1. Die Bildungsplattform
Dreieinhalb Jahre nach dem Scheitern der Bildungsplattform „Ella“ ist die Ausstattung der 4500 Schulen in Baden-Württemberg mit schulbezogenen Computerprogrammen besser geworden. Aber die zentrale Steuerungseinheit, die alle unterschiedlichen Anwendungen zusammenbindet und über eine gemeinsame Anmeldung erschließt, ist nach wie vor nicht in Sicht. „Ella“ stand seinerzeit für „Elektronische Lehr- und Lernassistenz“ und sollte unter anderem eine einheitliche E-Mail-Adresse für Lehrer, einen Cloud-Speicher, Büro-Software und ein Lernmanagementsystem beinhalten.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Land und Städte in Baden-Württemberg streiten über Lehrerlaptops
Nach dem Scheitern der landeseigenen Entwicklung ist inzwischen auch ein Versuch gescheitert, mit Hilfe von Microsoft-Software Ersatz zu schaffen, weil damit die Datenschutzanforderungen nicht zu gewährleisten waren. Stattdessen wird im Kultusministerium eine europaweite Ausschreibung vorbereitet, um dieses zentrale, digitale Werkzeug zu beschaffen. Darum herum gruppieren sollen sich die beiden Lernmanagementsysteme „Moodle“ und „It’s learning“, das Videokonferenzsystem „Big Blue Button“ und der Messenger-Dienst „Threema“. Alle werden von den Schulen im Land genutzt.
Wann die gemeinsame Plattform und das einheitliche E-Mail-System verfügbar sein werden, ist derzeit nicht genau absehbar. Nach dem ursprünglichen, von 2019 stammenden Fahrplan für den Aufbau des Ella-Ersatzes sollte der einheitliche Zugang zu allen Schul-Anwendungen eigentlich bereits im vorigen Herbst vorliegen.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Chef der Schulentwicklung: Corona hat bei Lehrern „eine steile Lernkurve“ ausgelöst
Cord Santelmann, Digitalisierungsexperte beim Philologenverband, gehört zu den Kritikern, die die ganze, von der Landesregierung eingeschlagene Richtung für falsch halten. „Diese Programme sind virtuelle Schulen mit virtuellen Lernräumen. Die müssen genausogut in Schuss und unter der Kontrolle des Staates sein, wie echte Schulgebäude“, fordert er. Digitale Souveränität und Datensicherheit lassen sich nach seiner Einschätzung nur durch eine landeseigene, selbst entwickelte Schul-IT-Infrastruktur erreichen.
Mit seiner Haltung steht Santelmann nicht allein. Ein Bündnis von 23 Verbänden – von der Arge Karlsruhe, über den Chaos Computer Club bis zur Verbraucherzentrale Baden-Württemberg – hat deshalb eine Petition im Landtag eingereicht. Sie sind überzeugt, dass Kompetenz und Praxiserfahrung in Baden-Württemberg vorhanden sind, um „schnell eine landeseigene, leistungsstarke und funktionsfähige IT-Infrastruktur für alle Schulen zur Verfügung zu stellen“.
2. Das Bildungsnetz
Viele Schulen haben in den vergangenen 25 Jahren das eigentlich für die Forschung vorgesehene Landeshochschulnetzwerk BelWü nutzen können. Doch weil aus dem damaligen Nebengeschäft mit den Schulen eine veritable Großaufgabe geworden ist und die IT-Anforderungen der Hochschulen ebenfalls gewachsen sind, ist das inzwischen nicht mehr möglich.
Im Juli vergangenen Jahres erhielten die Schulen quasi die schrittweise Kündigung. Als erstes müssen sie ihren Internetzugang und die Unterbringung von Homepages auf anderen Plattformen organisieren. Nach Angaben von kommunaler Seite hat die Mehrzahl sich für „Komm.One“ das Verwaltungsnetzwerk der Kommunen, entschieden. Im Laufe dieses Jahres soll die Migration laut dem Zeitplan des Kultusministeriums abgeschlossen werden.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Schulwahl in Baden-Württemberg – Die Gymnasien haben die Nase vorne
Die von BelWü bereitgestellten Moodle-Instanzen und Email-Konten können die Schulen weiter nutzen, bis das Kultusministerium eine Nachfolgelösung parat hat. Laut den Autoren der Petition haben im Südwesten 3000 Schulen über BelWü Zugang zum Internet; knapp 2800 haben dort 200 000 Mail-Konten, 2500 Schulen haben dort ihre Internetseite. Außerdem werden über das BelWü-Netz 5000 Moodle-Instanzen genutzt – mit fast 450 000 Nutzern täglich.
Auch diese Weichenstellung halten Cord Santelmann und seine Mitstreiter für falsch. Sie fragen sich, warum das Land neben dem Hochschulnetz kein landeseigenes Bildungsnetz aufbaut. „Wir sehen immer noch das größte Potenzial und die größte Umsetzungsgeschwindigkeit in einem Eigenbetrieb, der auf den schon existierenden Lösungen des Belwü-Netzes aufsetzt“, erklären sie auf Anfrage.