Ganz Europa ist in hellem Aufruhr wegen einer neuen Variante des Coronavirus, die sich offenbar viel schneller ausbreitet als bisherige. Wir geben einen Überblick zu den drängendsten Fragen.

New York - Ganz Europa ist in hellem Aufruhr wegen einer neuen Variante des Coronavirus, die sich offenbar viel schneller ausbreitet als bisherige. Gefunden wurde sie im Süden Englands, weshalb zahlreiche EU-Staaten Flüge aus Großbritannien untersagten. Auch aus Südafrika wurde die neue Variante gemeldet.

 

Viren entwickeln sich immer weiter und mutieren, einige mehr als andere. Das ist auch der Grund, warum wir jedes Jahr eine neue Grippe-Impfung brauchen. Neue Varianten oder Virusstränge des Coronavirus wurden seit dem ersten Auftreten vor fast einem Jahr immer wieder entdeckt. Vieles über diesen speziellen neuen Strang ist aber nach wie vor nicht gesichert.

Warum die Aufregung um die neue Variante?

Experten in Großbritannien und auch in anderen Ländern sind nach vorläufigen Erkenntnissen der Ansicht, dass die neue Variante leichter zu Neuansteckungen führt. Dafür, dass die Krankheit damit öfter tödlich verläuft, gibt es allerdings keine Hinweise.

Patrick Vallance, wissenschaftlicher Berater der britischen Regierung, erklärte, dass der neue Strang sich rasch ausbreite und sich im Süden Englands zur dominierenden Variante des Virus entwickle. Im Dezember sei sie bereits für mehr als 60 Prozent der Ansteckungen in London verantwortlich gewesen.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Boris Johnson tritt auf die Notbremse

Abgesehen von dieser raschen Ausbreitung macht den Wissenschaftlern auch Sorge, dass die Variante so viele Mutationen hat - nämlich 23 - einige davon auf dem Spike-Protein, das das Virus nutzt, um Zellen zu infizieren. Auf dieses Spike-Protein zielen auch die bestehenden Impfungen ab.

„Das macht mir Sorgen, auf jeden Fall, aber es ist zu früh, um zu sagen, wie wichtig es am Ende sein wird“, sagte Ravi Gupta, Virusforscher an der University of Cambridge in England.

Wie kommt es zu diesen neuen Strängen?

Viren mutieren - das gehört zu ihrer Evolution. Oft sind es nur ganz kleine Änderungen. Eine leicht veränderte Variante eines Virus kann zum dominanten Strang in einer Region oder einem Land werden, einfach dadurch weil sie sich als erste dort festgesetzt hat oder durch sogenannte Superspreader-Events rasch verbreitet hat. Größere Sorge bereitet Wissenschaftlern, wenn ein Virus mutiert, indem es Proteine auf seiner Oberfläche ändert und dadurch von Medikamenten oder dem Immunsystem nicht mehr so gut bekämpft werden kann.

Es gebe zunehmende Hinweise darauf, dass das möglicherweise auch mit dem Coronavirus beginne, schrieb Trevor Bedford, Biologe und Genforscher am Fred-Hutchinson-Krebsforschungszentrum in Seattle, auf Twitter. Einige der aufgetauchten Varianten zeigten eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen die Behandlung mit Antikörpern.

Welche anderen Varianten sind bekannt?

Im April entdeckten Forscher in Schweden einen Strang mit zwei genetischen Veränderungen, die ihn scheinbar rund zweimal so ansteckend machten, sagt Experte Gupta. Rund 6000 Fälle mit diesem Strang wurden gemeldet, die meisten von ihnen in Dänemark und in England.

Einige Variationen dieses Virusstrangs breiteten sich ebenfalls aus. Dazu zählte jene, die sich offenbar über Nerze in Dänemark verbreiteten. Bei der neuen Variante in Südafrika wurden die zwei Mutationen entdeckt, die den schwedischen Forschern aufgefallen waren, aber auch weitere. Die Variante in England hat ebenfalls diese zwei Mutationen, aber unter anderem auch acht am Spike-Protein. Diese Variante wurde im September im Südosten Englands identifiziert und zirkuliert seitdem dort, wie Maria Van Kerkhove von der Weltgesundheitsorganisation WHO am Sonntag der BBC sagte.

Wenn jemand schon an Covid-19 erkrankt ist, kann er dann durch die neue Variante noch einmal infiziert werden?

Vermutlich nicht, sagte der ehemalige Leiter der US-Medikamentenbehörde FDA, Scott Gottlieb, am Sonntag dem Sender CBS. „Unwahrscheinlich“, sagt auch Gupta.

Und was ist mit den Impfstoffen?

Die Möglichkeit, dass neue Virusstränge den bestehenden Vakzinen widerstehen können, sei niedrig, aber nicht „inexistent“, sagte Moncef Slaoui, Chefberater für die Impfungen in den USA, dem Sender CNN. Bis jetzt habe es allerdings keine einzige Variante gegeben, bei der das so gewesen wäre. Auch Genforscher Bedford stimmte dem zu. Er schrieb, es wären zahlreiche Änderungen am genetischen Code nötig, damit ein Impfstoff nicht mehr funktioniere, nicht nur eine oder zwei Mutationen. Möglicherweise müssten die Impfstoffe aber auf längere Zeit gesehen immer wieder angepasst werden.