Inzwischen muss man die Länder mit der Lupe suchen, die nichts an den Plänen zur Neuordnung des Bildungsföderalismus auszusetzen haben. Aber so breit die Kritik ist, so vielfältig ist sie auch. Das macht die Suche nach einer Lösung schwierig und langwierig.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Politisch kann der Widerstand gegen die Grundgesetzänderung zur Neuordnung der Bildungsfinanzen kaum noch breiter werden. Die Reihe beginnt alphabetisch bei Baden-Württemberg (Grün-Schwarz), umfasst das schwarz-orange Bayern, Berlin (Rot-Rot-Grün), Bremen (Rot-Grün), Hessen (Schwarz-Grün), Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen (beide Rot-Schwarz), Nordrhein-Westfalen (Schwarz-Gelb), Sachsen (Schwarz-Rot), Sachsen-Anhalt (Kenia), Schleswig-Holstein (Jamaika) und reicht bis Thüringen (Rot-Rot-Grün). Sie alle haben signalisiert, dass sie ein Vermittlungsverfahren notwendig finden und den zuständigen Ausschuss anrufen wollen. Damit ist ziemlich sicher, dass die von der großen Koalition gemeinsam mit FDP- und Grünen-Fraktion beschlossene Verfassungsänderung im Bundesrat keine Mehrheit erhält.

 

Wie geht es jetzt weiter?

Es sind noch einige Variablen im Spiel, und hinter den Kulissen wird offenbar bereits heftig sondiert: Wo aus Sicht der Kritiker rote Linien verlaufen, wo Kompromisse denkbar, welche Allianzen möglich, welche Verfahrensregeln zu beachten sind und wahrscheinlich auch: wie hoch die Preise für eine Zustimmung wären. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kompromiss noch in diesem Jahr gefunden wird, geht nach Einschätzung von Experten gegen Null. Deshalb rechnet der Präsident der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter (Linke), auch damit, dass der Digitalpakt für die Schulen nicht wie geplant im Januar starten kann. Mit fünf Milliarden Euro vom Bund für fünf Jahre soll die Digitalisierung der Schulen gefördert werden.

Wieso geht das jetzt nicht schneller?

Das hat mit der schwierigen politischen Gemengelage zu tun, aber auch mit Fristen und der Entscheidungsfindung mehrerer Gremien in dieser Woche. Am Mittwoch treffen sich die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin und werden auch über diesen Streitpunkt beraten. Am Mittwoch entscheidet sich auch, ob der Bundesrat in seiner nächsten Sitzung am 14. Dezember das Thema berät. Nur wenn das so festgelegt wird, kann die Länderkammer den Vermittlungsausschuss anrufen, der sich noch konstituieren und seine Vorsitzenden bestimmen muss. Zusammentreten kann das Gremium frühestens fünf Tage nach seiner Anrufung – also vom 20. Dezember an. Selbst wenn das so käme und schon bei der ersten Sitzung ein Kompromiss in dieser verfahrenen Lage gefunden würde, ist unwahrscheinlich, dass dies schon zum Jahreswechsel Früchte trägt: Nach erfolgreicher Vermittlung müssten Bundestag und Bundesrat in Sondersitzungen vor Weihnachten oder zwischen den Jahren eine neue Grundgesetznovelle beschließen. Am Donnerstag berät die Kultusministerkonferenz. Dort wird offenbar ein Plan B gesucht, wie der Digitalpakt ohne Grundgesetzänderung zu realisieren wäre.

Was macht die Einigung schwierig?

Die Schweriner SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist überzeugt: „Der vorliegende Plan ist für keine Landesregierung zustimmungsfähig.“ Das sagte sie der „Bild“-Zeitung. Allerdings sind die Kritiker untereinander uneins. Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann hat am Montag gegenüber unserer Zeitung noch einmal bekräftigt, dass er im Grunde gar keine Verfassungsänderung, sondern lediglich eine andere Steuerverteilung will. „Damit das Geld in die Länder fließt, braucht es keineswegs eine Grundgesetzänderung“, erklärte er. „Dazu müssen nur die Steuereinnahmen so verteilt werden, dass die Länder diese Aufgabe erfüllen können.“ Länder wie Niedersachsen, Berlin und Bremen dagegen reiben sich vor allem an der vom Bund vorgesehenen Lastenteilung, die eine Kofinanzierung der Länder von fünfzig Prozent vorschreibt.

Welche Reaktionen gibt es?

Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer forderte die Kanzlerin auf, „bei den Länderchefs der CDU/CSU dafür zu sorgen, dass diese Reform nicht an der Union scheitert“. Grünen-Faktionsvize Katja Dörner nannte die Initiative der Ministerpräsidenten „schwer nachvollziehbar“. Regierungssprecher Steffen Seibert nannte die Grundgesetzänderung eine „wichtige Voraussetzung“, damit die fünf Milliarden Euro aus dem Digitalpakt fließen können.