Mit dem digitalen Radiosender „Bayern Heimat“ ist dem Bayerischen Rundfunk ein Kunststück gelungen: Es zeigt die Heimat jenseits des Komödienstadels.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Frühmorgens, wenn der Tag anfängt, einem mit seinem Getöse entgegen zu schwappen, ist der Mensch am empfindlichsten: Nachteulen noch mehr als Lerchen, versteht sich. Wir reden von der 5-6-7-Uhr-Schiene. Wer zu dieser Zeit schon Ansprache durchs Radio verträgt, hatte beim analogen Bayerischen Rundfunk bis 2010 folgende Auswahl: Hits von vorvorgestern auf Bayern 1, Hits von vorgestern auf Bayern 3, naturgemäß ernste Musik auf Bayern Klassik und eine alle 15 Minuten erneuerte aktuelle Nachrichtensendung auf B 5 Aktuell. Aus dem Rahmen fiel Bayern 2, das bis zur „Radio Welt“ um 7 Uhr den „Heimatspiegel“ brachte: hübsch feuilletonistisch angehauchte Geschichten von Land und Leuten, grundiert mit Musik, die absolut stadlfern war. Originäre Volksmusik halt. Danach wurde die Sendung auf eine Stunde zusammengekürzt und drohte ganz aus dem Programmschema zu fallen. Volksmusik, hieß es, habe keine Lobby mehr unter den Leuten, und tatsächlich hielt ausgerechnet der BR im Abendprogramm auf Bayern 1 fast schon verschämt lediglich ein weiteres Stünderl mit Stubnmusi bereit.

 

Blasmusik oder News-Fanfaren?

Und heute? Seit einem Monat sind es 24 Stunden Volksmusik auf „Bayern Heimat“, zu empfangen über DAB+, Kabel, Satellit. Was passiert ist? Folgendes:

Zum einen war die Geschichte von der fehlenden Lobby eine Mär. Es fehlte nie an Publikum für – wie gesagt – qualitätsvolle Volksmusik. Wohl aber fehlte es an einer Leitung, die ein Ohr für diese Bedürfnisse hatte. Der bis 2014 amtierende Hörfunkdirektor Johannes Grotzky, ein gebürtiger Hildesheimer mit Auslandskorrespondentenerfahrung, war nämlich ein Anhänger der These, der Mensch als Hörer brauche – gerade am Morgen – nichts als Neuigkeiten und bestimmt keine traditionsverhaftete, womöglich auch noch blechblasmusikdominierte Musik. Und Grotzky stand meinungsmäßig beileibe nicht alleine.

Der gerade vom Rundfunkrat für eine zweite Amtszeit vorgeschlagene Intendant Ulrich Wilhelm nun, in München geboren, setzte von 2011 an stark auf ein Digitalisierungskonzept. Dieses wird unter anderem Bayern Klassik von 2018 an aus dem UKW-Netz katapultieren, wo stattdessen der Jugendsender Puls etabliert werden soll. Das scheint, von heute aus gesehen, immer noch ein unlogischer, ja falscher Schritt – und hat Wilhelm nicht wenig Kritik eingebracht. An der digitalen Etablierung von „Bayern Heimat“ indes mochte sich bis jetzt kein Mensch stoßen, erst recht nicht, seitdem das Programm steht. Vier Wochen sind seitdem ins Land gegangen, und der Redaktionsleiter von „Bayern Heimat“, Xaver Frühbeis, verzeichnet geradezu massenhaft Zustimmung – und zwar aus der ganzen Welt. Über 20 000 Aufrufe sind es allein auf der Facebook-Seite. Exil-Bayern in aller Welt nehmen Anteil, aber eben nicht nur Exilanten – und ganz gewiss nicht nur Bayern allein.

Traditionen, reloaded

Selbstverständlich ist das Programm freistaatfixiert, und vorwiegend gemäßigt genutzter oberbayerischer Dialekt gehört zur Grundausstattung des Personals. Dennoch weicht „Bayern Heimat“ oft geradezu elegant dem Verdacht aus, mundartlich geprägte Sendungen müssten immer gleich tümlich, also provinziell sein. Davon kann keine Rede sein. Nachrichten, die im weitesten Sinn Bayern betreffen, werden journalistisch sauber aufbereitet und kritisch kommentiert. Da geht es sowohl auf Bayern 1 wie auf Bayern 3 teilweise niveauärmer und seichter zu. Auch und gerade musikalisch versucht „Bayern Heimat“ mehr als Mainstream zu liefern, ausdrücklich in Formaten wie „Tradimix“, wo Volksmusik „reloaded“ wird. Selbst die lediglich als „Ratsch“ deklarierten zwei Talkstunden von 10 bis 12 Uhr, die simpel nach dem Oberland-Gruß „Habe die Ehre!“ betitelt sind, halten Fragen bereit, die nicht nur dazu dienen sollen, eine oberflächliche Wohlfühlatmosphäre herzustellen. Im Übrigen dauert der „Heimatspiegel“, der analog nach wie vor um 5 Uhr auch auf Bayern 2 startet, auf „Bayern Heimat“ jetzt satte 3 Stunden – und auf keiner Programmschiene dürfte man das ehemalige Pausenzeichen des Bayerischen Rundfunks, den Anfang der Melodie „So lang der alte Peter . . .“, so häufig hören wie im neuen Digitalkanal: auf dem Hackbrett oder von der Klarinette gespielt. Am Ende überwindet der Bayrische Rundfunk so auch eine eher unselige Zweckgemeinschaft. Bisher nämlich war die Volksmusik auch bei „Bayern Plus“ beteiligt, das neuerdings komplett und pur im Studio Franken produziert wird. „Bayern Plus“ spielt den ganzen lieben, langen Tag: Schlager. Wer’s mag . . .