Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Die SWSG hat ihren Mietern versprochen, ihnen gleichwertige Wohnungen anzubieten. Der Gemeinderat und der Bezirksbeirat begrüßen das Bauvorhaben mehrheitlich. Mehr Wohnungen in Zeiten der Wohnungsnot zu schaffen, das klingt verlockend und vernünftig zugleich. Wer will da schon gegenhalten und weiter die Frage stellen: Sollen hier nicht auch Menschen verdrängt werden, die man früher einmal und heute politisch unkorrekt „die kleinen Leute“ genannt hat? Von der „Verbesserung der Mieterstruktur“ ist in einem internen Schreiben der SWSG die Rede gewesen.

 

„Die wollen das Klientel, das hier wohnt, nicht mehr haben“, sagt Elke Reinhardt. Susanne Bödecker von der Mieterinitiative sagt, dass „die Menschen hier langsam zu Einzelkämpfern werden und ihre Notlage für ihr individuelles Versagen halten“. Insofern steht die Zuffenhausener Keltersiedlung für den Zielkonflikt, vor dem aktuell alle Städte stehen: Bestand sichern oder neuen Wohnraum schaffen?

Den Menschen, die davon betroffen sind, helfen theoretische Grundsatz- und allgemeingesellschaftliche Gerechtigkeitsüberlegungen nicht weiter. Sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft. „Meine Eltern haben immer pünktlich ihre Miete gezahlt und sich nichts zuschulden kommen lassen“, sagt Gitta Gentner. Unterstützt werden die verbliebenen Mieter von der Mieterinitiative. Susanne Bödecker, die für die Linke/SÖS-plus im Bezirksbeirat sitzt, sagt: „Wir wollen den Menschen den Rücken stärken.“

Das Durchhalten ist nicht gerade leicht und geht mit der Sorge einher, dann vielleicht keine Wohnung mehr zu bekommen. Aber vor etwas mehr als einem Jahr ist aus der Mieterin Gerda Merker, die mit Demonstrieren in ihrem Leben bisher nicht viel am Hut hatte, eine Unterschriftensammlerin gegen den Abriss geworden. Sie hat für den Mieterbeirat der SWSG kandidiert, mit den anderen Bewohnern demonstriert, ist einmal quer durch den Ort gelaufen – von der Wimpfener Straße in Stammheim über den Kelterplatz bis in die Keltersiedlung. Die Polizei hatte die Durchfahrtsstraßen für die Demonstranten gesperrt, und Gerda Merker hielt bei der Kundgebung eine Rede.

Bisher 60 Wohnungsangebote von der SWSG

Auf die Straße sind damals Menschen gegangen, die ihr Lebensgefühl nicht hinter ausschweifenden Formulierungen verbergen, sondern wie Gerda Merker kurz und knapp sagen: „Jeder hat Angst.“ Peter Schwab von der SWSG hält dem entgegen, dass „die meisten Mieter den Umzug als Verbesserungschance sehen“. Laut aktuellen Zahlen der SWSG stehen 36 Wohnungen bereits leer, drei Mietpartien ziehen demnächst aus. 60 Mieter haben laut Schwab Wohnungsangebote bekommen – in Stuttgart-Rot, -Ost, -Feuerbach oder -Giebel.

Als Markus Reinhardt von dem bevorstehenden Auszug und Abriss gehört hat, habe das Familienoberhaupt gesagt, er werde hier nur tot ausziehen, erinnern sich seine Frau Elke und seine Tochter Gitta mit Tränen in den Augen. Es ist so gekommen. Nun sitzen sie in ihrem Garten und wissen nicht, wie lange sie hier noch zusammensitzen können. „Wir hängen völlig in der Luft“, sagt Elke Reinhardt. Den Gedanken an einen Abschied wollen sie nicht zu Ende denken. Elke Reinhardt wird demnächst 70 Jahre alt und wohnt seit fast einem halben Jahrhundert hier. Der Zusammenhalt der Familie ist ihr wichtig, der Sohn, die Schwiegertochter und die Enkel wohnen Wand an Wand mit ihr. Die Reinhardts wollen nicht in alle Winde zerstreut wohnen.

