Nach dem Winter sehnen sich viele nach Farbe und wollen bei der Pflanzung auch darauf achten, dass die Frühlingsboten nicht nur schön aussehen, sondern auch Bienen und Co. anlocken. Was ein Nabu-Experte dazu sagt, und was es zu entdecken gibt.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Es ist Leben auf dem Balkon: Ein durchgehendes Summen ist zu hören – die kleinen Bienchen mit dem auffällig leuchtend rötlich braunen Hinterleib fliegen aufgeregt hin und her. Sie setzen sich auf die vorgezogenen Traubenhyazinthen, die an einer sonnigen Ecke in einem großen Topf blühen. Es sind die ersten Wildbienen, die an den Insektenhotels zu sehen sind, es sind sogenannte Gehörnte Mauerbienen.

 

Die Beobachtung auf dem Balkon im Remstal zum kalendarischen Frühlingsbeginn passt zu der Expertise von Stefan Kress, dem Diplombiologen mit den Arbeitsgebieten Insekten und Wald beim Nabu Stuttgart: Die Gehörnte Mauerbiene, Osmia cornuta, sei die erste Wildbiene, die im Frühjahr an Wildbienennisthilfen zu sehen ist, da sie dort ihre Nester anlege.

Eine schwarze Holzbiene an einer Blüte der Sauerkirsche im April 2023 im Remstal. Foto: Eva Schäfer

„Ist die aber süß“, sagt eine Frau, die die kleinen Bienen in einer Schorndorfer Gärtnerei um die Blüten fliegen sieht. Auch an einem Blumenstand auf dem Schorndorfer Wochenmarkt sind die Wildbienen plötzlich da, an einem späten, sonnigen Vormittag.

Kress weiß, welche Insekten man im März bereits beobachten kann. Dazu gehört auch ein eindrucksvolles Exemplar, die Blauschwarze Holzbiene. „Wow, ist das ein großer, schwarzer Brummer“, beschreibt eine Fellbacherin das Insekt – gleich zwei Exemplare konnte sie in der warmen Faschingswoche auf ihrem Balkon beobachten. Einzelne Tiere könnten an warmen Tagen sogar schon ab Januar gesichtet werden, wie sie etwa in Wintergärten an Rosmarin oder in Hausgärten an Winterjasmin oder Schneeglöckchen Nektar trinken. Manche machten sich dann Sorgen, dass die Tiere verhungern. „Aber die Tiere verkriechen sich wieder, wenn es wieder kälter wird“, so Kress.

Die Holzbiene hat sich im Zuge des Klimawandels im Norden ausgebreitet

Was die Blauschwarze Holzbiene braucht, das weiß Kress. Männchen und Weibchen überwintern in Hohlräumen von Lehm- und Lösswänden, in Spalten zwischen Mauersteinen und Ähnlichem. Nach der Paarung im Frühjahr nagen die Weibchen Gänge und Brutkammern in Alt- und Totholz wie beispielsweise in abgestorbenen Bäumen, Balken oder Pfählen. „Wenn man helfen will, sollten die Holzteile nicht direkt auf die Erde gestellt werden, weil das zu feucht ist, sondern immer auf einer Steinplatte oder ähnlichem lagern“, sagt der Insektenkenner. Die Weibchen sammeln an verschiedenen Pflanzen Pollen als Nahrung für den Nachwuchs. Dieser Blütenstaub wird in die Brutzellen eingetragen. Bevorzugt werden, so der Nabu-Experte, großblütige Pflanzen wie Muskatellersalbei, Breitblättrige Platterbse und Fassadenbegrünungen wie Geißblatt und Blauregen. Die Holzbiene habe sich im Zuge des Klimawandels von südlich der Alpen nach Norden ausgebreitet und sei inzwischen in Norddeutschland angekommen. Fressfeinde habe er noch nicht beobachtet, aber zumindest im geschwächten Zustand würden Holzbienen Vögeln zum Opfer fallen. Milben und Pilzinfektionen könnten die Tiere zumindest schwächen.

Insektenkenner des Stuttgarter Nabu, der Diplombiologe Stefan Kress Foto: privat

Warum wird ein Insektenhotel nicht besiedelt?

