Polen will nicht länger nur die billigen Arbeiten für westliche Nachbarn verrichten und setzt verstärkt auf Industrie 4.0. Das kann funktionieren, kommentiert Wirtschaftsredakteurin Inge Nowak.

Stuttgart - Wer an Polen denkt, denkt an eine verlängerte Werkbank: billige, technikaffine Arbeitskräfte übernehmen einfache, lohnintensive Arbeiten für westliche Hochlohnländer. Und es stimmt ja auch. Mit einem Durchschnittslohn von knapp 1000 Euro liegen die Vorteile polnischer Arbeiter auf der Hand. Hinzu kommt die räumliche Nähe zu Deutschland, was Auslagerungen für deutsche Maschinenbauer und Zulieferer noch attraktiver macht. Kein Wunder, dass 70 Prozent der deutschen Maschinenbau-Importe aus dem Nachbarland auf Teile und Komponenten entfallen, die hierzulande zu kompletten Systemen montiert werden.

 

Doch der östliche Nachbar will nicht länger nur die billigen Arbeiten verrichten, sondern hat zum Sprung angesetzt. Industrie 4.0 hat sich auch Polen auf die Fahnen geschrieben. Die Chancen für eine technologische Aufholjagd stehen gar nicht so schlecht. Das Land investiert massiv in Bildung. 434 Universitäten gibt es; jährlich machen 400 000 Studierende ihren Abschluss. Und immer mehr gehen in die gefragten Mint-Fächer – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Rund um Krakau etwa hat sich ein Zentrum für Software etabliert. Auch Elektromobilität und Automatisierung sollen forciert ausgebaut werden. Die Polen wollen ihre Spitzenkräfte nicht länger an mutmaßliche Hightechländer verlieren. Dank massiver Hilfen aus Brüssel – aus dem EU-Fördertopf stehen in den nächsten Jahren gut 82 Milliarden Euro zur Verfügung – wird auch die Infrastruktur massiv ausgebaut.

Die Herausforderung wird sein, die Menschen, die heute einfache Arbeiten verrichten, bei dieser Aufholjagd nicht gänzlich abzuhängen. Deutsche Unternehmen, die vielfach in Polen vertreten sind, erhalten so dringend benötigte Qualifikationen. Wer billige Arbeitskräfte sucht, muss mittelfristig aber wohl weiter ziehen.