Um die virtuelle Dimension der Welt hat sich die Bundesregierung bisher kaum gekümmert. Das soll sich ändern. Gleich drei Minister wollen Deutschland zum bestvernetzten Staat und zu einem Marktführer in Sachen Datensicherheit machen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Es kommt selten vor, dass Thomas de Maizière Details seines Privatlebens preis gibt. An diesem Mittwoch verrät der Bundesinnenminister eine literarische Vorliebe aus frühester Zeit. Sein Lieblingsmärchen sei „Der kleine Häwelmann“ von Theodor Storm. Google liefert dazu 451 000 Einträge. Was die Geschichte jenes aufsässigen, unersättlichen Buben mit dem Internet zu tun hat, erschließt sich allerdings nicht gleich auf den ersten Blick. Schließlich war de Maizière samt seiner Kollegen Sigmar Gabriel (SPD-Vizekanzler) und Alexander Dobrindt (CSU-Verkehrsminister) vor der Bundespressekonferenz erschienen, um über die Digitale Agenda der Bundesregierung zu sprechen. Weil es aber vorab schon Kritik hagelte wie Dukaten im Sterntaler-Märchen, verpackte de Maizière seinen Unmut über nie zu befriedigende Lobbyisten und Journalisten in einen Verweis auf die Fabel von dem kleinen Nimmersatt im Märchen.

 

Deutschland soll von der Big-Data-Ökonomie profitieren

Bei dem ministeriellen Triumvirat handelt es es sich um die drei Musketiere, die im Auftrag der Bundesregierung für Ordnung in der digitalen Welt sorgen sollen. Auf 36 Seiten haben sie aufgeschrieben, was alles zu tun wäre – wobei zehn Seiten des Katalogs nicht in nennenswertem Umfang Text enthalten. Es handle sich eher um ein „Hausaufgabenheft“, sagt de Maizière, jedenfalls um „kein neues Subventionsprogramm“, betont Gabriel. Es sei „nicht unser Anspruch, dass auf alle Fragen bereits abschließende Antworten gegeben werden“, versichert er. Vielleicht seien nicht einmal alle Antworten richtig. Vielmehr lade die Regierung jedermann ein, gemeinsam darüber nachzudenken, wie „die zentrale wirtschaftliche Herausforderung unseres Landes“ zu bewältigen sei. Ungeachtet der demonstrativen Unvollkommenheit der Agenda wertet Gabriel sie als „anspruchsvolle Strategie“. In der heraufbrechenden Big-Data-Ökonomie habe Deutschlands Wirtschaft „wie keine andere in der Welt die Chance zu profitieren“.

Die neue Zielmarke: 2018 schnelles Internet für alle

Dazu wäre vor allem unerlässlich, dass alle Unternehmen überhaupt Zugang zum schnellen Internet haben. Seit Jahren versprechen Bundesregierungen wechselnder Couleur einen lückenlosen Ausbau des Breitbandnetzes. Die große Koalition setzt nun eine neue Zielmarke: Bis 2018 soll es überall im Deutschland möglich sein, mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde am Datenverkehr teilzunehmen. Bisher ist das laut Dobrindt, der für digitale Infrastruktur zuständig ist, nur zu 64 Prozent gewährleistet. In Städten haben 80 Prozent der Internetnutzer einen Breitbandanschluss, auf dem Land aber weniger als 20 Prozent.

Wie die Lücken geschlossen werden sollen, ist in der Digitalen Agenda nur vage benannt. Wie teuer das wird und wer es bezahlt, steht auch in den Sternen. Details sollen in einem „Kursbuch“ stehen, das Dobrindt nun für den Herbst ankündigt. Der Tüv hat die Kosten Ende 2013 auf mindestens 20 Milliarden Euro beziffert. Exakt sei dies erst zu benennen, wenn klar ist, wie das flächendeckende schnelle Netz technisch zu gewährleisten ist. Die letzten fünf Prozent an Lücken seien wohl eher via Mobilfunk als über Glasfaserkabel zu schließen, sagt Wirtschaftsminister Gabriel.

Auch die Sicherheit im Netz soll verbessert werden

Neben dem Stichwort Breitband enthält die Agenda eine Vielzahl weiterer Ziele. Wie die Sicherheit im Netz verbessert werden soll, hatte das Innenministerium schon tags zuvor kundgetan. Was der Bund gegen Cyberkriminalität und Datenmissbrauch unternehmen will, wird in einem separaten Gesetz geregelt. Innenminister de Maizière beabsichtigt darüber hinaus, die Bürokratie zu digitalisieren. „Verwaltung 2020“ nennt er das. In einem „innovativen Staat“ sollten Behördengänge weitgehend online erledigt werden. Dazu bedürfe es aber noch einiger „Zertifizierungen“. Zudem muss de Maizière sich mit Ländern und Kommunen verständigen, die einen Großteil der technischen Revolution zu bewältigen haben. Wie lange so etwas dauert, lässt sich an der Geschichte der einheitlichen Behördenrufnummer 115 nachverfolgen. Die Idee wurde 2007 geboren, ist aber noch nicht vollständig realisiert.

Der IT-Branchenverband fordert mehr Maßnahmen

Das Echo auf die Agenda gleicht eher einem Störsignal. Der Bundesverband der Deutschen Industrie spricht von einem ersten Schritt in die richtige Richtung, dem müssten aber konkrete Maßnahmen folgen. Der IT-Branchenverband Bitkom forderte Zuschüsse für den Breitbandausbau. „Lediglich ambitionierte Ziele zu formulieren, reicht nicht aus, um Deutschland auf die Gigabit-Gesellschaft vorzubereiten.“ Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisierte, Risiken für Arbeitnehmer bei der Digitalisierung der Wirtschaft seien vernachlässigt worden. Die Opposition nannte die Pläne substanzlos.