Der Württembergische Kammerchor hat in Stuttgart unter der Leitung von Dieter Kurz Monteverdis „Marienvesper“ aufgeführt.

Stuttgart - Die Stuttgarter Markuskirche ist nicht der Markusdom von Venedig, aber der hat mit Monteverdis Marienvesper ja ohnehin nichts zu tun. Als Dieter Kurz und sein im kommenden Jahr 50 Jahre alter Württembergischer Kammerchor am Sonntagabend das 1610 veröffentlichte, klangmächtige Werk aufführten, mochte einem wohl kurz in den Sinn kommen, wie viele überraschende Raumwirkungen und Aufstellungen an der späteren Wirkungsstätte des frühbarocken Komponisten möglich gewesen wären. Aber die Jugendstilkirche im Heusteigviertel mit ihrem schlichten Hauptschiff passte in mehrfacher Hinsicht ausgesprochen gut zu der Interpretation, die an diesem Abend zu erleben war.

 

Ob die stilistische Vielfalt der Marienvesper darauf hindeutet, dass sich Monteverdi mit diesem Stück um eine Stelle in Rom bewerben wollte, oder ob sie doch eher auf die erst nachträgliche Zusammenfassung eigentlich unzusammenhängender Einzelstücke schließen lässt, ist für eine Aufführung letztendlich unerheblich. Tatsache ist, dass dieses Werk in jedem seiner Einzelstücke, ja zuweilen in jeder Phrase anders, dabei aber fast immer prächtig klingen will. Genau so bringen es der junge, in der Einzelstimmen fein verschmolzene, klangschöne, dynamisch gut ausbalancierte Chor zur Aufführung. Hinzu kommt das historische Ensemble La Banda mit seinen exzellenten Musikern, darunter je zwei Zinkenspieler, Posaunisten, zwei auch visuell wundervoll kongruente Geiger sowie eine sehr lebendig variierenden Continuo-Gruppe.

Liebevolle Aufbereitung der stilistischen Vielfalt

Musikalische Pracht ist aber nicht Dieter Kurz’ erstes Ziel. Ihm geht es um Klang, um Klarheit, um eine liebevolle Aufbereitung der stilistischen Vielfalt. Sie reicht von vielstimmiger Vokalpolyfonie, Soli, instrumentalen Concerti und eingestreuten gregorianischen Antiphonen, die Konstantin Krimmel mit einer sehr eigenen Mischung aus Stimmschönheit und Nachdruck singt. Die Sopran-Solistinnen Johanna Beier, Alessandra Marten und Sophie Weller kommen allesamt aus den Reihen des Chores; es sind leichte, unverbrauchte Stimmen, die sich hervorragend ins Ganze einfügen. Die beiden Tenor-Solisten Hermann Oswald und Robert Sellier machen ihre Sache ebenfalls gut, neigen aber (im Gegensatz zu ihrem Fachkollegen Georg Kalmbach) zu dynamischem Forcieren, was den „Duo Seraphim“, dem vielleicht schönsten Stück des Werks, einen Teil seines Zaubers nimmt.

Der Rest indes sind Farben, Rhythmen, fein herausgemeißelte Choräle, rasch (nur zuweilen etwas holprig) wechselnde Taktarten; der Rest ist Musikalität, ist Fluss, ist eine Pracht, die hier etwas schwäbisch Schlichtes hat, selbst bei den Schlüssen, an denen Kurz zwar gelegentlich das Tempo drosselt, aber nie zu stark, immer mit Geschmack. Und immer mit einer Spur von Understatement. Das kann man richtig lieb gewinnen.