Mit einem Garantie-Versprechen geht VW auf die 8,5 Millionen Geschädigten des Diesel-Skandals in Europa zu. Für die EU-Behörden und Verbraucherschützer ist das Angebot jedoch nicht weitreichend genug.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Am Montag klingelt das Telefon bei EU-Justizkommissarin Vera Jourova im Brüsseler Berlaymont-Gebäude. VW-Chef Matthias Müller ist in der Leitung. Der Manager erklärt der Tschechin, wie sein Konzern sich bei den 8,5 Millionen betroffenen Kunden des Dieselskandals in Europa erkenntlich zeigen will. Während der Konzern in den USA den Geschädigten je nach Alter des Fahrzeuges bis zu 10 000 Dollar Entschädigung zahlt und sich die Abwicklung des Skandals dort rund 15 Milliarden Dollar kosten lässt, hofft VW auf dem Heimatmarkt mit einer „Kulanz“-Regelung davon zukommen. VW bietet den Kunden nun eine „vertrauensbildende Maßnahme“ an. Von einer rechtsverbindlichen Garantie ist ausdrücklich nicht die Rede. Der Konzern hat sich lediglich durchgerungen, elf Bauteile des Fahrzeuges auf Kulanz auszutauschen, sollte der Kunde nach erfolgtem Update der Schummelsoftware in den VW-Werkstätten Schwierigkeiten an seinem Fahrzeug beobachten. Die betroffenen Bauteile gehören zum Abgasrückführungs- sowie Nachbehandlungssystem sowie zum Einspritzsystem.

 

Die Garantie ist unter anderem auf die Laufleistung beschränkt

Dies gilt aber nur unter bestimmten Voraussetzungen: Das Auto muss zu allen vorgesehen Inspektionen in Vertragswerkstätten gewesen sein, außerdem ist die Laufleistung beschränkt. VW teilt mit: „Diese vertrauensbildende Maßnahme gilt grundsätzlich für einen Zeitraum von 24 Monaten nach Durchführung der technischen Maßnahme und bis zu einer Gesamtlaufleistung des jeweiligen Fahrzeuges von höchstens 250 000 Kilometern bei Inanspruchnahme der vertrauensbildenden Maßnahme.“ Betroffen sind Euro-5-Diesel-Fahrzeuge verschiedener Marken des VW-Konzerns, die zwischen 2007 und 2014 gebaut wurden. Die Kulanzregelung von VW ist an die Fahrgestellnummer gebunden. Dadurch ist gewährleistet, dass die Aktion auch nach dem Weiterverkauf eines Fahrzeuges gilt. Hintergrund der Kulanzregelung ist, dass es zahlreiche Beschwerden von betroffenen VW-Kunden über technische Probleme nach dem Update der Schummelsoftware gab. VW übernimmt nun förmlich die Verantwortung dafür, dass die Umrüstung nicht zum Nachteil des Kunden ausfallen soll: „Mit der Maßnahme gibt Volkswagen ein weiteres klares Signal dafür, dass mit dem Update keine negativen Auswirkungen auf die Dauerhaltbarkeit des Fahrzeugs verbunden sind.“

Für EU-Justizkommissarin Vera Jourova ist die Angelegenheit noch nicht erledigt

Nach Angaben von VW haben bisher über 55 Prozent der EU-weit 8,5 Millionen betroffenen Kunden von dem Angebot des Konzerns Gebrauch gemacht und die Software des Autos in den Werkstätten auf den neusten Stand bringen lassen. Die nationalen Kfz-Zulassungsbehörden in der EU sind mit dem Software-Update einverstanden. Damit dürfte die aktualisierte Software nicht mehr unterscheiden können, ob das Fahrzeug sich auf dem Prüfstand befindet oder im echten Fahrbetrieb. VW erklärt: „Die Regulierungsbehörden haben ausdrücklich bestätigt, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.“ VW peilt an, bis Herbst die Umrüstaktion der Software weitgehend abgeschlossen zu haben. Justizkommissarin Jourova hatte stets darauf gepocht, dass VW sich gegenüber seinen Kunden in Europa auch erkenntlich zeigen müsse. Für sie ist mit der Kulanzregelung die Angelegenheit aber noch nicht erledigt. „Selbstverständlich ist diese Regelung nicht vergleichbar mit der Situation in den USA“, sagt sie. Man sei aber „wesentlich näher an einer fairen Behandlung der EU-Verbraucher als noch im vergangenen September.“

„Man sieht, VW ist nicht bereit, mehr zu geben.“

Wie in Brüssel zu hören ist, sieht man es in der Wolfsburger VW-Zentrale anders. Dort ist man der Meinung, dass für VW mit der Kulanz-Aktion der Fall in Europa abgeschlossen ist. Ein EU-Beamter sagt: „Man sieht, VW ist nicht bereit, mehr zu geben.“ Jourova will aber nicht locker lassen: „Selbstverständlich würden wir weitere Maßnahmen durch VW begrüßen und werden dazu mit dem Konzern im Gespräch bleiben.“ Druck in Sachen Entschädigung der VW-Kunden hatten auch die nationalen Verbraucherschutzbehörden aufgebaut. Jourova hat am Donnerstag die nationalen Verbraucherschutzbehörden über die Kulanz-Regelung informiert. Sie kündigt an, die Verbraucherschutzbehörden im Fall VW weiterhin zu unterstützen. VW behauptet, dass die Rechtslage in den USA eine andere ist als in der EU. Dort hätten die Behörden noch keine Maßnahmen zur Umrüstung der Fahrzeuge genehmigt. Deswegen war es notwendig, die Fahrzeuge entweder zurückzunehmen oder die Kunden zu entschädigen. VW argumentiert, dass der Mangel der betroffenen Kunden in der EU durch das Update beseitigt werde. Dies hätten die Zulassungsbehörden dem Konzern eindeutig bestätigt.