Im Mammutprozess um Abgasbetrug bei Audi dampft der Richter die Vorwürfe ein. Falls Rupert Stadler und zwei Mitangeklagte gestehen, winkt eine Strafe auf Bewährung.

Im Herbst 2020 war er als erster Strafprozess um Diesel-Abgasbetrug im VW-Konzern gestartet. Nun könnte das Verfahren um die VW-Tochter Audi und deren vier Angeklagte bald zu Ende sein. Richter Stefan Weickert vom Landgericht München hat die Anklagevorwürfe in einer vorläufigen Würdigung aller Beweise zum einen kräftig reduziert und zum anderen drei Angeklagten eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt, falls sie gestehen.

 

Das betrifft mit dem früheren Audi-Chef Rupert Stadler den prominentesten Angeklagten, aber auch Ex-Kollegen Wolfgang Hatz sowie einen weitgehend geständigen Audi-Abgastechniker. Gegen einen weiteren angeklagten Audi-Techniker, der auch als Kronzeuge fungiert hatte, erwägt der Richter sogar eine Einstellung des Verfahrens.

Bei Annahme der Bewährungsstrafe gälte Stadler als vorbestraft

„Das müssen jetzt alle erst mal verdauen“, meinte Weickert nach Verlesung seiner vorläufigen Rechtsansicht. Er werde mit seinem Mandanten über Ostern das Angebot des Gerichts prüfen und dann dazu Stellung nehmen, erklärte Stadlers Rechtsanwalt. Nimmt der ehemalige Topmanager, der Mitte März seinen 60. Geburtstag auf der Anklagebank verbracht hatte, Weickerts Offerte an, müsste er nicht ins Gefängnis, wäre aber wegen Betrugs und anderer Delikte vorbestraft. Bisher haben Stadler und Hatz jede Schuld bestritten. Audi gilt als Keimzelle des Abgasbetrugs im gesamten VW-Konzern, weil dortige Techniker eine Betrugssoftware erfunden hatten, die dann in Dieselmotoren auch der Marken VW oder Porsche eingesetzt wurde.

Betrug, mittelbare Falschbeurkundung und strafbare Werbung mit einem dadurch verursachten Schaden von 3,2 Milliarden Euro, der sich auf 434 000 in Deutschland und in den USA verkaufte Fahrzeuge verteilt, lauteten die ursprünglichen Vorwürfe. Für einen großen Teil davon kann Richter Weickert allerdings nach zweieinhalb Jahren Prozess keine Beweise erkennen. Der Umfang der vom Richter derart kassierten Vorwürfe sei „signifikant“, sagten zwei Prozessbeteiligte unabhängig voneinander. Ob nach der vorläufigen Beweiswürdigung des Richters noch mehr oder weniger als die Hälfte des Anklagevolumens übrig bleibe, konnten sie noch nicht abschätzen. Dazu müsste man den Wortlaut von Weickerts neunseitigen Hinweisen erst genau prüfen.

Bislang wurde der Fall an 161 Prozesstagen verhandelt

Vorerst schreitet die Beweisaufnahme voran. Termine sind im Mammutprozess, der an bislang 161 Tagen verhandelt wurde, noch bis September 2023 angesetzt. Weickert erklärte, dass in sein Angebot von Bewährungsstrafen gegen Geständnisse auch die lange und für alle Angeklagten belastende Prozessdauer einfließe. Zuletzt war das Verfahren von Sachverständigen und Gutachten zu technischen Details bestimmt. Weickert sieht es demnach als erwiesen an, dass bei Audi unter Beteiligung aller Angeklagten außer Stadler eine Betrugssoftware entwickelt und verbaut wurde, die Systeme zur Abgasreduzierung illegal abgeschaltet und damit zu über allen Herstellerangaben liegenden Schadstoffemissionen geführt hatte.

Schutzvorwürfe, das sei nur bei niedrigen Temperaturen zum Schutz von Motoren geschehen, lässt der Richter nicht gelten. Die illegalen Abschaltvorrichtungen hätten schon bei Temperaturen von 18 Grad Celsius gegriffen. Die Software war zudem so programmiert, dass sie bei Tests auf Prüfständen die Abgasreduzierung hat laufen lassen und damit falsche Prüfstandsangaben bewirkt hatte. Autokäufern wurde damit betrügerisch vorgegaukelt, dass ihr Wagen schadstoffarm unterwegs war.

Angeklagte Techniker sollen bei der Software-Entwicklung beteiligt gewesen sein

Nach den bisher vor Gericht ausgebreiteten Beweisen geht Richter Weickert jedenfalls davon aus, dass bei bestimmten Diesel-Motoren und deren Abgasreduzierung eine „unzulässige Abschaltvorrichtung zu beurteilen sein wird“. Die Software, die dafür gesorgt hat, dass die Abgasdrosselung abgeschaltet wird, hätten die beiden vor Gericht stehenden Techniker und Hatz zu verantworten. Die Techniker hätten bei deren Entwicklung maßgeblich mitgewirkt. Hatz habe die Praktiken als Vorgesetzter und damaliger Chef der konzernweiten Motorenentwicklung nicht unterbunden. Stadler als ehemaliger Audi-Chef sei dafür verantwortlich, dass Autos mit Betrugssoftware noch verkauft wurden, obwohl er von diesem Mangel gewusst habe.