Hakan Abi hat schon allen großen Stars des VfB Stuttgart in seinem unscheinbaren Friseursalon in Gablenberg die Haare geschnitten. Was sein Schicksal mit Mario Gomez zu tun hat und warum gerade die jungen Spieler seinen Rat suchen.
Hakan Abi erinnert sich gerne an die Zeit, als sein kleiner Friseursalon in Gablenberg zu einer Anlaufstelle gerade für junge VfB-Spieler wurde. Es hatte sich herumgesprochen, dass der begabte Friseur ihrem damaligen Trainer Pellegrino Matarazzo nicht nur die Haare schnitt, sondern mit ihm befreundet war. Sie trafen sich regelmäßig. „Die jungen Fußballer kamen zu der Zeit zum Haare schneiden zu mir, doch wollten sie auch wissen, ob der Trainer irgendwas interessantes gesagt habe“, erzählt Hakan Abi. Zum Beispiel, was man tun könnte, um beim nächsten Spiel zum Einsatz zu kommen. „Manchmal sind sie nun mal in einem Alter, in dem ich ihr Vater sein könnte. Natürlich stehe ich ihnen mit meinem Rat zur Seite, wenn sie ihn wollen“, sagt er. Auch wenn Diskretion ein hohes Gebot für ihn sei.
Haitiam Behjat Gazi, genannt Hakan „ der große Bruder“ Abi, ist schon fast sein ganzes Leben mit dem Friseurberuf verbunden. Seine Familie hatte einen Salon in Istanbuls wohlhabendem Stadtviertel Şişli, wo er den Beruf ohne offizielle Ausbildung von seinem Onkel gelernt hat. „Mit 15 Jahren war ich schon ein sehr talentierter Haareschneider“, sagt Gazi. Die Leute seien immer voller Bewunderung für seine Arbeit gewesen. Seit dem hat sich viel getan für den Geschäftsmann und Handwerker: Sein Talent, Haare zu schneiden, hat ihm gerade von Stuttgart aus viele Türen geöffnet.
„Cut and Shave by Gazi“ in der Gablenberger Hauptstraße
Obwohl der Friseur Deutsch spricht, erzählt er von seiner Anfangszeit am liebsten auf Türkisch mit leicht arabischem Einschlag. Seit fast 25 Jahren lebt er in Deutschland, hat sich hier verliebt, eine Familie gegründet und gearbeitet und dann im Jahr 2013 den Friseursalon mit dem Namen „Cut and Shave by Gazi“ in der Gablenberger Hauptstraße eröffnet. Ein Jahr später wurde dann sein Schicksal als Haareschneider der berühmten Fußballer besiegelt, als mit dem ehemaligen Mittelfeldspieler Gonzalo Castro sein erster berühmter Gast zu ihm kam. Zu der Zeit spielte dieser nicht beim VfB, sondern bei Leverkusen.
Wenn man sich die vielen Geschichten des 45-Jährigen anhören will, muss man in seinen Salon eine enge Wendeltreppe hinabsteigen, wo man zunächst von den beiden rotbraunen Toypudeln Charlie und Poncho in Empfang genommen wird. Der stämmige Mann mit dem grauweißen Vollbart, dem Karohemd und der Truckerkappe, auf der der Herr der Schildkröten von Dragonballs abgebildet ist, wartet dort auf neugierige Besucher. Der Laden im Obergeschoss zeugt von der engen Beziehung des Geschäfts zu dem Fußballverein. Dutzende Bilder prominenter Spieler hängen an den Wänden, außerdem in Rahmen gefasste handsignierte Trikots. „Mein Grundsatz ist, dass ich nie um Gefälligkeiten, Trikots oder Stadiontickets frage. Wenn sie mir jemand von sich aus schenken will, ist das schön, aber das ist nicht der Grund, warum ich diese Arbeit mache“, sagt Gazi.
Ein Haarschnitt wie eine Therapiesitzung
Es gibt weitere Prinzipien, an die sich der Starfriseur hält, und die ihm die Loyalität gerade bekannter Persönlichkeiten sichern. „Zum einen verstehe ich, dass meine Kunden nicht über ihre Arbeit reden wollen“, sagt Hakan Abi. Das Thema sei also tabu, wenn es nicht von ihnen selbst komme. Meistens rede man über private Dinge, aber auch nur, wenn es Redebedarf beim Kunden gebe. Der Friseur beschreibt die Begegnungen ein wenig wie eine Therapiesitzung. Es muss nicht geredet werden. Ein zweite Regel ist, dass jeder Kunde gleich behandelt werde. „Für mich sind sie nicht in erster Linie Fußballstars, sondern ganz normale Menschen“, sagt er. Trotzdem muss er sich manchmal flexibel zeigen, wenn Kunden ihre Privatsphäre brauchen. „Mario Gomez ist immer mit einem Mini Cooper hergefahren, um nicht aufzufallen“, sagt er. Spielern wie dem heutigen Innenverteidiger bei West Ham, Dinos Mavropanos, schnitt er die Haare gleich bei sich zuhause. „Ich verstehe, dass manche von ihnen beim Haareschneiden ihre Ruhe brauchen“, sagt der Friseur.
Inzwischen greift der Meisterfriseur nur noch selten selbst zur Schere. Wer einen Standard-Haarschnitt für 29 Euro haben will, der erhält ihn von einem seiner drei Mitarbeiter. Wenn Hakan Abi selbst schneidet, dann läuft alles etwas unauffälliger und manchmal auch klandestin ab. Er kriegt dann eine persönliche Nachricht mit einer Bitte um einen Termin. Meistens trifft man sich im Laden.
Bei besonders prominenten Spielern bildet sich auch mal eine Menschentraube vor dem Laden. „Es waren schon Leute bei mir, die mit dem Flugzeug nach Stuttgart geflogen sind, um sich von mir die Haare schneiden zu lassen“, sagt er. Wer das war, ist natürlich streng geheim. Er selbst ist aber auch schon in den Flieger gestiegen. „Für eine andere berühmte Person bin ich mal extra nach Madrid geflogen“, erzählt der Meisterfriseur. Über Geld werde bei diesen Treffen nie gesprochen. Meistens hinterlässt der Friseur seine Daten und in einigen Fällen erhält er mehrere Tausend Euro für seine Leistung.
Hohe Anforderungen an das Team
Entscheidend sei für ihn, der Arbeit und der Person Wertschätzung zu zeigen. „Ich kann auch einen Haarschnitt für 29 Euro machen, aber wenn ich mir Zeit nehme, dann nehme ich jedes Haar einzeln in die Hand. Es ist, als würde man mit einem Pinsel ein Bild malen“, sagt der Friseur. Wichtiger als das Handwerk sei ihm immer auch die Persönlichkeit, auch seinen Mitarbeitern. Das Haareschneiden könne man lernen, einen schlechten Charakter aber nicht wieder heilen. Hakan Abi nennt noch ein weiteres Geheimnis seines Erfolgs: Für ihn sei die Arbeit eben keine Tätigkeit, der man nachgeht, um einfach Geld zu verdienen, sondern ein Hobby. Und diese Freude merken ihm auch seine prominenten Kunden an.