Der VfB Stuttgart hat gegen den FC Bayern mit 0:2 verloren und droht im Mittelmaß zu versinken. Die Entwicklung dorthin hat bereits eine lange Vorgeschichte.

Stuttgart - Es ist der 21. April 2007. Am 30. Spieltag empfängt der VfB Stuttgart den FC Bayern und gewinnt durch zwei Tore von Cacau mit 2:0. Damit hat die Mannschaft den Grundstein zur Meisterschaft gelegt. München ist chancenlos. Die Stimmung im Stadion ist euphorisch und so außergewöhnlich wie sonst gegen keinen Gegner in der Bundesliga. Die VfB-Perspektive erscheint rosig. Der Club befindet sich offenbar auf dem Weg zu einer festen Größe im deutschen Spitzenfußball.

 

Es ist der 27. Januar 2013. Am 19. Spieltag empfängt der VfB den FC Bayern und verliert durch Tore von Mario Mandzukic und Thomas Müller mit 0:2. Stuttgart ist chancenlos Die Mannschaft belegt nur den elften Tabellenplatz. Die Stimmung im Stadion ist gleichgültig und unterscheidet sich kaum von einer Partie gegen Augsburg. Die VfB-Perspektive scheint schwammig. Der Club befindet sich offenbar auf dem Weg zu einer x-beliebigen Größe im Mittelmaß.

Was ist zwischen dem 21. April 2007 und dem 27. Januar 2013 passiert?

Eine alte Weisheit besagt, dass im Erfolg die schlimmsten Fehler gemacht werden. 2007 war der VfB erfolgreich, aber zumindest im Nachhinein deutet alles darauf hin, dass es schon damals keinen Plan gab, wie die nächsten Schritte aussehen sollen, um diesen Erfolg zu konservieren. So wurden nach dem Titelgewinn zwar alle Stammspieler mit Ausnahme des Torhüters Timo Hildebrand gehalten, aber teilweise wurden Verträge wie bei Matthieu Delpierre zu finanziellen Bedingungen verlängert, die das Gehaltsniveau im Kader sprengten. Darunter leidet der VfB bis heute.

Erschwerend hinzu kam die Transferpolitik, die von 2007 bis heute eines gemeinsam hat – viele Spielerverpflichtungen wurden sehr spät Ende August verwirklicht, als die Vorbereitungen für die neue Runde schon abgeschlossen waren. Auf den allerletzten Drücker machte der VfB dann oft doch noch ein paar Millionen Euro locker, die er in den Monaten zuvor lieber in seiner Kasse gebunkert hatte. Das Geld rückte der Verein erst heraus, als der Markt bereits verlaufen war. So musste man sich auf der Resterampe bedienen. Übrig geblieben sind für den VfB beispielsweise Leute wie Ciprian Marica, Pawel Pogrebnjak oder Zdravko Kuzmanovic. Diese Flickschusterei beschleunigte den 2007 einsetzenden schleichenden Niedergang.

Dieses Kapitel trägt die Überschrift: unternehmerische Fehleinschätzungen. Den Gegenentwurf liefert die Dortmunder Borussia, die 2007 noch unter ferner liefen auf Rang neun landete. Aber danach ging es stetig aufwärts, mit einem Konzept als Basis. Der Trainer Jürgen Klopp baute eine junge Mannschaft auf. Wenn der Verlust eines Leistungsträgers drohte, wurden die Weichen rechtzeitig in Richtung Nachfolger gestellt – wie bei Shinji Kagawa. Lange bevor im vergangenen Sommer der Abgang des Japaners zu Manchester United feststand, hatte die Borussia schon im Januar die Stelle mit Marco Reus neu besetzt.

Der VfB handelte dagegen in all den Jahren nicht vorausschauend, sondern reagierte jeweils nur auf vermeintliche Notstände. Zudem legte der Club seine Geschicke dabei immer in die Hände des aktuell tätigen Trainers, der seinen persönlichen Lieblingsspieler holen durfte. Bei Armin Veh war das Yildiray Bastürk, bei Markus Babbel dann Pawel Pogrebnjak, bei Christian Gross anschließend Johan Audel und Philipp Degen und bei Bruno Labbadia sind es jetzt Tunay Torun und Felipe.

Zudem gestattete der VfB diesen Trainern auch, Spieler wegzuschicken, die nicht ihren Vorstellungen entsprachen. Bei Veh traf es Andreas Beck, bei Babbel Thomas Hitzlsperger, bei Gross Sebastian Rudy und bei Labbadia Timo Gebhart. Das Produkt ist nun ein uneinheitlich zusammengestelltes Stuttgarter Team.

Dieselbe kurzsichtige Vorgehensweise praktizierte der Verein bei seiner Trainerauswahl. Nie stand die Frage im Mittelpunkt, welcher Typ am besten zur VfB-Philosophie passt. Stattdessen ging es bei den Wechseln um Schadensbegrenzung. Der Club saß stets in der Klemme und musste einen Trainer nehmen, der gerade verfügbar war.

Unter all dem leidet die Identifikation der Fans, die immer schwerer nachvollziehen können, wofür der VfB noch steht und was er wann und mit welchen Mitteln erreichen will. Die Verantwortlichen erzählen dazu nur, dass wenig Geld da ist und dass gespart werden muss. Dabei sind die übergeordneten sportlichen Ziele im Leitbild sogar schriftlich fixiert. Demnach will der VfB ein Club sein, der schwerpunktmäßig den eigenen Nachwuchs fördert und einen offensiv ausgerichteten Fußball anstrebt. Das ist die Theorie. In der Praxis sitzen die Leute am 27. Januar 2013 im Stadion und schweigen.