Die Einführung der digitalen Bildungsplattform Ella verzögert sich. Manche Lehrer fragen sich, ob das 24 Millionen Euro teure Leuchtturmvorhaben überhaupt notwendig ist.

Stuttgart - Massive technische Probleme haben dazu geführt, dass die Bildungsplattform Ella (kurz für Elektronische Lehr- und Lernassistenz) nicht wie geplant in den Probelauf ging. Drei Tage bevor Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) öffentlichkeitswirksam den Startknopf drücken wollte, wurde der Beginn der Testphase auf unbestimmte Zeit vertagt. Das hat die Ministerin extrem verärgert. Doch auch ohne den Fehlstart gibt es Vorbehalte gegenüber dem ehrgeizigen Projekt.

 

Ella bietet laut Ministerium landesweit einheitliche dienstliche Emailadressen für die Lehrer, Cloudspeicher, dazu Möglichkeiten, gemeinsam Dokumente im Browser zu bearbeiten, außerdem würden dabei das Lernmanagementsystem Moodle sowie Unterrichtsmedien angeboten. Dafür stellt das Land 24 Millionen Euro bereit.

Hundert Schulen sollen das System testen, ehe es in die Fläche geht. Bei der Dienstbesprechung der Schulleiter und Netzwerkadministratoren der Erprobungsschulen in der Stuttgarter Staatsgalerie kurz vor dem geplanten Start, wurde nach Berichten von Teilnehmern deutliche Kritik laut. Vertreter von Schulen, die bereits über ein Intranet und eigene Email-Adressen verfügen, erklären, Ella bleibe hinter den Erwartungen zurück.

Eine Rektorin, die anonym bleiben möchte, bezeichnet das System gar als „Rohrkrepierer“ und argwöhnt, mit der Absage des Startschusses sei bereits ultimativ die Notbremse für die Plattform gezogen worden. Sie beklagt ein kompliziertes Anmeldesystem, bei dem eine TAN-Liste eingesetzt werde, wie sie im frühen Online-Banking notwendig war. „Fortschrittlich geht anders und praxisbezogen auch“, spottet sie. Das Geld hätte sich das Land sparen können. Die bundesweite Bildungsplattform des Hasso-Plattner-Instituts biete da sehr viel mehr.

System als steinzeitlich kritisiert

Begriffe wie Steinzeit seien gefallen bei der Dienstbesprechung, berichtet ein Vertreter einer großen beruflichen Schule in der Region. „Wir sind an unserer Schule schon viel weiter.“ Der Anbieter wolle nun zwar die TAN-Nummern auf die Handys schicken und die Liste überflüssig machen. Doch das stellt die Lehrer vor neue Probleme. Es gibt keine Diensthandys. Auch der Berufsschullehrer sieht keine rechte Notwendigkeit für die Plattform. „Musterlösungen, die das Land bereits anbietet, wären funktionaler“. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist ebenfalls skeptisch. „Die Plattform bedeutet einen hohen Aufwand bei der Einrichtung. Ob sich ein echter Mehrwert ergibt, bleibt abzuwarten“, meint Matthias Schneider von der Landes-GEW. Die Gewerkschaft trotzt der Digitalisierungseuphorie und meint „es gibt wichtigere Probleme im Bildungsbereich, die das Kultusministerium vorrangig anpacken sollte.“

Carmen Nasse, die Rektorin des Stuttgarter Ferdinand-Porsche Gymnasiums hat dagegen die Hoffnung, dass es klappt mit Ella. Für Schulen, die wie die ihre kein Intranet hätten, sei das Angebot an sicheren Emailadressen ein großes Plus. „Wir können uns mit anderen Schulen in einem rechtlich geschützten Raum austauschen“, lobt sie und dass vergleichbare Verhältnisse an allen Schulen hergestellt werden sollen.

Sie liebäugelt auch mit der bundesweiten Lösung des Hasso Plattner Instituts, die ihre Schule ebenfalls testen könnte. Das Institut biete bessere Angebote zur Unterrichtsvorbereitung, während sie bei Ella Vorzüge in der Verwaltung sieht. „Eine Mischung aus beidem wäre perfekt“, meint sie. Allerdings versteht sie nicht, „warum jedes Bundesland seine eigene Cloud macht“.

Plattform für 1,5 Millionen Nutzer

Die Kultusministerin sieht darin gerade einen Vorteil. Die Plattform solle eine sichere Basis liefern, auf der sich Lehrkräfte und perspektivisch auch Schüler und Eltern ohne rechtliche Bedenken bewegen können. „Wir müssen Alternativen zu sozialen Netzwerken bieten“. Die Server stehen in Baden-Württemberg. Das garantiere den Datenschutz und ermögliche, personenbezogene Daten, wie etwa Noten, in der Cloud zu speichern. Noch einen Vorteil sieht der Berufsschullehrer in dem landesweiten System: „Jetzt muss jede Schule ihr eigenes System verwalten, Ella würde zentral vom Kultusministerium administriert.“

Der erste Standort des Rechenzentrums ist in Karlsruhe, jetzt wurde ein zweiter in Stuttgart zugeschaltet. Das war ein Grund für die Verzögerung, erklärt Christian Leinert, der Präsident der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW), der das Projekt verantwortet. Auch bei dem Anmeldeproblem werde nachgebessert. Das Projekt ist ehrgeizig. Alle Schulen sollen auf die Plattform. „Das können 1,5 Millionen Nutzer werden“, schätzt Leinert. Ob die Einführung wie geplant Ende 2019 abgeschlossen sein werde, das wisse jetzt noch niemand. Fest steht für Leinert nach dem verpatzten Start: „Das nächste Mal muss es sicher laufen“. Einen Zeitplan möchte er lieber nicht nennen.