Seit Sonntag ist Mario Götze fester Bestandteil der deutschen Fußballgeschichte. Mit seinem Siegtreffer ist der 22-Jährige für immer im deutschen WM-Gedächtnis abgespeichert.

Rio de Janeiro - Es sei alles so schnell gegangen, sagt Mario Götze und beginnt noch einmal von vorne: „Schürrle hat den Ball von links nach innen gebracht. Ich konnte ihn mit der Brust verarbeiten. Ich habe versucht, abzuschließen. Dann war der Ball im Tor. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, es war wie im Traum.“

 

Ein ums andere Mal wird Mario Götze danach gefragt und beschreibt ein ums andere Mal seinen Treffer gegen Argentinien – so, als habe ihn niemand gesehen. Und obwohl es die ganze Welt gesehen hat, wird er das in den nächsten Tagen, Monaten, Jahren und Jahrzehnten noch sehr oft tun müssen oder dürfen, je nachdem: sein Tor schildern, seine Gefühle beschreiben und erzählen, wie das alles so war, an jenem 13. Juli 2014 im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro. Bis an sein Lebensende und weit darüber hinaus wird Mario Götze der Mann sein, der Deutschland zum Weltmeistertitel geschossen hat.

Götzes Namen wird nie mehr in Vergessenheit geraten

Und wenn ihm fortan kein einziges Tor mehr gelänge – sein Name würde nie in Vergessenheit geraten. Der 22-Jährige ist seit Sonntag fester Bestandteil der deutschen Fußballgeschichte, er steht in einer Reihe mit Helmut Rahn, Gerd Müller und Andreas Brehme, den Männern, die bei den vorangegangenen drei WM-Titeln die alles entscheidenden Tore erzielten.

Rahn traf 1954 in Bern aus dem Hintergrund zum 3:2 gegen Ungarn, Müller beim 2:1 gegen die Niederlande 1974 in München aus der Drehung. Ein schnöder Elfmeter zum 1:0 führte 1990 in Rom zum Sieg, Brehme schoss mit dem rechten Innenrist nach links unten, unhaltbar für den argentinischen Torwart.

Es gibt nicht viele, die solche Tore schießen können

Mario Götzes Treffer in Rio war der mit Abstand schönste. Es gibt nicht viele Spieler, die in der Lage sind, solche Tore zu schießen, schon gar nicht in der Verlängerung eines Weltmeisterschaftsendspiels. Es war dieser eine Moment der Genialität, auf den alle gewartet hatten; die Einlösung des Versprechens, das mit Götzes Namen verbunden ist, seit er im August 2011, gerade 19 Jahre alt geworden, in Stuttgart sein erstes Länderspieltor schoss, beim 3:2-Sieg gegen Brasilien.

Götze sei „ein Wunderkind“, er habe „fantastische Möglichkeiten und sei „zu allem fähig“, sagt der Bundestrainer Joachim Löw nach dem Gewinn des Weltmeistertitels: „Ich wusste, er kann ein Spiel entscheiden, das auf der Kippe steht. Das Tor hat er großartig gemacht.“ Lange hatte Löw vor der Einwechslung mit Mario Götze gesprochen und ihm diesen Auftrag mit auf den Weg gegeben: „Ich habe ihm gesagt: zeig‘, dass Du das Spiel entscheiden willst; zeig‘ der ganzen Welt, dass du besser bist als Lionel Messi.“

Das vergangene Jahr sei nicht einfach gewesen, sagt Götze

Bis zu diesem Finale hatte Götze der Welt eher gezeigt, dass auch die größte Begabung nicht automatisch zu großem Erfolg führt. Er holte im ersten Spiel gegen Portugal einen Elfmeter heraus, im zweiten gegen Ghana gelang ihm ein Tor. Das änderte nichts daran, dass seine Leistungen schwach waren und weit hinter dem zurückblieben, was man von ihm erwartet hatte. Und es machte die Sache nicht besser, dass sein gesamtes Auftreten nicht so wirkte, als sei er wild entschlossen, an diesem Zustand etwas zu ändern.

Das ganze vergangene Jahr sei nicht einfach gewesen, die WM auch nicht, sagt Götze, als er nach dem Finale als „Spieler des Spiels“ auf dem Podium sitzt. Ein großes Bedürfnis ist es ihm daher, sich am größten Tag seiner Karriere vor der versammelten Weltpresse bei jenen Menschen zu bedanken, „die immer zu mir gehalten und immer an mich geglaubt haben“: bei seiner Familie, seiner Freundin, bei „meinem Freund Volker Struth“, seinem Berater.

Ein legendäres Tor als Belastung? Oder Befreiung?

Man weiß nicht genau, wo seine Probleme liegen oder lagen. Mario Götze will darüber nicht sprechen, es geht einen auch nichts an. Aber wenn man ihn so reden hört, dann ahnt man, dass das Leben als Wunderkind nicht immer einfach ist, dass es eine große Last sein kann, 37 Millionen Euro gekostet zu haben und dauernd mit Lionel Messi verglichen zu werden.

Auch sein jetzt schon legendäres Tor in Rio, das Mario Götze auf alle Zeiten zu einem Fußballhelden macht, kann eine Belastung sein. Doch würde man ihm wünschen, dass es eine Befreiung ist.