Moderne Fahrzeuge lassen sich mit Smartphones vernetzen – und sammeln Daten. Die Apps würden mehr Daten als nötig versenden, hat die Stiftung Warentest herausgefunden. Was damit passiert, will die Autoindustrie nicht verraten.

Stuttgart - Das vernetzte Auto nimmt Fahrt auf – und viele Fahrer ziehen mit: Sie nutzen bereitwillig digitale Dienste im Auto wie etwa Navigations- oder Fahrerassistenzsysteme. Zudem kann bei vielen neuen Fahrzeugen auch das Smartphone samt passender App mit eingebunden werden: So lässt sich die Lieblingsmusik auf das Autoradio streamen, unkompliziert die nächste Werkstatt finden oder auch eine im Handy gespeicherte Adresse ans Auto-Navi übertragen. Die Autobesitzer können einzelne Funktionen auch vom Sofa aus steuern – zum Beispiel die Tür verriegeln oder die Standheizung einschalten. Mitunter verfügen Autos sogar schon über eigene Sim-Karten, so dass sie sich bei Diebstahl oder einem Unfall aus der Ferne orten lassen – der sogenannte E-Call. Darüber sendet ein Auto nach einem Crash seinen Standort an die Notrufzentrale; ab April kommenden Jahres ist das für neu zugelassene Fahrzeuge Pflicht.

 

Was komfortabel klingt, hat allerdings auch erhebliche Schattenseiten, zeigt eine aktuelle Untersuchung der Stiftung Warentest für die Oktober-Ausgabe der Zeitschrift „test“. 26 Apps von 13 großen Herstellern wurden überprüft – mit ernüchterndem Ergebnis: „Der Datenschutz bleibt bei allen Herstellern mehr oder weniger auf der Strecke“, fasst Stiftung-Warentest-Projektleiterin Simone Vintz zusammen. Sämtliche Apps würden „mehr Daten als nötig“ versenden – und die Nutzer bekommen davon kaum etwas mit.

Fragen zu ihrem Umgang mit Daten wollten die Autohersteller mehrheitlich nicht beantworten

Fragen zu ihrem Umgang mit Daten wollten die Autohersteller obendrein mehrheitlich nicht beantworten: Lediglich Daimler antwortete auf die Fragen der Warentester, zwölf weitere Autobauer – darunter Massenhersteller wie VW, Peugeot, Fiat und Opel – wollten sich nicht dazu äußern. Klare, verständliche Datenschutzerklärungen liegen für keine der Apps vor, womit sich die Autohersteller rechtlich in einer Grauzone bewegen. Denn laut Bundesdatenschutzgesetz und Telemediengesetz dürfen personenbezogene Daten nur erhoben werden, wenn die Person eingewilligt hat. Sie muss über die Datensammelei umfassend aufgeklärt werden.

Der Blick ins Kleingedruckte ist zudem mitunter beängstigend: Elektroauto-Vorreiter Tesla kann demnach beispielsweise auch per Fernzugriff Daten zum Fahrstil und Videomaterial von Fahrzeugkameras sammeln und sogar mit Informationen von Dritten wie etwa Marketingfirmen, Werkstätten oder Datenbanken ergänzen. Andere Hersteller sammeln auch Informationen über das verwendete Handy. Nahezu alle Apps übermitteln zudem nicht nur den Namen des Nutzers, sondern auch dessen Geburtsdatum, Anschrift sowie die Identifikationsnummer des Fahrzeugs. Das mag erstmal relativ harmlos klingen, widerspricht aber dem Grundsatz der Datensparsamkeit. „Apps sollten nur solche Infos erheben, die für ihre Funktion nötig sind“, betont Expertin Vintz.

Das intransparente Vorgehen der Autohersteller widerspricht den Wünschen ihrer Kunden

Das intransparente Vorgehen der Autohersteller widerspricht zudem den Wünschen ihrer Kunden: In einer Umfrage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gaben 90 Prozent der Befragten an, dass die Datenverwendung einzelner Dienste und Anwendungen im Auto mit wenigen Klicks erkennbar sein müsse. Zudem erklärten 92 Prozent der Befragten, dass sie digitale Dienste und Anwendungen im Auto inklusive deren Datenverwendungen mit wenigen Klicks abschalten können möchten. Ein Weiterverkauf von Daten an Dritte (87 Prozent) sowie die Nutzung von Daten für die Erstellung von Bewegungsprofilen (75 Prozent) oder gar für Werbezwecke (81 Prozent) stößt bei der großen Mehrheit der Befragten auf Ablehnung. „Dies zeigt deutlich, dass die Kunden die Entscheidungsfreiheit haben wollen, was den Grad der Vernetzung und die Verwendung ihrer Daten betrifft“, sagt Ayten Öksüz vom Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale NRW. Die Menschen hätten klare Erwartungen in Sachen Datenschutz. „Sie wollen einen genauen Überblick über die Verwendung ihrer Daten und Möglichkeiten, diese zu kontrollieren“, betont die Verbraucherschützerin.

Auch beim vernetzten Auto dürften kommerzielle Interessen nicht Vorrang vor dem Recht auf Privatsphäre haben, betont Marion Jungbluth, Teamleiterin Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). „Die Datennutzung rund ums Auto wird für die Verbraucher zunehmend unüberschaubar, während die unterschiedlichen Anbieter durch die Digitalisierung Fakten schaffen.“

Die nächste Regierung müsse die Datennutzung regulieren, fordern Verbraucherschützer

Der Verband hat von der Düsseldorfer Rechtsanwaltskanzlei Baum, Reiter & Collegen, der auch der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) angehört, ein Rechtsgutachten zu der Thematik anfertigen lassen. Demnach müssten die im vernetzten Auto erhobenen Daten vor Manipulation und unbefugter Verwendung geschützt werden, zudem müsse die Verwendung der Daten für Verbraucher transparent und leicht erkennbar sein. „Mit intelligenten Verkehrssystemen können eine Vielzahl personenbezogener Daten verarbeitet werden. Um Vertrauen zu schaffen, müssen neue neutrale Instanzen geschaffen werden“, so Gutachter Gerhart Baum. Er schlägt vor, ein Trust Center für Mobilitätsdaten einzurichten, das eine Vermittlerrolle zwischen Dateninhabern und berechtigten Dritten wie etwa der Polizei übernehmen könnte. Denn schließlich könnten sich etwa bei einem Unfall oder anderen Verkehrsverstößen auch die Behörden für die vom Fahrzeug und den verbundenen Apps erhobenen Daten interessieren.

Die nächste Bundesregierung müsse die Datennutzung bei vernetzten Fahrzeugen schnell und umfassend regulieren, fordert VZBV-Expertin Jungbluth. Bis es soweit ist, sollten Autobesitzer lieber eine App zu wenig als eine zu viel installieren – und so sparsam wie möglich mit ihren Daten umgehen. Denn so unbeobachtet wie manch einer glaubt, ist man in seinem Auto längst nicht mehr.