Volksmusik muss nicht brav und bieder sein. Seit zehn Jahren erbringt Hans Well mit seinem Nachwuchs den Beweis. Am Mittwoch, 12. Oktober, kommen die famosen Wellbappn ins Renitenztheater.

Lokales: Tom Hörner (hör)

Wenn der Vater mit dem Nachwuchs musiziert – seit zehn Jahren funktioniert das bei den Wellbappn aufs Beste. Im Interview erzählt Hans Well, wie das klappt und warum er gern nach Stuttgart kommt.

 

Herr Well, seit zehn Jahren gibt es die Wellbappn. Ein Grund zum Feiern?

Selbstverständlich. Die Wellbappn waren nach der Zeit mit meinen Brüdern bei der Biermösl Blosn Fortsetzung und Erneuerung zugleich. So wie wir mit der Biermösl Blosn früher den Gerhard Polt verjüngt haben, so passiert mir das jetzt mit meinen Kindern, die jetzt zwischen 26 und 30 sind.

Wie wird gefeiert?

Indem wir nach Stuttgart fahren. Wenn’s gut läuft, dann essen wir beim Vincent Klink in der Wielandshöhe. Das Lokal ist eines der wenigen Dinge, die Stuttgart München voraushat. Sonst ist ja vieles ähnlich. Unsere Ministerpräsidenten verstehen sich bestens. Eure grüne Kultusministerin Therese Schopper kommt aus Bayern. Und der Söder ist im Grunde genommen ein Grüner. Er umarmt Bäume, Bienenschwärme – und baut zu wenig Windräder.

Sonst noch Parallelen?

Das Leuchtturmprojekt Stuttgart 21 wiederholt sich bei uns. Die Kosten der S-Bahn-Stammstrecke zwei in München sind in kurzer Zeit von 500 Millionen auf 7,8 Milliarden Euro explodiert. Die Bauzeit um 17 Jahre.

Sie schätzen Vincent Klink als Koch?

Nicht nur, auch als Musikant. Er hat mich einmal am Ammersee besucht und dort Straßenmusik gemacht. Vor kurzem hat er uns eine Basstrompete geschickt.

Wichtig war für Sie der verstorbene Kabarettist Dieter Hildebrandt.

Der Dieter hat mir, als sich die Biermösl Blosn aufgelöst hat, gesagt: „Wer solche Texte schreibt, der darf nicht aufhören.“ Als wir noch kein abendfüllendes Programm hatten, hat er die Wellbappn mit gemeinsamen Auftritten unterstützt. Sein Manager erzählte mir, dass er ihn anwies, zehn Termine im Jahr mit uns zu reservieren. Das hat mich berührt.

Viele Künstler tun sich derzeit schwer, weil das Publikum nicht wie früher strömt. Wie ist das bei Ihnen?

Unterschiedlich. In Bayern ist es für uns leicht. Aber je weiter weg davon, desto schwieriger wird’s. Zwei Jahre Corona hat viel ruiniert. Da bräuchte es mehr Unterstützung durch Medien wie Radio und Fernsehen. Abseits ausgelatschter Pfade.

Die Arbeitsteilung „Der Papa schreibt die Texte, die Kinder die Musik“ funktioniert nach wie vor?

Ähnlich wie bei den Biermösln. Aber im „Digitalen Kindergarten“ geht es um neue Medien, eine Welt, von der ich wenig Ahnung hab. Da war ich auf die Expertise meiner Kinder angewiesen. Die sind übrigens viel musikalischer als ich. Dafür bin ich schöner.

Es gibt nie unterschiedliche Ansichten?

Natürlich fetzten wir uns. Aber die gemeinsame Linie stimmt. Wir waren schon immer eine politische Familie. Wenn ich für den „Scheibenwischer“ schrieb, haben die Kinder Inhalte mitbekommen. Auch gelegentliche Wutausbrüche, die die bayrische Politik so provozierte, sind ihnen nicht entgangen.

