Am Donnerstag begehen die Amerikaner das Thanksgiving-Fest – seit den Pioniertagen der wichtigste Familienfeiertag im Jahresverlauf. Im Mittelpunkt stehen Truthahn & Co. Da darf nichts schief gehen.

Washington - Zumindest zwei Vögel werden das Fest überleben, denn US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melania werden ein Truthahn-Paar traditionsgemäß begnadigen. Die Tiere sind eigens aus dem Bundesstaat Minnesota angereist und dürfen die Nacht vor der feierlichen Zeremonie im Willard Intercontinental Hotel in Washington verbringen, bevor sie anschließend zu ihrem Altersruhesitz auf einem Universitätsgehege in Virginia gebracht werden. Dort warten bereits „Tater“ und „Tot“, die beiden 2016 von Ex-Präsident Barack Obama begnadigten Truthühner auf sie.

 

Für viele Artgenossen aber wird diese Woche weit unerfreulicher verlaufen. Am Donnerstag begehen die Amerikaner das Thanksgiving-Fest – seit den Pioniertagen der wichtigste Familienfeiertag im Jahresverlauf. Vor allem gehört ein üppiges Abendessen dazu, in dessen Mittelpunkt ein delikat gefüllter Truthahn mit möglichst vielen Beilagen steht. Nach offiziellen Statistiken werden am Erntedank-Tag in den USA rund 46 Millionen „turkeys“ verspeist. Im Schnitt wiegen die Vögel 15 Pfund (knapp sieben Kilo) und machen zehn bis zwölf Personen satt.

Die Amerikaner machen sich einen Riesenstress mit Thanksgiving

Legendär ist freilich auch der Stress, den sich die Amerikaner mit diesem Fest machen. Ein Festmahl, für das die Angehörigen quer durchs ganze Land herbeifliegen, darf keinesfalls misslingen. Vor zwei Wochen schon hat die „New York Times“ ihren Lesern daher eine spezielle Beilage mit einem minutengenauen Ablaufplan für den Donnerstag geliefert.

Um acht Uhr morgens beginnt der Tag: „Mache Dir einen Kaffee und nimm ein Pfund Butter aus dem Kühlschrank!“ Dann wird der Ofen vorgeheizt, der Truthahn mit einer Butter-Orangenschalen-Knoblauch-Salbei-Paste eingerieben und auf den Rost gelegt. Das muss hurtig gehen, denn schon um 8.20 Uhr steht der nächste Punkt an: „Mache die Streusel für den Apfelkuchen.“ Das darf immerhin bis neun Uhr dauern, wenn die Cranberry-Soße vorbereitet wird. So geht das mit einem Chorizo-Paprika-Auflauf, einem Kartoffelgratin, Pürees, Kürbissen und Salaten im Halbstunden-Takt weiter. Um 16 Uhr dürfte der Koch fertig sein, aber angeblich ist es das Essen auch.

Bei Aldi werden pro Kunde maximal zwei Puter verkauft

„Simplified“ (Vereinfacht) hat deshalb das Konkurrenzblatt „Washington Post“ seine ebenfalls pralle Thanksgiving-Beilage betitelt. „Sie müssen nicht 18 Tage vorher beginnen“, versprechen die Autoren aufmunternd: „Wenn Sie unseren Anweisungen folgen, wird ihre Stimmung ruhig und freundlich sein.“ Das klingt gut, ändert freilich nichts daran, dass man irgendwo mitten auf der Seite erfährt, den tiefgefrorenen Puter hätte man bereits seit Samstag im Kühlschrank langsam auftauen müssen. Außerdem ist das Studium eines Online-Videos zum richtigen Tranchieren des Geflügels unerlässlich.

Überhaupt: der Truthahn. Das Angebot ist unermesslich. Seit Wochen quellen die Kühltruhen der Supermärkte über, und Feinschmecker finden die rohen Vögel auch an den Frischetheken der Lebensmittelabteilung. 99 Cent pro Pfund (1,85 Euro pro Kilo) kosten die gefrorenen „turkeys“ derzeit beim amerikanischen Aldi. Pro Kunde werden dort maximal zwei Stück abgegeben. Auch die Lebensmittelkette Giant setzt dieses Limit, verspricht aber zusätzlich: „Wir werden den Preis jedes Wettbewerbers unterbieten.“ Wer für 25 Dollar andere Lebensmittel einkauft, bekommt den Truthahn für 47 Cent je Pfund hinterhergeworfen. Allerdings hat Qualität ihren Preis: Ein frischer, zarter Öko-Puter kostet bei Giant schon 3,99 Dollar pro Pfund.

Selbstverständlich sind fast überall auch Bratenthermometer und Schmortöpfe, die man direkt ans Stromnetz anschließen kann, im Angebot. Wem das alles zu kompliziert erscheint, für den wird das Truthahn-Essen auch fertig angeboten. Schlappe 249,99 Dollar kostet das „Festmahl für 12“ bei der Bio-Supermarktkette Whole Foods. Im Preis enthalten sind neben dem gebratenen Truthahn mit Kartoffeln, Füllung, Soße und Beilagen auch zwei Kuchen. „Beeindrucken Sie Ihre Gäste!“, wirbt das Unternehmen. Aufwärmen muss man das Fleisch aber noch selber.