Diefenbach in Ditzingen schließt Nach Aus: Die rote Bäckerei wird gelb

Bald gelb und mit neuem Eigentümer: die Diefenbach-Filiale beim Hagebaumarkt Foto: / Granville

Der Ditzinger Traditionsbäcker Hartmut Diefenbach schließt seine acht Filialen. Drei von ihnen übernimmt sein Bruder aus Weil der Stadt.

Die Tage der Ditzinger Bäckerei Diefenbach sind gezählt. An den Türen der Filialen kleben Zettel. Die Inhaber Hartmut und Claudia Diefenbach verkünden das Aus des Familienbetriebs in vierter Generation zum 23. beziehungsweise 24. September an. Hartmut Diefenbach, 66, geht in den Ruhestand. Ihm ist es bis dahin nicht gelungen, für alle Filialen Nachfolger zu finden. Viel reden mag der Bäckermeister nicht. Er wolle leise rausgehen, einen stillen Abgang. Ihm gehe es gut – zumindest im Moment.

 

Drei der acht Filialen übernimmt sein Bruder Hermann Diefenbach. Die Filiale in der Gartenstraße mit Backstube, das Hauptgeschäft, die im Hagebaumarkt – im Rutesheimer Markt verkauft Hermann Diefenbach auch Backwaren – und die Filiale in Gerlingen. Vor der Wiedereröffnung werden sie renoviert und erhalten einen gelben Anstrich. Noch dominiert die Farbe Rot. Das Geschäft in Weilimdorf führt künftig die Bäckerei Hieber aus Korntal, sagt Hermann Diefenbach. Die Filialen in der Autenstraße, in Schöckingen, Hirschlanden und Giebel schließen.

Zwei Brüder, zwei Richtungen

„Wir freuen uns, die Filialen zu übernehmen und die Handwerkstradition fortzuführen“, sagt Hermann Diefenbach. „Das ist uns eine Herzensangelegenheit.“ Trotzdem, er bedauert, dass immer mehr Bäckereien verschwinden würden, bald nur noch „die Großen bleiben“ – und damit auch Vielfalt verloren gehe. „Bäcker ist ein toller Beruf“, meint der 56-Jährige. Von den Kunden zu hören, dass die Backwaren schmecken, „ist das größte Kompliment“.

Der Ditzinger Hartmut Diefenbach führte damals den elterlichen Betrieb mit mehreren Filialen weiter – begonnen hat der Familienbetrieb anno 1884 mit der Bäckerei der Urgroßeltern –, wohingegen Hermann Diefenbach in Weil der Stadt die Selbstständigkeit wagte. Im Jahr 1997 übernahm er die frühere Bäckerei Schmid in der Alten Renninger Straße. „Mir wurde der Beruf in die Wiege gelegt“, sagt Hermann Diefenbach und lacht. Heute hat der 56-Jährige 13 Filialen plus dann die drei des Bruders, aus einst fünf Mitarbeitenden sind 115 geworden, bald 140. Hermann Diefenbach sagt, er übernehme alle Angestellten des Bruders, 25 an der Zahl.

Schwierige Suche nach Nachfolger

Die Zukunft seiner Filialen bereitet dem Bäckermeister keine Sorgen. „Wir haben die Nachfolge geregelt“, berichtet er. Vor eineinhalb Jahren ist ein junger Mann als Geschäftsführer mit eingestiegen. Er, seit mehr als zehn Jahren im Betrieb, habe ihm mitgeteilt, er wolle mal sein eigener Chef sein. „Da haben meine Frau und ich uns Gedanken gemacht“, sagt Hermann Diefenbach. Seiner Meinung nach muss man jungen Leuten eine Chance geben. So hat er auch vier Azubis als Gesellen behalten. „Das ist ein großes Gut.“

