Eine Managerin von Facebook redet über Verbraucherbildung – wird da nicht der Bock zum Gärtner gemacht? Die Landesregierung verteidigt den Auftritt bei ihrem Digitalkongress: man erhoffe sich Aufklärung über den Datenskandal.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es wird ein großer Auftrieb am 4. Juli in Heidelberg. Die halbe Landesregierung ist vertreten beim „Festival für digitale Bildung“, vorneweg Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter Thomas Strobl (CDU). Einen Tag lang dreht sich alles darum, wie die Digitalisierung das Lernen und Lehren verändert.

 

Noch ist das Programm in Arbeit, federführend ist das für die Digitaloffensive („digital@bw“) verantwortliche Ressort Strobls. Eine der vielen Veranstaltungen aber schlägt schon im Vorfeld Wellen. Anlass ist die Referentin, die über das Thema „Soziale Medien in der Verbraucherbildung“ sprechen soll: Xochilt Balzola-Widmann, eine Managerin von Facebook. Bei dem sozialen Netzwerk ist sie dafür zuständig, kleine und mittlere Unternehmen in Europa, dem mittleren Osten und Afrika zu beraten, wie sie dank Facebook ihre Geschäfte ausbauen können.

Verbraucherzentrale zeigt sich irritiert

Ausgerechnet eine Vertreterin jenes Unternehmens, das wegen eines Datenskandals weltweit unter Druck steht, soll über Verbraucherrechte aufklären? Das irritierte unter anderem die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die sich seit Längerem kritisch mit Facebook beschäftigt. Man sei in die Planung zwar nicht eingebunden und wisse daher nicht, wie die Wahl just auf jene Referentin gefallen sei, sagte eine Sprecherin: „Unsere Wahl wäre es nicht gewesen.“ Auch bei der Frage, was Facebook für das Thema qualifiziere, musste sie passen: „Einen Beitrag zur Verbraucherbildung können wir nicht sehen.“ Intern wurde die Einladung der Facebook-Frau noch giftiger kommentiert: Sie sei ein „Schlag ins Gesicht“ all jener Institutionen, die ernsthaft Verbraucher- und Medienbildung betrieben; eigentlich gehöre Balzola-Widmann wieder ausgeladen.

So weit möchte die Verbraucherzentrale offiziell nicht gehen. Die Einladung müsse aber „zumindest dazu führen, dass im Rahmen der Veranstaltung eine kritische Auseinandersetzung mit Facebook erfolgt“, fordert die Sprecherin gegenüber unserer Zeitung. Man werde bei dem Digitalfestival mit einem eigenen Infostand vertreten sein und aktuelles Material für den Unterricht vorstellen, das sich explizit mit dem Datenskandal befasse. Seit Langem sei es für die Verbraucherzentrale ein wichtiges Thema, wie Facebook und andere soziale Medien mit den Daten ihrer Nutzer umgehen. Im Grunde seien diese das eigentliche Produkt, welche das Unternehmen seinen zahlenden Kunden anbiete. Entsprechend wichtig sei ein kritischer Umgang damit.

„Lieber mit als über Facebook sprechen“

Ein Sprecher Strobls wollte die Einladung nicht kommentieren. Man sei zwar federführend, was die Veranstaltung betreffe, die einzelnen Programmpunkte aber verantworteten die beteiligten Ressorts – in diesem Fall das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz von Peter Hauk (CDU). Auch Hauk sieht laut einem Sprecher den Datenskandal bei Facebook kritisch und habe „die Aufklärung der Vorwürfe gefordert“. Generell arbeite man daran, „die Position des Verbrauchers, gerade auch in der digitalen Welt, zu verbessern und zu verstärken“. Ziel sei der mündige Verbraucher, der genau überlege, welche Daten er von sich preisgeben wolle. Diese Aufklärung laufe „über viele verschiedene Kanäle“, auch über soziale Medien; besonders Facebook spiele dabei „als Informationsquelle für bestimmte Zielgruppen eine wichtige Rolle“.

Die Verwunderung, ob mit der Facebook-Referentin nicht der Bock zum Gärtner gemacht werde, kann der Sprecher Hauks „nicht nachvollziehen“. Man wolle von Balzola-Widmann „hören, welchen Stellenwert Facebook dem Verbraucherschutz tatsächlich einräumt und was gegen die Vorwürfe getan wird“; auch zum Datenskandal solle sie sich äußern. Wenn Vorwürfe im Raum stünden, sei es „besser, mit den Menschen direkt zu reden . . . als über sie zu sprechen“, lässt der Verbraucherschutzminister ausrichten. Im Licht der Stellungnahme könne „man sich ein eigenes Urteil bilden und auf dieser Basis politische Entscheidungen treffen“.