Bestand sichern oder neuen Wohnraum schaffen?

Die SWSG hat ihren Mietern versprochen, ihnen gleichwertige Wohnungen anzubieten. Der Gemeinderat und der Bezirksbeirat begrüßen das Bauvorhaben mehrheitlich. Mehr Wohnungen in Zeiten der Wohnungsnot zu schaffen, das klingt verlockend und vernünftig zugleich. Wer will da schon gegenhalten und weiter die Frage stellen: Sollen hier nicht auch Menschen verdrängt werden, die man früher einmal und heute politisch unkorrekt „die kleinen Leute“ genannt hat? Von der „Verbesserung der Mieterstruktur“ ist in einem internen Schreiben der SWSG die Rede gewesen.

„Die wollen das Klientel, das hier wohnt, nicht mehr haben“, sagt Elke Reinhardt. Susanne Bödecker von der Mieterinitiative sagt, dass „die Menschen hier langsam zu Einzelkämpfern werden und ihre Notlage für ihr individuelles Versagen halten“. Insofern steht die Zuffenhausener Keltersiedlung für den Zielkonflikt, vor dem aktuell alle Städte stehen: Bestand sichern oder neuen Wohnraum schaffen?

Den Menschen, die davon betroffen sind, helfen theoretische Grundsatz- und allgemeingesellschaftliche Gerechtigkeitsüberlegungen nicht weiter. Sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft. „Meine Eltern haben immer pünktlich ihre Miete gezahlt und sich nichts zuschulden kommen lassen“, sagt Gitta Gentner. Unterstützt werden die verbliebenen Mieter von der Mieterinitiative. Susanne Bödecker, die für die Linke/SÖS-plus im Bezirksbeirat sitzt, sagt: „Wir wollen den Menschen den Rücken stärken.“

Das Durchhalten ist nicht gerade leicht und geht mit der Sorge einher, dann vielleicht keine Wohnung mehr zu bekommen. Aber vor etwas mehr als einem Jahr ist aus der Mieterin Gerda Merker, die mit Demonstrieren in ihrem Leben bisher nicht viel am Hut hatte, eine Unterschriftensammlerin gegen den Abriss geworden. Sie hat für den Mieterbeirat der SWSG kandidiert, mit den anderen Bewohnern demonstriert, ist einmal quer durch den Ort gelaufen – von der Wimpfener Straße in Stammheim über den Kelterplatz bis in die Keltersiedlung. Die Polizei hatte die Durchfahrtsstraßen für die Demonstranten gesperrt, und Gerda Merker hielt bei der Kundgebung eine Rede.

Bisher 60 Wohnungsangebote von der SWSG

Auf die Straße sind damals Menschen gegangen, die ihr Lebensgefühl nicht hinter ausschweifenden Formulierungen verbergen, sondern wie Gerda Merker kurz und knapp sagen: „Jeder hat Angst.“ Peter Schwab von der SWSG hält dem entgegen, dass „die meisten Mieter den Umzug als Verbesserungschance sehen“. Laut aktuellen Zahlen der SWSG stehen 36 Wohnungen bereits leer, drei Mietpartien ziehen demnächst aus. 60 Mieter haben laut Schwab Wohnungsangebote bekommen – in Stuttgart-Rot, -Ost, -Feuerbach oder -Giebel.

Es ist ein Leben auf Abruf, das die Menschen unterschiedlich stark zermürbt. „Es ist ein Gefühl großer Bedrückung spürbar“, sagt Susanne Bödecker. Bei der letzten Mieterversammlung hat sich ein kleines Grüppchen Übriggebliebener und Engagierter getroffen – und hat zusammen gegrillt. Die Kräfte schwinden allmählich.