Auch eine beeindruckende Größe haben Hummelköniginnen. Wie Kress erklärt, erscheinen sie je nach Jahr und Höhenlage zwischen Februar und April, meist im März. Die Hummelköniginnen beginnen unterirdisch beziehungsweise bodennah etwa in Mauselöcher oder Komposthaufen die ersten Brutkammern ihres Nestes zu bauen und mit Proviant (Pollen) zu versorgen. Sobald nach wenigen Wochen die ersten Arbeiterinnen schlüpfen, übernehmen diese das Pollensammeln und die Königin bleibt im Nest, um dort weitere Eier zu legen. Auch Honigbienen und verschiedene Schmetterlingsarten wie Zitronenfalter, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs und verschiedene Laufkäfer können bereits gesehen werden, so der Insektenkenner.

Die Fellbacherin, die die Holzbienen auf ihrem Balkon studieren kann, fragt sich aber, warum ihr Insektenhotel nicht besiedelt ist. Was gibt es dabei zu beachten? Der Experte hat folgende Tipps: Wichtig seien Hohlräume in Form von Pappröhrchen, Schilfhalme, Bambusröhrchen oder Bohrungen in Hartholz – also kein Nadelholz wie Fichte oder Kiefer. Die Bohrungen sollten nicht im Stirnholz, sondern im Längsholz angebracht werden. Durch Bohrdurchmesser zwischen zwei und neun Millimeter werden verschiedene Arten angelockt. Die Hohlräume müssen hinten dicht sein. Die Bohrungsöffnungen müssen zudem leidlich glatt sein, das heißt es dürfen keine Spreißel abstehen. „Zapfen oder waagrecht gelagerte markhaltige Stängel bringen in einer Nisthilfe nichts“, macht er deutlich. Die Nisthilfe sollte nach Osten bis Süden ausgerichtet und an einer Wand angebracht sein, die im Idealfall vor Regen geschützt ist.

Drei Viertel der Wildbienen legen Nester im Boden an

Allerdings gibt Kress zu bedenken, dass Insektennisthilfen nur einigen wenigen und recht häufigen Wildbienenarten helfen. „Drei Viertel aller Wildbienenarten legen ihre Nester im Boden an. Daher hilft man Wildbienen viel mehr, wenn man im Garten schüttere oder freie Bodenstellen zulässt oder schafft.“

Krokusse, Tulpen, Schneeglöckchen, Traubenhyazinthe, Zierlauch, Winterlinge, Blausterne, Schachbrettblumen, Steinkraut, Gänsekresse, Blaukissen und Schleifenblume stellten den Frühinsekten Nahrung zur Verfügung.

Krokusse blühen in der zweiten Märzwoche im Fellbacher Schwabenlandhallenpark. Foto: Eva Schäfer

Haselnuss und Kornelkirsche sind wichtige Nahrungsquellen

Welche für unser Auge beliebten Pflanzen sind dagegen für Insekten uninteressant? Da nennt der Insektenfachmann folgende Beispiele: Viele Zuchtformen wie Rosen, Pfingstrosen, Dahlien und Chrysanthemen mit gefüllten Blüten, bei denen die pollenproduzierenden Staubblätter in Blütenblätter umgewandelt sind, bieten Insekten keine Nahrung. Außerdem Balkonpflanzen wie Geranien, Begonien und Fleißiges Lieschen, bei Sträuchern Forsythien und Hortensien. Selbst der Schmetterlingsflieder sei umstritten. „Er bietet im Hochsommer Schmetterlingen zwar Nektar als Zuckerquelle, aber keinen Pollen als Proteinquelle für den Nachwuchs der Wildbienen und er kommt bei uns natürlicherweise nicht vor“, so Kress.

Die Blütenstände von Weiden (Kätzchen) sind sehr pollenreich und seien daher für die frühen Wildbienenarten von sehr großer Bedeutung. Kress: „Auch Haselnuss, Kornelkirsche, Schlehe und Schwarzdorn sind wichtige Pollen- und Nektarquellen. Alle genannten Arten blühen in normalen Jahren im März im Remstal.“

Wildbienen beobachten

Nabu-Aktionen
Infos zu Wildbienen gibt es auch am Wildbienenhaus des Nabu Weinstadt an der Rems und unter https://www.nabu-weinstadt.de/projekte/wildbienen. Der Insektenexperte Stefan Kress hat ein Mauerbienentagebuch verfasst, das unter https://www.nabu-stuttgart.de viele Infos und Beobachtungen zu dem Verhalten der auffälligen Insekten des Frühlings bietet.