Die Stoßrichtung ist nach wie vor: Alpenländisches Liedgut trifft auf bitterböse Texte.

Meine Kinder haben andere musikalische Einflüsse mitgebracht. Was Lieder anbelangt hab ich schon immer Wert drauf gelegt, das sie trotz aller Schärfe unterhaltsam und witzig sind. Kabarettisten mit erhobenem Zeigefinger, die Dinge eins-zu-eins zu beschreiben, gefallen uns nicht. Oder bildlich gesprochen: Uns geht’s nicht darum, zu schildern, was hinten rauskommt, das kann jeder riechen. Viel interessanter sind die Zutaten, die zu dem führen, was hinten rauskommt.

Als wir uns vor fünf Jahren unterhielten, steuerte Söder gerade das Ministerpräsidentenamt an. Wie macht er den Job?

Man muss immer fragen, welcher Söder. Der hat in der Zwischenzeit permanent seine Position gewechselt. Nach Fukushima hat er mit Rücktritt gedroht, wenn man nicht aus der Kernkraft aussteigt. Inzwischen will er Reaktoren über Jahre am Laufen halten. Weil Bayern beim Windstrom gnadenlos hinterherhinkt. Den Atommüll überlässt er übrigens gerne Baden-Württemberg.

Warum dürfen Politiker ihre Meinung nicht ändern? Das kann doch Ausdruck eines Lernprozesses sein.

Wenn man Söder heißt, verkauft man das so. Nein, wenn der Söder entdeckt, dass es mit dem Begriff Asyltourismus Wählerstimmen gewinnen kann, dann benutzt er den wieder. Und wenn Leute gegen Stromtrassen protestieren, redet er von Monstertrassen. Der ist ein Populist ohne Haltung. Das schadet jetzt der bayerischen Industrie und hat dazu geführt, dass Isar 2 weiterläuft. Die CSU hat die Energiewende komplett vergeigt. Andererseits sind bayrische Politiker wie der Söder ein Jungbrunnen fürs Kabarett.

Immerhin wurde Ihre Arbeit von staatlicher Stelle abgesegnet.

Sie spielen auf den bayerischen Verfassungsorden an, den ich im Juni verliehen bekam. Bei der Verleihung war ich so frei, zu sagen, dass es besser gewesen wäre, wenn der Verfassungsschutz die CSU-Politiker Sauter und Nüßlein und die Frau Tandler bei ihren Maskendeals beobachtet hätte als früher die Biermösl Blosn. Der Applaus war stark, auch von CSUlern im Saal. Der Söder hätte sicher mitgeklatscht, auch wenn es die Kriminalitätsrate seiner Partei betraf.

Zurück zu zehn Jahre Wellbappn. Gibt es eine Art Hymne?

Sehr gern spielen wir unsere Hymne auf die Stadt Olching, direkt an er A8 gelegen. Jedes Mal, wenn wir da vorbeikommen, sind wieder 20 Logistikhallen dazu geklotzt. Jährlich wird in Bayern die Fläche vom Ammersee versiegelt. Wenn das so weitergeht, habe ich mal ausgerechnet, ist Bayern in 120 Jahren unter Beton und Asphalt verschwunden. Aber auch unsere Europahymne klingt in diesen Zeiten besonders gut.

Der Germanist als Texter

Hans Well
, Jahrgang 1953, ist das neunte von fünfzehn Kindern des Schulmeisters Hermann Well und seiner Frau Gertraud Well aus dem Dorf Günzlhofen bei Fürstenfeldbruck. Er studiert Pädagogik mit Germanistik und Geschichte. Statt als Lehrer zu arbeiten, tut er sich mit seinen Brüdern Christoph und Michael zu den Biermösl Blosn zusammen, die viel Jahre den Kabarettisten Gerhard Polt bei seinen Auftritten begleiten. Als sich die Biermösln nach 35 Jahren auflösen, tritt Well mit seinen Kindern Sarah, Tabea und Jonas als Hans Well & die Wellbappn auf. hör