Die EU packt, fast zu spät, das Zukunftsthema Digitalisierung an, meint StZ-Brüssel-Korrespondent Christopher Ziedler. Doch es wird auch jetzt nicht schnell gehen, dafür sind in der Union einfach zu viele Interessen zu bündeln.

Brüssel - Nun sind sie in der Europäischen Kommission nicht so blöd, dass sie nicht auch schon vor Jahren gemerkt hätten, dass das Internet die Welt verändert und Europa Schritt halten muss, um nicht den Anschluss zu verlieren. Aber die EU ist ein Tanker mit einem schwerfälligen Gesetzgebungsprozess, der 28 nationale Interessen und die Ansichten des Europaparlaments unter einen Hut bringen muss. Ein paar der Vorhaben, die Europa zu einem digitalen Binnenmarkt machen sollen, sind längst auf dem Weg. Doch die EU-Regierungen und die Europaabgeordneten sind sich bisher weder über die Datenschutzverordnung noch über die Bestimmungen zu Handy-Roaminggebühren und Netzneutralität einig geworden.

 

Die digitale Agenda nun voranzutreiben ist richtig. In einem Binnenmarkt 2.0 mit 500 Millionen Kunden können Geschäftsmodelle entstehen, die heute noch nicht vorstellbar sind. Und auch für die Verbraucher kann es Vorteile bringen, wenn die nationalen Grenzen im Netz fallen.

Ein gemeinsames Urheberrecht ist eine Herkulesaufgabe

Wo jedoch schon ein bloßes Strategiepapier der EU-Kommission Aufwallungen erzeugt, kann man sich ausmalen, welch gewaltiger Streit ins Haus steht, wenn die Verabschiedung konkreter Gesetze ansteht. Ein einheitliches EU-Urheberrecht zu schaffen, ist allein schon eine Herkulesaufgabe: Wer nämlich Online-Inhalte allen Europäern zugänglich machen muss, büßt die Möglichkeit ein, Lizenzen in Einzelstaaten zu verkaufen. Das sogenannte „Geoblocking“ etwa, also das Sperren bestimmter Dienste in bestimmten Ländern, wird noch Gegenstand ideologischer Schlachten werden – zwischen Befürwortern der kulturellen Vielfalt und Kämpfern für informationelle Freiheit. Mittendrin in dieser Auseinandersetzung steckt der deutsche Digitalkommissar Günther Oettinger, der sich zum Unmut der Netzaktivisten schon klar gegen sie positioniert.

Es ist also klar, dass die Europäer noch viel Zeit brauchen, ehe die nun diskutierten Ideen in der Realität ankommen. Der Tanker EU muss hoffen, dass das Motorbootrennen der globalen Digitalisierung bis dahin nicht schon längst entschieden ist.