Die Zukunft von Kaltental Reißverschluss für die Wunde

Seit 2018 ist Kaltental das größte Sanierungsgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart. Der Stadtteil leidet unter der Durchfahrtspiste Böblinger Straße und muss einen großen Generationensprung bewältigen.
Kaltental - Schon aus der Ferne ist zu hören, dass jetzt gleich ein schwereres Gefährt die Todtnauer Straße heranbraust. Und schon rauscht ein SUV der besonders großen Bauart mit einem monströsen Anhänger nur wenige Zentimeter am Fußgänger vorbei, dem da eh nur ein handtuchbreiter Gehweg zur Verfügung steht. Am Abzweig Schönauer Straße warten schon einige junge Menschen gelangweilt bis genervt. Sie sind der Einzugstrupp in eines der neueren Häuser dort, und da kommt schon die Lieferung. Das passt: großvolumige Möbel aus einem großvolumigen Fahrzeug für eine großvolumige Wohnung in einem Haus der 1990er Jahre. Viel größer jedenfalls als die meisten Eigenheime, die das Gesicht dieses Stadtteils ausmachen.
Kaltental ist einer der sträflich vernachlässigten Stadtteile von Stuttgart. Nach dem Bau des Heslacher Tunnels und dem Ausbau der B 14 zum Schattenring wurde viel investiert, um zwischen Marienplatz und Südheimer Platz die Wunde zu schließen, die der Durchgangsverkehr bis dahin durch dicht besiedeltes Wohngebiet in Heslach gerissen hat.
Dann aber, auf dem Weg hoch nach Stuttgart-Vaihingen, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Eine einstige Tankstelle ist noch mitten in Kaltental, wohl Anfang der 1990er Jahre aufgegeben mit der Fertigstellung des Tunnels. Und noch andere Dienstleister rund ums Auto säumen die Hauptstraße. Das ist Gewerbe, das sind Arbeitsplätze und damit wichtig für Kaltental, aber attraktiv sieht anders aus. Und ein Stadtteil im Wandel benötigt noch ganz andere Angebote.
Viel Bürgerbeteiligung bei einer Mammutaufgabe
Zumal Kaltental seit 2018 jetzt das größte Sanierungsgebiet der Landeshauptstadt ist. Eine Mammutaufgabe, die auch im Kleinen bewältigt werden will, mit viel Bürgerbeteiligung, die ein visuelles Gesicht benötigt. Das ist gefunden: ein Reißverschluss. So sollen bildhaft die beiden Kaltentaler Kolonien vom West- und Osthügel zusammenfügt werden in der Mitte. Da, wo die Wunde von Kaltental am schmerzlichsten blutet: entlang der Böblinger Straße. Und seitdem tut sich einiges im Großen wie im Kleinen. Die Räume einer Bankfiliale wurden von der Stadt aufgekauft, quasi in der Ortsmitte. Und jetzt wird eifrig über die Nutzungsmöglichkeiten diskutiert. Nach 40 Jahren wird der Spielplatz Schwarzwaldstraße saniert. Der Bolzplatz beim Wichernhaus wird angegangen, da wird es aber wohl kniffliger mit dem Lärmschutz aufgrund der Nähe zum Pflegeheim. Ein größerer Akt ist ein Erweiterungsgebäude der Grundschule. Knapp elf Millionen Euro sind dafür genehmigt, 2024 wird es schon werden, bis was zu sehen ist. Und es wird auch im Großen gedacht. Raiko Grieb: „In Vaihingen entstehen in den nächsten Jahren viele neue Arbeitsplätze. Das macht Kaltental als Wohnort noch interessanter“, so der Bezirksvorsteher von Stuttgart-Süd. Und wer dort nicht wohnt, für den wird es als Durchfahrtsstrecke interessanter. Wie fügt sich da ein angedachter Radschnellweg zwischen der City und Stuttgart-Vaihingen in das Bild vom Reißverschluss?
Der katholische und der evangelische Hügel – heute nur noch Folklore
Jenseits dieser Planungen will auch das soziale Miteinander gepflegt werden. Auf beiden Hügeln gibt es den kleinen, feinen Einzelhandel, genauso wichtig als Ort der Begegnung. Ein größerer Lebensmittel-Anbieter würde die Wege vieler verkürzen, möglichst in der Mitte, bei der Engelboldstraße. Die Orte der Kommunikation müssten bleiben: „Kaltental erlebt einen großen Generationensprung“, so Grieb. „Da gibt es die Alteingesessenen, deren Kinder meist weggezogen sind. Sie verkaufen jetzt die Häuser und Grundstücke an die aktuell junge Generation.“
Die einstige Trennung zwischen katholischem und evangelischem Hügel ist für die Folklore. Der Riss verläuft heute anders. Da gibt es die Einzelhäuschen, dekoriert mit Details der Schwarzwald-Architektur, mit Vorgarten und Blickachsen in die Wälder. Und es gibt das Bauen von heute, das die Grenzen auslotet bei Bebauungshöhe und -raum. Auch da muss unbedingt ein Reißverschluss her, damit Kaltental gewinnt.
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