Nach den Nachrichten über die schlechten Luftwerte in München hofft der baden-württembergische Verkehrsminister Hermann auf Hilfe aus Bayern – im Kampf für die Blaue Plakette und gegen den Bundesverkehrsminister Dobrindt, der auch ein Bayer ist.

Stuttgart - Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will aus der Not mit der Luftreinhaltung in Großstädten eine Tugend machen und in einer Allianz mit weiteren betroffenen Bundesländern den Druck auf Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zur Einführung der Blauen Plakette erhöhen. „Das aktuelle Beispiel München zeigt, dass nicht nur Stuttgart, sondern sehr viele deutsche Städte ein Riesenproblem mit der Luftreinhaltung haben“, sagte Hermann dieser Zeitung. Ihn überraschten daher die Nachrichten über die schlechten Luftwerte in der bayerischen Landeshauptstadt nicht, im Gegenteil: „Wir gehen schon seit Längerem davon aus, dass rund 80 deutsche Städte die Grenzwerte bei Stickoxiden nicht einhalten.“ Umso ärgerlicher sei es, dass Dobrindt „nun seit über einem Jahr die Einführung der Blauen Plakette blockiert, die für eine einheitliche Regelung zwingend ist“. Aus Hermanns Sicht „droht ein Flickenteppich von unterschiedlichen Formen von Fahrverboten aufgrund von Gerichtsurteilen und politischen Mehrheiten in den jeweiligen Kommunen“. Auch dies habe Dobrindt zu verantworten.

 

Auch Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) betont, dass es nun darauf ankomme, „dass der Bund endlich Verantwortung übernimmt und die Blaue Plakette ermöglicht, denn die hilft den Kommunen“.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) pocht in 16 Städten von Aachen bis Wiesbaden vor Gericht auf die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte. In Stuttgart wird am 19. Juli verhandelt. „Wer in Städten mobil bleiben will, sollte sich auf keinen Fall einen Diesel kaufen“, warnt der DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Für den DUH-Anwalt Remo Klinger sind die zeitweisen Fahrverbote, die Stuttgart ab Januar 2018 im Fall einer weiterhin fehlenden Blauen Plakette nur an Feinstaub-Alarmtagen plant, zu wenig. „Stickoxidgrenzwerte gelten nicht nur an wenigen Tagen“, so Klinger. Und Ausnahmen vom Verbot für Euro-6-Diesel seien ungerechtfertigt, denn diese zeigten bei Abgasmessungen im Realbetrieb teils Emissionswerte der 25 Jahre alten Euro-Stufe 1.

Um den Druck auf den Bundesverkehrsminister zu erhöhen, will Landesminister Hermann „in den nächsten 14 Tagen eine Entschließung in den Bundesrat einbringen, damit der Bund endlich eine Voraussetzung für die Nachrüstung älterer Diesel schafft“. Dies sei notwendig, „weil wir ja nicht alle Diesel verbieten wollen, die sauberen wollen wir weiterhin fahren lassen“. Wenn geklärt sei, welche Fahrzeuge in jedem Fall von einem Fahrverbot ausgenommen würden, sei die Voraussetzung für die Einführung einer Blauen Plakette endgültig geschaffen. Nach Hermanns Vorstellungen soll mit der Plakette geregelt werden, welche Fahrzeuge an Feinstaubalarmtagen noch in der Innenstadt fahren dürfen. Ohne Plakette würden einzelne Streckenabschnitte per Verkehrszeichen (Verbot für Kraftwagen) gesperrt werden. Der Stuttgarter Rechtsprofessor Christofer Lenz hält diese Hilfskonstruktion für unzulässig, denn die Schilder bildeten eine Zone. „Die Zahl der Strecken, die mit dem Schild beschränkt werden dürfen, ist nicht begrenzt“, sagt dagegen DUH-Anwalt Klinger. Klären soll die Frage das Bundesverwaltungsgericht (BVG). Nach zwei Richterwechseln im zuständigen Senat wird das kaum noch 2017 geschehen „Von uns aus ist nie gesagt worden, dass das Gericht den Fahrverbotsfall in diesem Jahr entscheidet“, so die BVG-Pressestelle.

Hermann hofft auf Unterstützung aus Bayern

Winfried Hermann will möglichst viele Bundesländer auf seine Seite ziehen. Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen sowie die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen könnten an Bord sein. Auch mit seinem bayerischen Amtsbruder und Namensvetter Joachim Herrmann (CSU) sei er „in engem Kontakt“ – und guter Hoffnung, dass sich Bayern der Initiative aus Baden-Württemberg anschließe.

Der Handel lehnt weiterhin jegliches Fahrverbot ab

Für die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, Sabine Hagmann, ist durch die Pläne für Fahrverbote in München keine neue Situation entstanden. Sie verweist auf die Position ihres Verbands, wonach der Handel von möglichen Fahrverboten unverhältnismäßig hart getroffen würde. „Die Frage, ob eine Innenstadt mit Individualverkehr erreichbar ist, ist von existenziellem Interesse für den Handel und die Innenstadt selbst“, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands zum Luftreinhalteplan. Hermann wird aufgefordert, die Fahrverbote grundsätzlich fallen zu lassen.