen, was wir denken. Auch wenn wir natürlich wissen, dass wir jeden Tag Neues lernen müssen, dass wir manchmal scheitern. Doch das hält uns nicht davon ab, es immer wieder zu versuchen, denn wir sind es gewohnt, dass nicht immer alles klappt, was wir anpacken, dass wir auch mal danebenliegen oder uns blamieren. Gerade im Journalismus finden wir diese Einstellung jetzt wichtig: Nicht jeder Blog, jede Serie oder jede Idee zur Berichterstattung, die wir haben und umsetzen, wird erfolgreich sein.

Wir probieren es mal aus. Wir sind in einer Welt aufgewachsen, die sich aus Angebot und Nachfrage ergibt. Das finden wir nicht immer gut. Genauso wenig verstehen wir es aber, wenn jemand entschlossen an einem Produkt festhält, das ganz offensichtlich in dieser Form immer weniger Leute haben wollen. Wir finden es normal, dass wir unseren Job nicht dreißig Jahre lang auf die gleiche Weise machen, nur weil wir es irgendwann einmal so gelernt haben.

Die Eltern haben keine Ahnung

Übrigens wissen wir natürlich längst, dass unsere Eltern mit der Annahme, jedem von uns sei irgendwann alles möglich, nicht immer recht haben. So wie sie überhaupt in Wahrheit meist gar nicht beurteilen können, wie es bei uns im Studium und später in der Arbeitswelt abläuft. So wie unsere Eltern studiert haben, studieren wir spätestens seit Bologna nicht mehr. Was Credits sind, wissen die Eltern nicht. Sie stellen sich alles ganz falsch vor. Dass wir keinen Job finden werden, der ein Leben lang eine sichere Bank sein wird, das haben wir schon lange emotionslos anerkannt – und wir bedauern das nicht. Es ist für uns Realität und Normalität.

Auch das Internet hat dazu beigetragen, uns den Eindruck zu vermitteln, dass die Elterngeneration oft nicht mehr mitreden kann oder will. Laut der Jugendmedienstudie JIM von 2012 spielt heute die Hälfte aller Jugendlichen täglich Computerspiele. Das sei schlecht, sagen die Erwachsenen. Doch was ist daran eigentlich genau schlecht? Schlecht ist doch eher, dass da eine Generation in einer Lebensrealität heranwächst, von der alle vorher Geborenen nichts wissen – und offenbar häufig auch gar nichts wissen wollen. Das sind aber genau die Menschen, die später unsere Gesellschaft prägen und gestalten werden. Sollten wir also nicht versuchen, einander zu verstehen und zu respektieren?

Weder Dienstwagen noch Altbauschick

Wir wollen die Älteren verstehen, wir respektieren, was sie erreicht haben, wir können verstehen, wenn sie sich mit dem Internet, mit den schnellen Entwicklungen, mit der Offenheit, mit sozialen Netzwerken manchmal schwertun. Doch fragen wir uns schon auch: Warum basiert der Wunsch zu verstehen und sich auszutauschen nicht auf Gegenseitigkeit? Wir rennen mit unserer Unbedarftheit manchmal gegen Mauern. Das stört uns nicht besonders, denn wir sind es gewöhnt, dass nicht alles so kommt, wie wir es erwartet haben.

„Warum nicht?“ ist also die Frage, die wir stellen. Und genau diese Frage zu stellen, erwarten wir auch von unserer Umwelt. Junge Journalisten werden sich immer dorthin orientieren, wo es erlaubt ist, das zu fragen. Ich habe ein paar Monate lang in Los Angeles gearbeitet. In den USA habe ich Journalisten kennengelernt, die die Begeisterung über ihren Job offen äußern, was in Deutschland nicht so üblich ist. Sie sagen: Mein Beruf ist der schönste, den es gibt! Ich liebe meinen Job!

Genau das wollen wir auch sagen. Wir brauchen keinen Dienstwagen, nicht jeder von uns will Chef werden. Schülern sage ich manchmal: Wenn du Journalist bist, darfst du alles fragen – und nichts ist zu doof, und niemand lacht dich aus, denn das ist dein Beruf. Jeden Tag siehst und erlebst du etwas anderes. Genau das habe ich nämlich erfahren. Und die Generation Y will einen Beruf, der Spaß macht, der erfüllt, der in irgendeiner Form Sinn ergibt.

Sie wünschen sich Flexibilität, Vertrauen und Respekt

Wir sind nicht diejenigen, die jetzt gerade in den Großstädten die Hipster-Büros mit Tischkickern und Segways ausstatten, die stuckbehangene Altbauten beziehen und Retromöbel aufstellen, die teures veganes Essen mit dem SUV-Geländewagen vorfahren lassen, nur weil manche sich offenbar selbst darüber hinwegtäuschen müssen, dass sie in einem gewöhnlichen Bürojob arbeiten.

Wir lehnen auch einen gewöhnlichen Bürojob nicht ab: wenn er uns erfüllt, wenn wir uns verwirklichen können, wenn wir etwas Gutes oder Sinnvolles tun. Wir wünschen uns in unserem Job Flexibilität, Vertrauen und Respekt. Wir wollen auch mal früher gehen, wenn wir irgendwann das Kind vom Kindergarten abholen müssen, wir wollen mal später kommen, wenn wir morgens was erledigen müssen. Wir bleiben in anderen Fällen abends länger – oder schreiben einen Artikel am Wochenende, weil wir ihn genau jetzt schreiben wollen, so wie diesen hier.

Was für ein Geist! Was für ein Plan!

Die Generation Y ist weit entfernt von der Generation Golf, die cool sein wollte, weit entfernt von den Popliteraten, die die neunziger Jahre beherrschten und immer alles doof fanden. Wir wollen nicht cool sein, wir wollen nicht immer alles schlechtreden, wir sehen nicht die Gefahren, sondern die Anfänge und die Chancen.

Vielleicht ist das die Ursache dafür, dass mir das Bild von den Gründern der StZ so gut gefällt. Wir gründen eine Zeitung! Was für ein Geist! Was für ein Plan!

Man sieht unter den Gründern übrigens nicht nur Josef Eberle, der zusammen mit Karl Ackermann und Henry Bernhard im September 1946 die Lizenz der amerikanischen Militärregierung zur Herausgabe der Stuttgarter Zeitung erhalten hatte. Auf dem Foto ist er der Fünfte von links. Der Mann im dunklen Anzug am rechten Bildrand ist Erich Schairer, Mitherausgeber der StZ in den Gründungsjahren und einer der einflussreichsten Journalisten und Publizisten seiner Zeit. Und die Frau im hellen Kostüm in der Bildmitte ist Helene Schairer, seine Ehefrau, die die Bedrückungen der NS-Zeit mit ihm durchgestanden hat. Aber eigentlich spielt es für mich keine Rolle, was das Foto wirklich zeigt. Was ich in diesem Bild sehe, ist: ein Aufbruch.