Er geht – augenscheinlich nicht im Zorn. „Ich bin nicht ausgerastet, ich war nicht böse, gar nichts“, sagt Dieter Bohlen in einer Videobotschaft. Aber wer könnte auf ihn folgen? Ein Blick in die Glaskugel.

Köln - Da steht er, braun gebrannt, hinter sich das Meer – Dieter Bohlen, wie er leibt und lebt. Am Mittwoch hat er sich endlich geäußert über das Aus bei der Mutter aller Castingshows, dem RTL-Dauerbrenner „Deutschland sucht den Superstar“: „Nein, es lag nicht am Geld, darum ging es überhaupt nicht“, sagt der 67-Jährige bestens gelaunt und zeigt seine perlweißen Zähne. „Ich bin nicht ausgerastet, ich war nicht böse, gar nichts.“ RTL wolle einen neuen Weg gehen – „da hat so ein Revoluzzer wie ich, der immer so ein bisschen auf die Kacke haut, eben nichts mehr zu suchen.“

 

Es ist das Ende einer Ära. Ob man ihn nun verehrt oder verdammt, eines kann man ihm kaum absprechen: Bohlen ist ziemlich einzigartig. Fast 20 Jahre lang saß der Musikproduzent in der „DSDS“-Jury und spaltete die Nation: Die einen mochten ihren „Dieddä“, das Pop-Genie, für seine direkte Art, die anderen warfen ihm Egomanie und Geschmacklosigkeit vor. Wie ersetzt man so jemanden? RTL will es nächstes Jahr versuchen und „DSDS“ grundlegend umbauen - ohne Dieter. Was und wer danach kommt, ist noch ein großes Geheimnis. Wird „DSDS“ anders? Weniger fies, jünger, weiblicher?

Man werde sich da überraschen lassen müssen, teilt ein RTL-Sprecher mit, wenn man zu bohren versucht. Auf jeden Fall werde die neue Jury nicht vor dem Finale der aktuellen „DSDS“-Staffel am Samstag (3. April, 20.15 Uhr) verkündet. Es bleibt einstweilen also nur der Blick in die eigene Glaskugel, der aber auch Erkenntnis bringen kann. Ein paar Nachfolge-Ideen im Check - auch einige eher unwahrscheinliche.

Thomas Gottschalk

Pro: Hat nun schon „DSDS“-Luft geschnuppert, da er kurzerhand für Bohlen einsprang, der seine letzten beiden Auftritte in der Show absagte. Gottschalks Begründung: Er habe einfach Zeit gehabt. Vielleicht passt auch eine ganze Staffel in den Terminkalender. Ein Show-Dino wäre ein würdiger Nachfolger für einen Pop-Titanen.

Contra: Gottschalk hat zwar in seinem Leben viel Musik angesagt (Chris de Burgh, Status Quo), gilt aber nicht unbedingt als intimer Kenner aktueller Trends. Zudem blüht er erst so richtig auf, wenn er sich an einem Samstagabend vor Live-Publikum verneigen kann, ob in Böblingen oder sonst wo. „DSDS“ ist aber oft aufgezeichnet.

Florian Silbereisen

Pro: Hat ebenfalls schonmal in „DSDS“ gelugt - 2020 sprang er zeitweise als Juror ein. Silbereisen ist selbst Musiker und fast 30 Jahre jünger als Bohlen. Zudem hat er eine sagenhafte Marketing-Power: Wen „Flori“ seinem Publikum ans Herz legt, der kann viele Platten und Tickets verkaufen. Das will jeder „DSDS“-Sieger.

Contra: Silbereisen ist eher bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zu Hause, ob als Moderator („Das Adventsfest der 100 000 Lichter“) oder als Dampfer-Kapitän („Das Traumschiff“). Er kann nicht über mangelnde Arbeit klagen. Manch einen Pop-Liebhaber mag Silbereisens geistig-musikalische Heimat, der Schlager, zudem abschrecken.

Barbara Schöneberger

Pro: Nach dem breitbeinigen Bohlen wird es Zeit für eine Frau als „DSDS“-Chef-Jurorin - und Schöneberger ist ein Multitalent. Deswegen wird ihr Name auch oft genannt, wenn es einen Show-Job zu vergeben gibt. Das war sogar bei „Wetten, dass..?“ der Fall, als Gottschalk aufhörte. Schöneberger versteht zudem etwas von Musik. Eines ihrer Alben trägt den Titel „Jetzt singt sie auch noch!“.

Contra: Womöglich würde manch ein Zuschauer bei einem Engagement von Schöneberger denken: „Jetzt sitzt sie auch noch bei ‚DSDS’!“ Schöneberger hat eine kaum überblickbare Zahl an Jobs, ihre musikalische Expertise ist dabei die vielleicht am wenigsten sichtbarste. Sie würde auch ohne „DSDS“ glücklich werden.

Stefan Raab

Pro: Man wird ja noch träumen dürfen! Kaum ein Name beflügelt die Fantasie des Fernsehpublikums so sehr wie der des Metzgersohns aus Köln, der sich vor fünf Jahren vom Bildschirm verabschiedete - und dessen Rückkehr wie die eines Erlösers herbeigesehnt wird. Raab wäre die ganz große Lösung. Oder wie Bohlen sagen würde: Meeeega.

Contra: Raab hätte in den vergangenen Jahren zig goldene Brücken zurück vor die Kamera gehen könne, hätte er denn nur gewollt. Und dann soll ihn ausgerechnet ein alter Tanker wie „DSDS“ locken? Seinen Spott goss der „Raabinator“ sogar mal in eine eigene Show mit dem Gaga-Titel „SSDSDSSWEMUGABRTLAD“ („Stefan sucht den Superstar, der singen soll, was er möchte, und gerne auch bei RTL auftreten darf“) Raab erfindet in der Regel lieber etwas, als dass er etwas übernimmt. Und ganz generell gilt: Es lebt sich gut im Schatten mit leuchtendem Heiligenschein.

Jan Hofer

Pro: Der einstige „Tagesschau“-Sprecher erlebt gerade den zweiten Karriere-Frühling. Bei der RTL-Tanzshow „Let’s Dance“ schwoft er im Rumba oder Samba über das Parkett, zeitnah soll er eine Nachrichtensendung im Hauptabendprogramm des Privatsenders präsentieren. Das zeigt schon: RTL traut Hofer noch so Einiges zu. Als „Mann ohne Unterleib“ dürfte er sich am Jury-Pult wohl fühlen.

Contra: Wer Hofer bei „Let’s Dance“ gesehen hat, wird nicht davon ausgehen, dass in ihm ein musikalisches Genie schlummert. Auch gehört das obligatorische Poltern nicht zum Repertoire der Samtstimme.

Menderes Bagci

Pro: Bagci, den alle nur schlicht Menderes nennen, wäre die interne Lösung. „DSDS“ kennt er wie kaum ein anderer, weil er sich ständig bewarb und immer wieder scheiterte. Warum also nicht befördern? Jogi Löw war anfangs auch nur Assistent von Jürgen Klinsmann.

Contra: Menderes trägt den inoffiziellen Titel „Kult-Kandidat“, der sich wahnsinnig schnell abnutzen dürfte, wenn es zu oft zu kultig wird. Zudem will man sich nicht ausmalen, was mit Dieter Bohlen passiert, wenn er Menderes auf seinem Stuhl sitzen sieht. Dann lieber Thomas Anders.