Während die Grünen, die AfD und die FDP um die Wette jubeln, herrscht bei SPD und CDU Katzenjammer. Für die CDU ist das Wahlergebnis eine Niederlage, für die SPD schlicht ein Debakel.

Stuttgart - Schon als die erste Prognose des landesweiten Wahlergebnisses über die Bildschirme flimmerte, brandete in entgegengesetzten Ecken des Großen Sitzungssaals im Rathaus Jubel auf. Auf der einen Seite die Grünen um OB Fritz Kuhn, Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle und Baubürgermeister Peter Pätzold, die sich vor Freude über das Abschneiden der Regierungspartei kaum wieder einkriegen konnten, auf der anderen Seite die AfD, die – angeführt von ihrem Kandidaten und Stadtrat Bernd Klingler – zu Jubelschreien anhob. Beide Parteien gehören eindeutig zu den Gewinnern des Wahlabends.

 

Dazwischen: eisige Mienen bei der SPD, die in der Landeshauptstadt ihr schlechtestes Landtagswahlergebnis der Nachkriegsgeschichte eingefahren hat, und lange Gesichter bei der CDU, die die Regierungsübernahme durch Grün-Rot vor fünf Jahren doch eigentlich als Betriebsunfall abhaken wollte. Ihr Kreischef Stefan Kaufmann machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, versuchte aber, dem Ergebnis noch etwas Positives abzugewinnen: „Das ist eine bittere Niederlage, auch wenn wir besser abgeschnitten haben als die CDU in anderen Städten.“

SPD erkennt sich Status einer Volkspartei selbst ab

Fragen nach der Eignung des CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf wollte Kaufmann zwar nicht beantworten, befand aber, man müsse sich die Politik der CDU im Land in den vergangenen Jahren nochmals „genau anschauen“. CDU-Ratsfraktionschef Alexander Kotz machte die Flüchtlingsthematik für das Ergebnis verantwortlich. Diese habe auch CDU-Wähler in die Arme der rechtspopulistischen AfD getrieben.

Hier gibt es die Ergebnisse der Landtagswahl

Den SPD-Granden stand der Schrecken über das Abschneiden der Genossen ins Gesicht geschrieben. „Das Ergebnis ist auf Landesebene ein Debakel für uns, in Stuttgart nicht ganz so schlimm, meinte SPD-Ratsfraktionschef Martin Körner. Auch er vermied direkte Kritik am Spitzenkandidaten Nils Schmid, beklagte aber zugleich, dass es der SPD über viele Jahre nicht gelungen sei, „Herz und Bauch der Menschen zu erreichen“. Alles Positive in der Regierungsarbeit sei den Grünen zugeschrieben worden, die SPD-Erfolge nicht wahrgenommen worden.

SPD-Parteichef Dejan Perc räumte ein, dass die SPD im Land und in Stuttgart nun keine Volkspartei mehr sei: „Das Ergebnis ist sehr schmerzhaft, da gibt es nichts schönzureden.“ Er hoffe, dass Nils Schmid mindestens bis zum Landesparteitag am 30. April an Bord bleibe, man müsse sich dort im Lichte des Endergebnisses grundlegende Gedanken machen, wie es mit der SPD in Zukunft weiter gehe: „Wir können nicht alles auf Nils Schmid schieben.“

Bürgermeister Wölfle kann sich Grün-Rot-Gelb vorstellen

Grünen-Kreischef Mark Breitenbücher freute sich dagegen wie ein Schneekönig, auch wenn er das gute Abschneiden der AfD als Wermutstropfen des Wahlabends bewertete: „Das ist das Schlimmste an diesem Abend.“ Die Grünen hätten als stärkste Partei nun ganz klar einen Auftrag zur Regierungsbildung: „Wir werden mit allen demokratischen Parteien über die Bildung einer tragfähigen Regierungskoalition sprechen“, kündigte Breitenbücher an. OB Fritz Kuhn zeigte sich hocherfreut über das Abschneiden der Grünen: „Ich bin Gründungsmitglied der Partei. Wenn mir jemand 1980 prophezeit hätte, dass die Grünen irgendwann einmal vor der CDU liegen würden, hätte ich ihn für verrückt erklärt.“

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Bürgermeister Werner Wölfle, 2011 selbst knapper Sieger im Filderwahlkreis gegen Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU), sieht die Grünen als Volkspartei etabliert. „Das Ergebnis von 2011 war eben kein Unfall“, so Wölfle. Er hoffe, dass die FDP sich Gesprächen über eine grün-rot-gelbe Koalition nicht verweigere. Für Grün-Schwarz fehle der CDU das Personal. Auch CDU-Chef Kaufmann sieht „wenig Schnittmengen“ für Grün-Schwarz und bringt andere Optionen ins Spiel: „Es steht nirgendwo geschrieben, dass die stärkste Partei den Regierungschef stellen muss.“

AfD-Chef Klingler hofft noch auf Einzug in den Landtag

Eine persönliche Genugtuung war das Ergebnis im Wahlkreis Stuttgart-Nord für den FDP-Dissidenten und jetzigen AfD-Kreisvorsitzenden und Stadtrat Bernd Klingler. Seine Hoffnung, über die Auszählung der Zweitmandate noch in den Landtag einzuziehen, musste er allerdings am späten Abend begraben. „Natürlich hätten wir ohne das Flüchtlingsthema kein solches Ergebnis erzielt“, gibt er unumwunden zu. Zugleich sei die AfD eben die einzige Partei, die hier „klare Kante gezeigt“ habe. Der gescheiterte Linken-Bewerber Hannes Rockenbauch mahnte angesichts des AfD-Erfolgs „ein Bündnis aller demokratischen Kräfte gegen Rechts“ an, während wenige Meter weiter FDP-Kreischef Armin Serwani siegestrunken mit Parteifreunden für ein Foto posierte. Auch die Liberalen dürften sich als Sieger fühlen, zumal ihre Kandidatin Gabriele Reich-Gutjahr (Filderwahlkreis) es über die Zweitauszählung noch in den Landtag geschafft hat. Serwani wollte sich im Gegensatz zum FDP-Spitzenkandidaten Hans-Ulrich Rülke nicht auf die CDU als einzig möglichen Koalitionspartner festlegen. Die nächsten Tage dürften spannend werden.

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