Die Verbündeten gehen mit ihren afghanischen Helfern ganz unterschiedlich um: Frankreich lässt seine Helfer nicht im Stich. Die Briten nehmen einen Teil auf. Die Amerikaner hingegen hatten viel vor und halten offenbar wenig.

Stuttgart - Die Verbündeten haben keine klare Linie im Umgang mit den Helfern am Hindukusch. Jede Nation hält es anders – ein Überblick.

 

Frankreich

Afghanen, die den Franzosen beigestanden sind, müssen nicht um ihr Leben bangen. Frankreich hat die Lehren aus der Geschichte gezogen. Das Militär lässt seine Helfer nicht mehr einfach fallen, wenn es einem Kriegsschauplatz den Rücken kehrt. Was sich Vietnamesen nach dem Indochina- und Algerier nach dem Befreiungskrieg vergeblich erhofften, erhalten die Afghanen im Überfluss: Einreisevisa, langfristige Aufenthaltsberechtigungen, finanzielle Starthilfen und Betreuung.

62 meist als Übersetzer tätige Ortskräfte sind nach der Räumung des Militärstützpunkts im Kapisa-Tal mit Familie nach Frankreich gekommen, wo sie nicht von Taliban als „Kollaborateure gottloser Besatzer“ verfolgt werden. Ob Wohngeld, Sozialhilfe, Krankenversicherung, Sprachkurse, Fortbildung oder Hilfe bei der Jobsuche – an alles ist gedacht. Noch vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten hatte François Hollande den Helfern versprochen: „Wir lassen niemanden fallen.“ Er hielt Wort.

Ein halbes Jahrhundert zuvor hatte ein anderer Präsident noch andere Töne angeschlagen. Nach der Niederlage in Algerien und dem Rückzug aus der ehemaligen Kolonie lehnte es Charles de Gaulle strikt ab, algerische Helfer aufzunehmen. Trotzdem nahmen sich französische Militärs der Ortskräfte an, brachten die „Harkis“ in Sammellagern unter, wo sie zum Teil freilich bis Anfang der siebziger Jahre festsaßen. Zurückgeblieben ist ein nationales Trauma und der Wunsch, es nun anders, besser zu machen.

Großbritannien

Nicht alle afghanischen Mitarbeiter der Streitkräfte Ihrer Majestät dürfen nach Großbritannien übersiedeln, wenn der Abschied naht. Von den ungefähr 1200 Übersetzern und sonstigen Helfern, die im Vorjahr in britischen Diensten standen, erhält lediglich etwa die Hälfte die Chance, mit Familienangehörigen ins Königreich zu ziehen. Wer freiwillig bleibt, soll eine Abschlagszahlung erhalten. Für Asylplätze in Frage kommen ohnehin nur Afghanen, die 2012 die vollen zwölf Monate für die Briten tätig waren. Früher oder zwischenzeitlich ausgeschiedene Personen sind von der Umsiedlung ausgeschlossen – auch wenn sich viele von ihnen in Lebensgefahr wähnen.

Bis Juni hatte London gar nur ein paar wenige Einzelfälle zulassen wollen. Gegen die Einschränkung gab es scharfe Proteste. Den Afghanen müsse dasselbe Recht eingeräumt werden wie vorher den Irakis, die alle umsiedeln durften, meinten die Kritiker. Der Churchill-Urenkel und Armee-Hauptmann Alexander Perkins erklärte bei der Überreichung einer 60 000-Stimmen-Petition in Downing Street, sein Urgroßvater „wäre schockiert gewesen von der Art und Weise, in der unsere Regierung Männer behandelt, die ihr Leben riskiert haben, um den britischen Streitkräften zu helfen“.

Vereinigte Staaten

Der US-Kongress hat im Jahr 2009 eigens ein Gesetz erlassen, um afghanischen Ortskräften die Ausreise in die USA zu ermöglichen. Das Außenministerium sollte über seine Botschaft in Kabul insgesamt 7500 Visa ausstellen. Das klang zunächst nach einer guten Nachricht für die afghanischen Übersetzer, die von den Taliban als Kollaborateure angesehen und bedroht werden.

Doch die Realität sah anders aus. Denn der sogenannte Afghan Allies Protection Act erwies sich alsbald als schier undurchdringliches Bürokratie-Dickicht. Nach Angaben von Anwälten warten zahlreiche Bewerber bereits seit Jahren auf die Einreisegenehmigungen in die USA. Erst Ende 2011 etwa begann die US-Botschaft in Kabul mit der Ausstellung der Visa. Zuvor herrschte offenbar Personalmangel in der Botschaft, und die Ortskräfte wurden in die pakistanische Hauptstadt Islamabad geschickt – eine Reise, die für Afghanen in Diensten der US-Armee lebensgefährlich werden kann.

Weniger als anderthalb Jahre vor dem geplanten Abzug aller US-Kampftruppen vom Hindukusch hat immer noch die überwiegende Mehrzahl der Ausreisewilligen keine Papiere in der Hand. Die „Washington Post“ berichtete im Herbst vorigen Jahres unter Berufung auf das Außenministerium, dass von mehr als 5700 Anträgen erst 32 bewilligt worden seien. Neuere Zahlen gibt es nicht. Für Kirk Johnson, der für eine Hilfsorganisation arbeitet, die ausreisewillige irakische Ortskräfte unterstützt, ist bereits heute klar: „Die Regierung hat ein spezielles Werkzeug geschaffen, um diesen Menschen aus dem Land zu helfen“, sagt er. „Aber in Wirklichkeit erweist sich das Werkzeug als unbrauchbar.“