Jeder arrangiert sich mit der Situation auf seine Weise. In den Fenstern und an den Türen hängen noch immer Plakate, auf denen Sätze wie „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ oder „Kein Abriss, wir bleiben hier“ steht. Fast hat es den Eindruck, je mehr sich die Siedlung leert, desto mehr Plakate hängen als trotzige Geste des Ausharrens und des vergeblichen Widerstands. „Ich kann es ja nicht ändern, wenn immer mehr gehen“, sagt Gerda Merker. „Wer weiß, vielleicht sitzen wir am Schluss alleine da.“ Die, die wegziehen, melden sich nicht ab, sagt Susanne Bödecker. Gerda Merker und ihr Mann haben ein Angebot bekommen: eine Zweizimmerwohnung mit Balkon. Das Angebot kommt für sie nicht infrage. Drei Zimmer im Erdgeschoss sollen es schon sein.

105 Neuanfänge an neuem Ort

105 Wohnungen, das sind ebenso viele Lebens- und Familiengeschichten. Und noch einmal so viele Wege, mit dem drohenden Umzug zu fertig zu werden, den viele als Verlust ihrer Heimat und gewachsener Strukturen empfinden. Das heißt Neuanfang an einem anderen Ort. „Ob das mit der Verwurzelung gelingen wird, weiß ich noch nicht“, sagt Horst Hölz, 74. Auch er steht in seinem – bei ihm muss man sagen: ehemaligen – Garten. Hölz hat den Gedanken, Abschied zu nehmen, zu Ende gedacht: Seit Mai ist er fort. Zwei Zimmer mit Balkon in Stuttgart-Mönchfeld sind seine neue Heimat. Er war einer der laut Protestierenden – aber das hat ihm zunehmend den Schlaf geraubt und ging an die Kräfte. Sein mazedonischer Freund Risto hat ihm zum Wegzug geraten, obwohl die beiden ein eingeübtes Spaziergängerteam waren: Hölz hat geredet und Risto zugehört. Vor 40 Jahren ist Risto nach Deutschland gekommen, wie alle seiner Generation, um bald zurückzugehen. Seit 1986 wohnt er hier. Und jetzt? Mit dem Begriff Heimat tue er sich schwer, sagt der stille, nachdenkliche Mann. „Heimat ist da, wo man sein Brot verdient.“ Der 69-Jährige zuckt mit den Schultern, wenn er sagen soll, wie es wohl weitergeht. Er dreht seine Runden jetzt alleine – und wartet ab.

„Ich werde jedes Jahr älter“, sagt Horst Hölz und zieht unter einem Efeubusch eine wasserdichte Mehrfachsteckdose hervor, die er in Mönchfeld wieder zum Einsatz bringen will. Dort, im Garten vor seinem Balkon, blühen schon die Sonnenblumen – ein erster Test für die Qualität der Erde dort. Seinen Vorgarten in der Keltersiedlung hatte er in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten in eine Gartenlandschaft mit kleinem Teich, Rosen, Rasen, Sitzecke mit Mosaiksteinen auf dem Boden verwandelt. „Ich weiß mit 74 Jahren einfach nicht, ob ich mit 75 auch noch mit meinem Fahrrad am Neckar entlangradeln kann.“ Soll heißen: Umzug und Einleben kosten Kraft. Das muss man früh angehen.

Jetzt wohnt er nicht mehr unterm Dach, sondern im Erdgeschoss – und wickelt seinen alten Garten ab. Sein ehemaliger Mitbewohner Guido Metzinger, 54, mäht den Rasen. Metzinger pflegt seit 2012 seine demente 94-jährige Mutter. An Umzug kann und mag er nicht denken. Die Tomaten und die Erdbeeren hat dieses Jahr Joachim Ebner gepflanzt, der Nachbar aus der Wohnung gegenüber. Freundschaft verpflichtet.