Denn es ist offenbar nicht einfach, einen Nachfolger zu finden. „Es gibt Nachwuchs, aber man muss ihn pflegen und gute Bedingungen schaffen“, sagt Hermann Diefenbach. Ihm ein „ordentliches Gehalt“ zahlen etwa. „Wir treffen Entscheidungen gemeinschaftlich und kümmern uns“, nennt der Bäckermeister weitere Beispiele. Auch lege man die Produktion in den Tag, über Nacht gebe es lange Teigruhen. „Die Zeit ist unsere beste Zutat“, sagt Hermann Diefenbach. Womit er meint, dass er auf diese Weise auf Konservierungsstoffe und sonstige Zusätze verzichten könne. Dennoch, die erste Schicht in den Backstuben beginnt um 1 Uhr. „Die Kunden wollen am frühen Morgen schließlich frische Brötchen“, sagt der Bäcker, der auf Zutaten aus regionalem Anbau setzt. „Das schätzen die Kunden, und wir auch, da wir wissen, woher die Produkte kommen.“

Verband beklagt „überbordende Bürokratie“

Hermann Diefenbach sagt, die Backwaren basieren alle auf eigenen Rezepturen. „Wir kaufen nichts hinzu“, sagt der 56-Jährige. Er verkauft unter anderem diverse Dinkelprodukte und Produkte aus beispielsweise speziellem Schweizer Ruchmehl. „Was Supermärkte und Discounter nicht herstellen“, so Diefenbach. Deren Backwaren konkurrieren enorm mit denen von Handwerksbäckereien angesichts vergleichsweise günstiger Preise dank Massenproduktion.

Neben der Konkurrenz durch Groß- und Industriebäcker, die die Preise bestimmen, machen die hohen Energiekosten, die Lohnkosten und Rohstoffentwicklung zu schaffen. „Belastend ist für viele mittelständisch geprägten Handwerksbetriebe die überbordende Bürokratie“, sagt Friedemann Berg, der Vize-Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. „Die politischen Rahmenbedingungen müssen wieder besser und vor allem gründerfreundlicher werden, um junge Bäckermeister zu motivieren sich selbstständig zu machen und mit frischen Konzepten durchzustarten“, fordert er. Zu Letzteren gehören eine breite Aufstellung, Catering, Cafébetrieb mit „nettem Ambiente“ und „außergewöhnliche Produkte mit regionalem Touch“. Gerade im Südwesten würden die Leute auf Genuss und gute Ernährung Wert legen.

Rückläufige Betriebszahlen seit 70 Jahren

Weil laut Berg der Bäckerberuf bei jungen Leuten „nicht so beliebt“ ist, wirbt der Verband unermüdlich. Mit den „wahnsinnig guten Karrierechancen“ oder der Möglichkeit, gutes Geld zu verdienen. Der Strukturwandel führt seit den 1950er Jahren zu rückläufigen Betriebszahlen von jährlich etwa zwei Prozent. Im Land gab es Ende vorigen Jahres 1526 Handwerksbäcker, zuvor waren es 1551. Damit steht Baden-Württemberg deutlich besser da als der Bund mit einem doppelt so hohen Minus von 3,6 Prozent (9607 Bäcker) – 2022 war der Rückgang stärker als sonst.

Die Menschen im Stadtteil Schöckingen trifft die Schließung besonders hart, weil vor wenigen Tagen der Selbstbedienungssupermarkt Tante M geschlossen hat. Nun gibt es im Ort keine Nahversorgung mehr. Die Wellen schlagen hoch. Eine Bürgerinitiative hat 256 Unterschriften gesammelt, die an den Ortschaftsrat gehen. „Das Dorf ist bewegt. Dass uns gleich beides wegbricht, ist ein herber Schlag“, sagt Simone Rathfelder. Sie sitzt für die Grünen im Ortschaftsrat und ist auch von der Gruppe „Zukunft Schöckingen“. Laut dem Ortsvorsteher Michael Schmid gibt es Hoffnung: „Es gibt Interessenten für die Bäckerei. Ich bin zuversichtlich, dass es weitergeht.“ Es gab tatsächlich bereits Gespräche zwischen der Stadt und Interessenten.

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