Das Verwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden: Künftig können in deutschen Städten Fahrverbote verhängt werden. Doch was bedeutet das genau? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Stuttgart - Die Hamburger dürften die ersten sein. Auch in Stuttgart sind Fahrverbote für dreckige Diesel möglich, die ein Grundsatzurteil jetzt generell erlaubt. Viel mehr steht noch nicht fest – könnte sich aber bald klären.

 
Am Tag eins nach dem Leipziger Fahrverbots-Urteil sortieren sich Land und Stadt. Es gibt wenige Konkretisierungen zum Vorgehen. Wird etwa ein Fahrverbot in Stufen in ganz Stuttgart gelten?
Ja, auch wenn Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) unserer Zeitung sagte, man prüfe, ob man nur die Kesselzone nehme. Sein Sprecher sagte am Mittwoch, das könne wegen der Verhältnismäßigkeit möglich sein. Das Gericht hat diese Möglichkeit aber nicht eröffnet, und das Land hat im Luftreinhalteplan selbst nachgewiesen, dass dann die Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Wer außerhalb des Kessels wohnt oder nicht einfährt, sollte sich daher keiner Illusion hingeben.
Kommt das Fahrverbot nur temporär?
Nein, es kommt ganzjährig. weil nur dann lauft Luftreinhalteplan die Stickstoffdioxid-Grenzwerte erreichbar sind. „Das macht keinen Sinn“, so die Kfz-Innung Region Stuttgart, denn die Überschreitungen „beschränken sich im Grunde nur auf wenige Tage im Jahr“. Beklagt wurde aber die Überschreitung des Stickstoffdioxid-Jahresmittelwerts. Die Kfz-Innung meint wohl die Überschreitungstage beim Feinstaub. Damit hat das Urteil aber nichts zu tun hat.
Kann das Urteil ignoriert werden?
Das fordert etwa die CDU-Gemeinderatsfraktion. Das Land solle „aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf Fahrverbote verzichten“. Das liest sich wie eine Aufforderung zum (fortgesetzten) Rechtsbruch. Das Leipziger Gericht hat die Revision des Landes gegen ein Fahrverbot eindeutig abgewiesen. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit sollen Euro-5-Diesel zunächst geschont und erst Diesel bis Euro 4 und Benziner bis Euro 2 bis zum Jahresende mit einem Fahrverbot belegt werden.
Wird es weiter Feinstaubalarm geben?
Darüber beraten Stadt und Land. Da Feinstaub auch aus dem Bremsen- und Reifenabrieb und modernen Benzinern (Direkteinspritzung) ohne Partikelfilter stammt, wäre die Beibehaltung zwar inhaltlich vertretbar, der Autofahrer bei einem Fahrverbot ab Herbst und Feinstaubalarm (wieder ab 15. Oktober) womöglich maximal verwirrt. Daher sprechen die Verantwortlichen auch über die Abschaffung.
Wird es verbilligte VVS-Tickets geben?
Erst gab es bei Feinstaubalarm das Kinderticket für Erwachsene, nun das günstige Tagesticket. Bei einem Fahrverbot wolle der Verkehrsverbund, so Geschäftsführer Horst Stammler, gern ein „wie auch immer geartetes Ticket als Anreiz zum Umsteigen“, anbieten. Stammler nimmt an, dass das Bürger und Politiker erwarten „und unsere Gesellschafter das auch so sehen“. Die grundlegende Tarifreform, die die Zonen reduzieren und beim Fahrpreis Entlastung bringen soll, käme frühestens im Jahr 2019.
Gibt die Stadt Autofahrern Fördergeld für ein schadstoffarmes Auto?
Davon kann man träumen. Gefördert werden nur die Umstellung von Taxen auf E-Antrieb und der Wechsel des stadteigenen Fahrzeugebestandes, nicht der des Bürgers.
Braucht man die Grüne Plakette noch?
In Stuttgart nicht mehr, weil die Fahrverbote laut Gericht mit eigenen Verkehrszeichen geregelt werden. Aber die Plakette gilt ja in anderen Städten weiter.
Verhindert die Blaue Plakette ein Fahrverbot?
Das wäre ein Trugschluss. Die Blaue Plakette würde das Urteil, schnellstmöglich die Grenzwerte einzuhalten, nicht aufheben. Sie wäre nur ein Fahrverbot, das sich leichter überwachen ließe.
Was wird mit Handel und Handwerk?
Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hält die Sorgen von Handwerk und Handel vor baldigen Fahrverboten für ältere Diesel in Stuttgart für überzogen. „Das Argument, wir würden die Wirtschaft schwer belasten oder gar den Verkehr stilllegen, ist maßlos übertrieben“, sagte er. Beim Festlegen der Verbote werde das Land sich an den Ausnahmen orientieren, die das Bundes-Immissionsschutzgesetz schon für die grüne Umweltplakette enthalte. Dort seinen etliche Ausnahmen vorgesehen etwa für Lebensmitteleinzelhandel, Apotheken, Behinderte, Altenheime, Krankenhäuser, Hilfsdienste, Handwerker, Pizzadienste und Reisebusse. Generell auch Anwohner auszunehmen, sei aber wohl nicht drin. Hermann: „Die Zahl der Ausnahmen muss begrenzt bleiben, sonst ist der Wirkungseffekt gleich null.“ Bisher plane das Land für Stuttgart mit Ausnahmen für maximal 20 Prozent der betroffenen Fahrzeuge.