Rupert Stadler saß vier Monate in Untersuchungshaft. Nun kommt er auf freien Fuß. Ein dringender Tatverdacht gegen ihn besteht immer noch.

München - Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler (55) kommt auf freien Fuß, allerdings nur unter Auflagen, zudem muss er eine Kaution hinterlegen und darf keinen Kontakt zu „für das Ermittlungsverfahren relevanten Personen“ aufnehmen. Ob das von der Justiz überwacht wird, wollte OLG-Richterin Barbara Stockinger nicht sagen. Über die Höhe der Kaution wollte eine Sprecherin des Oberlandesgerichts keine Angaben machen, weil daraus Rückschlüsse auf Stadlers Vermögen gezogen werden könnten. Die Staatsanwaltschaft München II wirft Stadler Betrug vor und dass er versucht hat, die Ermittlungen zu behindern. Aus ihre Sicht ist Stadler dafür verantwortlich, dass Audi noch lange nach Bekanntwerden der Abgasaffäre Dieselfahrzeuge mit manipulierten Abgaswerten in Europa verkauft hat.

 

In U-Haft genommen wurde der Anfang Oktober offiziell als Audi-Chef abgetretene Manager im Juni – nachdem Ermittler am 8. Juni ein Telefonat abgehört hatten. Darin hatte Stadler dem Vernehmen nach erwogen, einen Mitarbeiter Audi-intern zu beeinflussen, der gegenüber der Staatsanwaltschaft Stuttgart allzu auskunftsfreudig gewesen sein soll. Auszuschließen ist mit Blick auf diese Episode deshalb nicht, dass die Justiz sich jetzt nicht blind darauf verlässt, dass der Manager sich an die Kontaktsperre hält. Meldeauflagen oder Reisesperren wurden mangels Fluchtgefahr nicht verhängt.

Sobald Stadler die Kaution hinterlegt und alle Auflagen akzeptiert, kann er wieder zu seiner in einer Villa im Westen Ingolstadts wohnenden Familie zurückkehren. Dort ist der Manager am 18. Juni früh morgens kurz vor einer Managementsitzung als bislang einzige Spitzenkraft aus den obersten Vorstandsriegen des VW-Konzerns verhaftet worden.

Im Betrugsfall um die Abgasmanipulationen des VW-Konzerns beschuldigen die Münchner Ermittler Stadler zwar nicht, den Abgasbetrug bei Audi angeordnet zu haben, obwohl die VW-Tochter als eine Keimzelle dafür gilt. Audi hat mit illegaler Abschaltevorrichtung versehene große Dieselmotoren im eigenen Haus entwickelt und nicht nur in Audi-Modellen verbaut, sondern auch an andere Unternehmen im Konzern – etwa Porsche – geliefert.

Juristen mutmaßen, dass Stadler auch zivilrechtlich belangt werden könnte

Was die Justiz Stadler aber vorwirft, ist Untätigkeit wider besseres Wissen. Obwohl Abgasmanipulationen längst bekannt waren, seien von Audi weiter Fahrzeuge mit Betrugssoftware verkauft worden.

Ein Fingerzeig ist ein Bußgeldbescheid über 800 Millionen Euro, den die Münchner Staatsanwaltschaft Mitte Oktober an Audi wegen der Diesel-Affäre verschickt hat. Darin war der Verkauf einer halben Millionen abgasmanipulierter Diesel-Fahrzeuge durch Audi in den Jahren 2004 bis 2018 festgehalten worden. Audi hat also sogar noch in diesem Jahr Autos mit Betrugssoftware auf den Markt gebracht, obwohl der Abgasskandal vor drei Jahren öffentlich gemacht wurde und Audi-intern wohl noch länger bekannt war. Juristen mutmaßen deshalb, dass Stadler Gefahr läuft, nicht nur von der Staatsanwaltschaft strafrechtlich, sondern auch von Audi beziehungsweise Volkswagen zivilrechtlich im Zuge einer Schadenersatzklage beansprucht zu werden.

Aktienrechtlich könnte Audi zu einem solchen Schritt sogar gezwungen werden, je nachdem was die Staatsanwaltschaft dem einstigen Spitzenmanager beweisen kann. Stadler selbst sagt, er sei unschuldig an. Bislang haben sich weder er noch sein Verteidiger Thilo Pfordte öffentlich zu den Vorwürfen geäußert.

Eine erste Haftbeschwerde von Stadler wurde im Sommer abgeschmettert

Dafür aber spricht die jüngste Haftbeschwerde des Rechtsanwalts, die jetzt zur Entlassung seines Mandanten geführt hat, eine klare Sprache. Deren Details sind durchgesickert. Stadler bestreitet darin zum einen, dass er die Ermittlungen behindern haben wolle und zum anderen bestreitet er auch die eigentlichen Betrugsvorwürfe. Die Abhöraktion, die dazu führte, dass er in Untersuchungshaft kam, hält Stadler nicht für rechtens. Die Justiz bleibt indessen auch nach Stadlers Freilassung bei ihrer Sicht der Dinge. Auf freien Fuß ist der Manager nun vor allem auch deshalb gekommen, weil er sich mit Audi und VW am 16. Oktober auf eine einvernehmliche Trennung geeinigt hatte, sagen Juristen. Ohne Vorstandsposten hat er in Ingolstadt keine Durchgriffsrechte mehr und kann Ermittlungen zumindest Audi-intern nicht mehr beeinflussen.

Eine erste Haftbeschwerde Stadlers im Sommer war noch abgeschmettert worden als er noch Audi-Chef war. Im Gegensatz zum ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn der schon vor drei Jahren mit offiziellem Bekanntwerden des Diesel-Skandals seinen Hut nehmen musste, konnte sich Stadler noch lange im Amt halten. Der Grund war, dass die im Audi-Mutterkonzern bestimmenden Familien Piëch und Porsche bis zuletzt ihre schützende Hand über Stadler hielten. Stadler war einst Büroleiter des VW-Granden Ferdinand Piëch und hat die Privatstiftungen seines Mentors verwaltet. Auch eine Razzia bei Audi während der Bilanzvorlage 2017 hatte Stadler im Amt überstanden.