Die Bundesregierung will das Land in Sachen Digitalisierung weit nach vorne bringen: Vom „Netflix der Weiterbildung“ zu superschnellem 5G-Handynetz entlang der Autobahnen und 100 zusätzlichen KI-Professuren – wir stellen die wichtigsten Punkte vor.

Berlin - „Der digitale Wandel verändert unsere Art zu leben, zu arbeiten und zu lernen fundamental und mit rasanter Geschwindigkeit“, heißt es im Regierungsprogramm „Digitalisierung gestalten“, das vom Kabinett an diesem Donnerstag zum Abschluss seiner Klausurtagung beschlossen wird und unserer Zeitung vorliegt. Eine Fülle einzelner Projekte und Gesetzesvorhaben, die teils bereits angestoßen wurden, werden in der sogenannten „Umsetzungsstrategie“ in fünf große Handlungsbereiche zusammengefasst und mit genauen Terminen versehen. Auf der Internetseite digital-made-in.de soll künftig regelmäßig über den Stand der Dinge berichtet werden.

 

Digitale Kompetenzen

Das Bildungssystem soll im Zusammenspiel mit den Bundesländern viel stärker auf die Anforderungen der Zukunft ausgerichtet werden. Zentrales Instrument dafür ist der Digitalpakt Schule, mit dem an allen 43 000 allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland ein digitales Lernumfeld aufgebaut werden soll. Bis 2021 stehen dafür 3,5 Milliarden Euro bereit – die dafür vorgesehene Grundgesetzänderung, die die Regierung bis Jahresende über die Bühne bringen will, stößt jedoch auf massiven Widerstand der Länder, vor allem Baden-Württembergs.

Für Mitte 2019 wird eine nationale Weiterbildungsstrategie angekündigt. Die Kenntnisse der Arbeitnehmer sollen so, wie es schon im Koalitionsvertrag heißt, „mit der wachsenden Dynamik veränderter Qualifikationsanforderungen Schritt halten“. In der Koalition werden durchaus radikale Modelle diskutiert, etwa ein „Netflix der Weiterbildung“. Dem CDU-Parteitag im Dezember liegt ein Antrag vor, eine bundesweit zentrale, aber individuell anzupassende Plattform einzurichten – mit allen Angeboten und Kompetenzpunkten für absolvierte Online- oder Offline-Kurse.

Zudem werden kleine Firmen gefördert, wenn sie Mitarbeiter digital fortbilden. Es wird Kampagnen geben, die Senioren über digitale Lebenshilfe sowie Frauen und Mädchen über Gewalt im Netz aufklären.

Infrastruktur und Ausstattung

Leistungsfähige Netze sind nicht gleichbedeutend mit Digitalisierung, aber doch die Voraussetzung dafür. Die Regierung will nun in verschiedenen Etappen dafür sorgen, dass die ganze Bundesrepublik bis 2025 „über gigabitfähige Netze versorgt wird“ – auch auf dem Land. Auf dem Weg dahin sollen den Mobilfunkanbietern bei der nächsten Frequenzvergabe 2019 Auflagen zum Stopfen von Funklöchern gemacht werden. Das superschnelle 5G-Handynetz soll in fünf Testregionen bis 2021 und entlang der Autobahnen gefördert werden – was Grundlage für das autonome Fahren sein wird. Eine milliardenschwere Förderung des Bundes für private Investoren gibt es „in wirtschaftlich schwer erschließbaren Ausbaugebieten“ auch beim Glasfasernetz.

Einen besonderen Fokus legt die Bundesregierung auf den Gesundheitssektor. Bis Ende 2019 sollen alle Ärzte, Zahnärzte, Apotheken und Krankenhäuser an die sogenannte Telematik-Infrastruktur angeschlossen sein, mit der sensible medizinische Daten sicher ausgetauscht werden können – parallel sollen gesetzliche Rahmenbedingung für die Nutzung elektronischer Patientenakten geschaffen werden.

Innovation und digitale Transformation

Künstliche Intelligenz gilt als einer der Zukunftsmärkte schlechthin. „Wir werden dabei den Nutzen für die Menschen in den Mittelpunkt stellen“, verspricht nun die Bundesregierung in ihrer KI-Strategie, die vor allem ein Ziel verfolgt: Die anerkannt gute Forschung in Deutschland auf diesem Gebiet soll auch „auf die Straße“ gebracht werden. Drei Milliarden Euro will die Regierung bis 2025 investieren, um Deutschland zu „einem weltweit führenden Standort für KI“ zu machen. Der Verband Bitkom hat das bereits als „bei Weitem nicht“ ausreichend, die mindestens 100 zusätzlichen KI-Professuren an deutschen Unis dafür als „starkes Signal“ bezeichnet.

Aus einer Fülle einzelner Projekte stechen in diesem Bereich die Förderung von Computerspieleherstellern, Start-Up-Unternehmern oder der besseren Kooperation von Universitäten und Unternehmen hervor. Für den Umgang mit technisch generierten Kryptowährungen wie Bitcoin wird das Bundesfinanzministerium nun eine eigene „Blockchain-Strategie“ entwerfen und sich für eine internationale Regulierung einsetzen.

Gesellschaft im digitalen Wandel

„Digitalisierung braucht Werte“, heißt es in dem Regierungspapier. Sie werde nur dann zu einem echten Fortschritt führen, „wenn er von allen gesellschaftlichen Gruppen angenommen wird und seine Chancen allen Gruppen gleichermaßen offenstehen“. Eine bereits installierte Datenethikkommission soll versuchen, den Konflikt zwischen persönlichem Datenschutz und der intensiven Datennutzung in neuen Anwendungsgebieten zu lösen. Beispielhaft ist daran gedacht, massenhaft Computertomografie-Bilder für die Krebsfrüherkennung bereit zu stellen – nachdem die Daten über einen sogenannten Treuhänder anonymisiert wurden.

Zu den vielen Einzelpunkten gehört zum Beispiel, Haftungsfragen bei künftig autonom fahrenden Autos zu klären. Verbraucherschutzministerin Katarina Barley wiederum lässt prüfen, inwiefern „Algorithmen-basierte Entscheidungen“ von Facebook oder Google in Bezug auf „mögliche unzulässige Diskriminierungen, Benachteiligungen und Betrügereien überprüfbar gemacht werden können“.

Moderner Staat

Vieles von dem, was der Staat tut, soll digital werden – von der Patienteninformation über die Zollabwicklung bis zum öffentlichen Beschaffungswesen. Das für die Mehrzahl der Bürger sichtbarste Projekt soll das einheitliche Bürgerportal für 115 Verwaltungsverfahren des Bundes und weitere 460 in den Bundesländern werden. „Bis Ende 2022 werden alle Verwaltungsleistungen auch online in Anspruch genommen werden können“, verspricht die Regierung – Ende 2020 sollen es bereits 90 Prozent sein: „Und damit meinen wir nicht die bloße Onlinestellung von PDF-Dateien.“