Der Bund will 28 Regionen mit verschmutzter Luft helfen. Aber wer erhält was? In den betroffenen Städten und Gegenden sitzen die Verantwortlichen schon in den Startlöchern und sagen offen: „Da müssen wir möglichst viel abgreifen.“

Stuttgart - Ein hochrangiger Regierungsbeamter aus Stuttgart war beim Diesel-Gipfel dabei. Und sein Statement zum beschlossenen Mobilitätsfonds, der an 28 besonders von Stickoxiden belastete Städte und Regionen insgesamt 500 Millionen Euro ausschütten soll, fällt glasklar aus: „Da müssen wir möglichst viel Geld abgreifen.“ Auch für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in den Kommunen sollen nochmals 250 Millionen Bundesmittel fließen.

 

Aber nach welchem Schlüssel die Finanzmittel für die „nachhaltige Mobilität in der Stadt“ verteilt werden sollen, ist noch unklar. Das baden-württembergische Verkehrsministerium teilte am Donnerstag unserer Zeitung mit, es werde „noch in der Sommerpause“ die Bürgermeister und Landräte von besonders mit Abgas belasteten Regionen zu einem Gespräch über die Anträge einladen. Denn wer eigentlich der Nutznießer sein wird, war am Donnerstag weitgehend unbekannt.

Den Sinn des Geldsegens bezweifelt niemand

Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums bestätigte unserer Zeitung, dass die beim Diesel-Gipfel beschlossene Liste deckungsgleich ist mit einer EU-Liste über 28 sogenannte „Luftqualitätsgebiete“ in Deutschland, in denen ständig gegen die Stickoxid-Grenzwerte verstoßen wird. Auf dieser Liste werden mehrere Städte und Regionen in sieben Bundesländern aufgeführt. Für Baden-Württemberg nennt die Liste sechs Regionen, aber die erfassen fast das gesamte Land: Die Regierungsbezirke Tübingen sowie Stuttgart und Karlsruhe (letztere beide ohne Ballungsräume) werden aufgeführt, außerdem dann extra die Ballungsräume Stuttgart, Freiburg und Mannheim/Heidelberg. Wie auf dieser Basis ein Verteilschlüssel erdacht werden soll, ist noch ein Rätsel. Den Sinn des Geldsegens aber bezweifelt niemand.

„Natürlich wird für intelligente Verkehrsführung schon jetzt viel getan“, sagt Edgar Neumann, Sprecher des Landesverkehrsministeriums. Aber selbst wenn alle „Grüne Welle“ hätten, was unmöglich ist, würde sich der Schadstoffausstoß nur um fünf Prozent mindern. „Wir können den durchrollenden Verkehr ja nicht wegschicken.“ Mehr Gelder für einen besseren Verkehrsfluss seien aber genauso sinnvoll wie stärkere Geldquellen für den ÖPNV. In den von Feinstaub und Stickoxiden geplagten Kommunen sieht man das genauso. „Wir haben ein Verkehrskonzept, aber ohne Zuschüsse läuft nichts“, sagt Wolfgang Löffler von der Stadt Reutlingen. Im übrigen koste ein Elektrobus das Mehrfache eines Busses mit herkömmlichem Antrieb.

Stuttgart will besonders stark berücksichtigt werden

Der vom Gipfel-Ergebnis enttäuschte OB Fritz Kuhn (Grüne) machte deutlich, dass Stuttgart bei der Vergabe der Gelder besonders stark berücksichtigt werde möchte – sie sei schließlich auch besonders „hoch belastet mit Stickstoffdioxid“. Man werde prüfen, für welche Zwecke man Anträge stellen könne. Was die Masterpläne oder „Green-City-Pläne“ für die betroffenen Gebiete angeht, von denen in Berlin die Rede war, fühlt Stuttgart sich gut gerüstet. Der Grund: Im Aktionsplan „Nachhaltig mobil in Stuttgart“ sowie in anderen Konzepten sind bereits viele Ziele und Maßnahmen aufgelistet. Der zuständige Referatsleiter Michael Münter sagte, man wolle versuchen, gerade auch für die Umrüstung der städtischen Busflotte und für den Ausbau des Radverkehrs zusätzliche Gelder zu beschaffen. Nicht nur über Elektrobusse, sondern auch über den Einsatz von bezuschussten Erdgasbussen möchte er „ergebnisoffen“ nachdenken.