Italien steht vermutlich eine Regierung ins Haus, die über ideologische Grenzen hinweg gebildet werden muss. Alles hängt an der Fünf-Sterne-Bewegung und ihrer Koalitionsbereitschaft.

Rom - Italien steht vermutlich eine Regierung ins Haus, die über ideologische Grenzen hinweg gebildet werden muss. Alles hängt an der Fünf-Sterne-Bewegung und ihrer Koalitionsbereitschaft.

 
Wer hat die Wahl in Italien gewonnen?
Am Sonntag waren rund 51 Millionen Italiener aufgerufen, ein neues Parlament und damit eine neue Regierung zu wählen. Nach Stimmen gerechnet geht die Fünf-Sterne-Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo eindeutig als Sieger aus dieser Wahl hervor. Die populistische Bewegung, die sich weder links noch rechts verortet, konnte 32,6 Prozent der Wähler von sich überzeugen und wurde damit, wie schon bei der Wahl 2013, die stärkste Partei. Die Fünf-Sterne-Bewegung war ohne einen Partner zur Wahl angetreten. Stärkstes Bündnis wurde der Mitte-Rechts-Zusammenschluss von Silvio Berlusconis Forza Italia und der fremdenfeindlichen Lega von Matteo Salvini. Das Bündnis vereinte rund 37 Prozent der Stimmen auf sich.
Was bedeutet das für die Regierungsbildung?
Eine eindeutige neue Regierung ist mit diesem Wahlergebnis nicht gefunden. Die Regierungsmehrheit von 316 Sitzen in der Abgeordnetenkammer, für die ein Bündnis oder eine Partei mindestens 40 Prozent der Stimmen benötigt hätte, konnte keine politische Kraft erreichen. Auch eine große Koalition, also ein Zusammenschluss des Partito Democratico und ihren alliierten Parteien mit der Forza Italia reicht für eine Regierungsbildung nicht aus. Der PD kommt auf 18,7 Prozent der Stimmen, im Bündnis auf 22,8, die Forza Italia auf 14,1 Prozent.
Welche Konstellationen sind nun möglich?
Die Fünf-Sterne Bewegung hätte als stärkste Partei theoretisch Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten. Dafür müsste sie aber eine Koalition mit anderen eingehen, was sie in der Vergangenheit vehement ausgeschlossen hatte. Doch die Bewegung ist bekannt dafür, einst in Stein gemeißelte Prinzipien schnell über Bord zu werfen. Nun steht die Partei, die sich weder rechts noch links positioniert und vor allem damit bei den Wählern punkten konnte, vor der Frage, in welche politische Richtung sie gehen wird. Von den Zahlen her ist beides denkbar: Ein Bündnis mit der fremdenfeindlichen Lega, die bei den Wahlen ihr nationales Rekordergebnis von 17,5 Prozent einfahren konnte, oder ein Bündnis mit dem sozialdemokratischen Partito Democratico.
Wie reagiert die abgestrafte Regierungspartei?
Der linke Partito Democratico wurde vom Wähler abgestraft. Erreichte die sozialdemokratische Partei bei der Wahl 2013 noch 25,4 Prozent der Stimmen, waren es am Sonntag nur noch 18,7. Der Parteivorsitzende und Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi soll bereits angekündigt haben, von seinem Amt zurückzutreten. Dabei holte Renzi in seinem Wahlkreis in Florenz, wo er für den Senat kandidierte, mehr als 40 Prozent der Stimmen und ließ damit seine Gegner weit hinter sich. Auch wenn es in der Wahlnacht aus der Partei heraus bereits hieß, man gehe in die Opposition, wenn das Ergebnis unter die 20-Prozent-Marke fallen würde, ist eine Regierungsbeteiligung des Partito Democratio derzeit eine der wahrscheinlichsten Lösungen in der derzeitigen Patt-Situation.
Welche Reaktionen kommen aus Europa?
Vor allem der große Erfolg der europakritischen und fremdenfeindlichen Lega unter Matteo Salvini bereitet in Brüssel große Sorgen. Rechnet man die Stimmen, die für die Lega und für die Fünf-Sterne-Partei abgegeben wurden zusammen, stimmten fast 50 Prozent der Italiener Parteien, die in ihrem Programm europaskeptische Töne anschlagen. Allerdings hatten sich nahezu alle Parteien im Wahlkampf, auch der derzeit noch regierende und von Brüssel geschätzte Partito Democratico für die Abschaffung der strengen Austeritätspolitik von Seiten der Europäischen Union ausgesprochen. Klar ist aber: Eine lange Hängepartie wäre nicht nur für Italien, sondern auch für die europäischen Partner ein Risiko: Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone benötigt eigentlich eine stabile Regierung, die den bereits angestoßenen Reformprozess besonnen fortsetzt. Da eine Italien bei diesem Wahlergebnis eine Regierung ins Haus steht, die über ideologische Grenzen hinweg gebildet werden muss, ist nicht damit zu rechnen, dass in den kommenden Jahren tief greifende Reformen verwirklicht werden können. Ökonomen erwarten nach dem Sieg der rechten und eurokritischen Kräfte mehr Unsicherheit an den Märkten und schlechte Aussichten für eine wirtschaftliche Erholung des Landes.
Wie geht es nun weiter in Italien?
Bis zum 23. März wird zumindest offiziell in Italien nichts in Sachen Regierungsbildung passieren. An diesem Tag kommen die Abgeordneten der Kammer und des Senats zum ersten Mal in der neu gewählten Konstitution zusammen und bestimmen ihren jeweiligen Präsidenten. Bei dieser Wahl wird sich auf der politischen Bühne zeigen, ob und welche Mehrheiten sich in der Zwischenzeit in den Hinterzimmern gebildet haben. Danach wird sich Staatspräsident Sergio Matteralla mit den Kammerpräsidenten und den Anführern der neu gebildeten Parlamentsgruppen zusammensetzen und eine Person bestimmen, die die Regierungsbildung in die Hand nehmen soll. Geht Mattarella nach der Stimmenverteilung vor, wäre dies der Spitzenkandidaten der Fünf-Sterne-Bewegung, der 31-Jährige Luigi Di Maio.