Digitalisierte Landwirtschaft Richtig düngen für das Klima

Auf jedem Quadratmeter die gleiche Menge Dünger? So arbeiten aktuell viele Landwirte (oben). Wissenschaftler Bökle (unten) möchte, dass Landwirte mit ihren Gülleschleppern Dünger möglichst zielgenau ausbringen. Foto: dpa/Schulze, Lucas Zender, Schraml

Passgenaue Düngung ist wichtig für die Umwelt. Neue Methoden sollen nun die heimische Bodenqualität sichern und stabile Erträge trotz Klimakrise ermöglichen. Angesichts Engpässen auf dem Getreidemarkt könnte dies entscheidend sein.

Es ist Ende April, und Landwirt Frieder Blum wartet auf das richtige Wetter. Sobald der Wetterbericht einen trockenen Tag für Mosbach im Norden des Landes verspricht und Regen in den folgenden Tagen zu erwarten ist, wird er viele Hektar zum ersten Mal in diesem Frühjahr mit Gülle düngen. Doch statt die nährstoffreiche Flüssigkeit gleichmäßig auf den Feldern auszubringen, auf denen danach Mais ausgesät wird, orientiert sich Blum diesmal an einer Karte, die das Feld in verschiedene Zonen einteilt. In manchen, besonders fruchtbaren Abschnitten können Wasser und Nährstoffe von den Maispflanzen leichter aufgenommen werden – hier ergibt es Sinn, mehr Dünger auszubringen. Auf anderen Flächen mit geringerer Fruchtbarkeit wird entsprechend weniger gedüngt. Projiziert auf den Monitor in der Kabine kommunizieren die Daten mit einem Sensor am Güllefass. Jeder Quadratmeter bekommt so nur die Menge an Nährstoffen, die der Acker für den optimalen Ertrag, den jeder Landwirt anstrebt, braucht.

 

Düngen: nicht nach Augenmaß

Blum ist einer der wenigen Landwirte in Baden-Württemberg, die teilflächenspezifische Düngung austesten und die Anwendung neuer technologischer Möglichkeiten in der Landwirtschaft vorantreiben. Gülle nach Augenmaß auf Ackerflächen zu verteilen entspricht nicht den Vorstellungen moderner Landwirtschaft, findet der Hohenheimer Agrarwissenschaftler Sebastian Bökle, der Blum unterstützt. „Gülle ist ein wertvoller Dünger, der für bessere Erträge und gesunde Äcker sorgt“, sagt Bökle. Viel Stickstoffdünger, sowohl jener aus der Nutztierhaltung als auch chemisch hergestellter, mineralischer Dünger, kann jedoch Umwelt und Gewässern schaden – und die Klimaerwärmung vorantreiben. Denn das aus der Gülle entweichende Ammoniak ist dreimal so klimaschädlich wie CO₂. Wird Gülle bedarfsgerecht und zugleich mit der passenden Maschinerie möglichst nah am Boden ausgebracht, kann dieser Effekt deutlich reduziert werden.

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Gemeinsam mit Landwirten aus Baden-Württemberg haben es sich Bökle und seine Kollegen zum Ziel gesetzt, möglichst vielen Betrieben im Land eine spezifische Düngung zu ermöglichen. Ihr Projekt „Maschinenring Digital“ mit einer Laufzeit von 2018 bis 2022 wird von der EU gefördert und bringt Landwirte, Maschinenringe und landwirtschaftliche Forschungszentren zusammen und soll bei der überbetrieblichen Umsetzung unterstützen.

Digitale Innovation ermöglichen

Besonders für kleinere Familienbetriebe, von denen es in der Region viele gibt, ist der Zugang zu digitalen Innovationen schwierig, denn die Kosten für moderne Technik und Sensorik sind hoch, der Zeitaufwand für die Einarbeitung in die neue Software ist erheblich, weiß Bökle aus Gesprächen mit Landwirten. Integriert in einen Maschinenring, in dem sich Betriebe zusammenschließen, um Maschinen abwechselnd zu nutzen, wäre der Einsatz von innovativer Landtechnik jedoch realistischer, denkt Bökle. Ein für das Projekt konzipierter Hofserver ermöglicht es, Daten internetunabhängig zu speichern und eine teilflächenspezifische Düngung auch ohne optimale Internetgeschwindigkeit durchführen zu können.

