28 Tage lang hat Andreas Fath den Rhein durchschwommen und Proben genommen. Nun weisen erste Analysen allerlei Stoffe nach – von Arzneimitteln bis zu Süßstoffen und Dünger.

Schiltach - Insgesamt 28 Tage lang hat der Chemieprofessor Andreas Fath von der Fachhochschule Furtwangen im Sommer den Rhein durchschwommen – von der Quelle in der Schweiz bis zur Mündung in Hoek van Holland. Zusammen mit seinen Teamkollegen, die ihn in einem Motorboot und einem Kanu begleitet haben, hat er täglich Wasserproben genommen. Inzwischen sind diese Proben an der Hochschule sowie weiteren Forschungseinrichtungen und Firmen auf insgesamt 600 unterschiedliche Inhaltsanhaltsstoffe untersucht worden. „Die gute Botschaft ist: Nirgends im Rhein werden kritische Grenzwerte überschritten“, sagte der Wissenschaftler jetzt bei einem Symposion in Schiltach, wo er die ersten Ergebnisse präsentiert hat.

 

Dennoch finde sich in dem Fluss „ein umfangreicher Chemiecocktail“. Von Arzneimitteln über Süßstoffe, bis zu Spülmitteln und Dünger sei vieles vertreten. „Alle Stoffe, die von den Menschen in großem Umfang verbraucht werden, finden ihren Weg in den Fluss“, stellte Fath fest.

Ab Laufenberg findet sich das Schmerzmittel Diclofenac

Blutdrucksenkende Medikamente gibt es schon ab Illanz in Graubünden, wenige Kilometer vom Ursprung im Alpenrein, berichtete er. Bis Chur komme dann ein Antibiotikum zur Bekämpfung von Harnwegs- und Lungenentzündungen dazu, in Konstanz ein Mittel gegen Bluthochdruck und ab Laufenberg am Hochrhein finde man das Schmerzmittel Diclofenac, berichtete Fath. Künstliche Süßstoffe aus beliebten kalorienarmen Erfrischungsgetränken landen ebenso im Flusswasser wie die Reste von Spülmaschinen-Tabs. Sie enthalten zum Silberschutz Benzotrianol, das, wie die Süßstoffe, in Kläranlagen schwer komplett abbaubar ist. „Wenn wir jeden Abend die Spülmaschine laufen lassen, kommt die Chemikalie stetig ins Abwasser und gelangt damit in großen Mengen in den Rhein“, erläuterte Fath.

Aus der Abteilung Kosmetik haben die Forscher die Substanz Climbazol im Rhein entdeckt. Sie hemmt die Vermehrung von Pilzen und wird deshalb in Anti-Schuppen-Shampoos verwendet. Sie kann, wenn sie in den Körper gelangt, Chlorphenol abspalten, das im Verdacht steht, Krebs zu erregen. Auch die Medizintechnik liefert offenbar ihren Beitrag zur Anreicherung des Stroms mit fremden Substanzen. So haben Fath und sein Team ab dem Zufluss der Lippe in der Höhe von Xanten „signifikant höhere Werte“ von Gadolinium – einer Seltenen Erde – nachgewiesen, das als Kontrastmittel bei Untersuchungen im Kernspintomografen eingesetzt wird.

Die Tensid-Belastung ist deutlich zurückgegangen

Deutlich zurückgegangen ist nach den Ergebnissen hingegen die Belastung des Wassers mit perfluorierten Tensiden. Sie waren in Schäumen zum Feuerlöschen enthalten bis sie 2008 EU-weit verboten wurden. Das habe sich offenbar inzwischen ausgewirkt, sagte Fath: gegenüber 2006 sei der Wert in Höhe Düsseldorf von damals 80 auf nun 6 Nanogramm pro Liter gesunken. Gute Nachrichten gebe es auch bei anderen Substanzen, so sei bei Schwermetallen – ob Kupfer, Blei, Titan oder Chrom – stets die Trinkwassergrenze unterschritten worden. „Nicht so beruhigend“ sei die Lage weiterhin bei Nitraten und Phosphaten aus Düngemitteln und Gülle. Sie gefährden nach Faths Einschätzung das Trinkwasser weiterhin, weil sie bei starkem Regen oft direkt ins Grundwasser gelangen. Auch im Rhein machen sie sich bemerkbar. An einzelnen Schwimmtagen habe er an den Zuflüssen einen deutlichen Nitratanstieg feststellen können. „In der Zusammenfassung aller Werte erhalten wir einen umfassenden Einblick in die Wassergüte des Rheins“, stellte der Wissenschaftler fest. Entwarnung könne man, trotz guter Werte bei der Phosphat- und Sauerstoffkonzentration, noch nicht geben. Je weiter sich der Rhein von seiner Quelle entferne, desto höher werde die Konzentration von organischen, sauerstoffzehrenden Substanzen aus Industrie und Landwirtschaft, von Krankenhäusern und Privathaushalten. Das langfristige Ziel müsse daher sein, Systeme zu entwickeln, um die Substanzen so rechtzeitig abzubauen, „dass sie unsere Gewässer nicht belasten“.