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Auch für gesunde Böden, auf denen Landwirte zum Beispiel Getreide anbauen wollen, ist der optimale Nährstoffgehalt von Bedeutung. Wird Dünger in der richtigen Menge ausgebracht, kann sich ein Boden mit hohem Humusanteil ausbilden. Humus selbst ist ein wichtiger Wasserspeicher, der wertvolle Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor oder Kalium binden kann. Und je gesünder und nährstoffreicher Boden ist, desto resilienter ist die darauf wachsendende Frucht gegen Klimastress.

Guter Boden für volle Kornspeicher

Dass längere Trockenphasen der Landwirtschaft zu schaffen machen, zeigen sowohl die Erfahrungen der Landwirte als auch Daten der Klimazentrale unserer Zeitung, welche das tagesaktuelle Wetter in Zusammenhang mit Langzeitmessungen setzt. Die Wetterstation Obersulm-Willsbach liegt nur 40 Autominuten von Mosbach entfernt, wo Blum die Felder düngt. Hier hat es im Vergleich zu früheren Jahrzehnten vor allem im März über 30 Tage gerechnet extrem wenig geregnet. Die durchschnittliche Temperatur und auch die Zahl der heißen Tage steigen dafür jährlich an, und das nicht nur in Baden-Württemberg, sondern in vielen Regionen Mitteleuropas. Ein humusreicher Boden, der Wasser aus regenintensiven Zeiten speichert und in Trockenperioden den Pflanzen wie ein Schwamm dienen könnte, ist daher für die Landwirtschaft wichtiger denn je. Wie relevant Ertragssicherung ist, macht die Lage am Weltmarkt deutlich. Wegbrechende Getreideimporte und stark steigende Einfuhrpreise lassen den Wunsch nach Kornspeichern mit in Deutschland angebautem Getreide steigen.

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Vorsorge ist Eigenverantwortung

Dass sich Landwirte auf die veränderten Umweltbedingungen einstellen, ist unabdingbar, sagt auch Martine Schraml vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg, das ebenfalls am Hohenheimer Forschungsprojekt beteiligt ist. Sie ist Expertin für die Anpassung des Pflanzenbaus an den Klimawandel: „Landwirte müssen zehn Jahre im Voraus denken“, rät sie. Die Grundeigenschaften des Bodens oder das Wetter können Landwirte zwar nicht beeinflussen. Dass sie Technologien wie teilflächenspezifische Düngung, neue Bewässerungssysteme oder hitzeresistentere Pflanzensorten in die routinierte Arbeit integrieren, liege jedoch in der Hand eines jeden Betriebes.

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Ob sich eine teilflächenspezifische Düngung tatsächlich durchsetzen wird, hängt davon ab, wie reibungslos die nächsten Düngungen funktionieren werden. Noch seien einige Landwirte in der Region skeptisch, sagt Blum, der selbst mit der neuen Düngung zufrieden ist. Technische Probleme gab es diesmal nicht. „Das Problem sitzt meist zwischen Lenkrad und Stuhllehne“, scherzt Blum, der mittlerweile Routine im Umgang mit Karte und Sensoren hat. Zumindest für die anstehenden Wochen ist der Mais, der in den nächsten Monaten kräftig wachsen wird, mit Nährstoffen versorgt. Im Spätsommer bei der Ernte wird sich zeigen, wie viel Ertrag aus den nach Berechnungen optimal gedüngten Feldern verladen werden kann.

Ist das noch Wetter oder schon Klima?

Die Klimazentrale
ist Teil des Datenprojekts „Klimazentrale Stuttgart“ von unserer Zeitung. Sie macht deutlich, wie stark globale Klimaveränderungen bereits heute im Land spürbar sind. Das tagesaktuelle Wetter wird mit Langzeitmessreihen ab 1961 verglichen.

Datengrundlage
Die Klimazentrale basiert auf Daten von 14 amtlichen Wetterstationen für die Region Stuttgart und die Region zwischen Heilbronn, Schwäbischer Alb und Nordschwarzwald. Die Daten sind frei zugänglich. Zur Klimazentrale:

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