Notenbankchef Jens Weidmann betrachtet die Digitalwährung zwar als großes Risiko für Anleger. Für das Finanzsystem insgesamt stelle sie derzeit aber keine Gefahr dar. Der Einstieg von zwei US-Börsen ins Bitcoin-Geschäft könnte das langfristig allerdings ändern, warnt ein Experte.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Bundesbank betrachtet die Digitalwährung Bitcoin als großes Risiko für Anleger, aber nicht für das Finanzsystem insgesamt. „Nur, weil Anleger Geld verlieren können, ist das noch lange kein Grund einzuschreiten“, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Montagabend vor Journalisten in Frankfurt. Es sei nicht Aufgabe der Finanzaufsicht, zweifelhafte Investitionen zu verhindern, solange davon „kein systemisches Risiko“ ausgehe. Schließlich gebe es auch Menschen, die hunderte Millionen Euro in ein einziges Kunstwerk steckten. „Es gibt viele Möglichkeiten, unvernünftig zu handeln und sein Geld zu verlieren“, sagte Weidmann.

 

Die Digitalwährung Bitcoin jagt seit Wochen von einem Rekord zum nächsten. Da sie nur von wenige Online-Shops als Zahlungsmittel akzeptiert und von keiner Notenbank kontrolliert wird, könnte sie eines Tages aber auch jeglichen Wert verlieren und den betroffenen Anlegern einen Totalverlust bescheren.

Ex-Bundesbankchef für Regulierung

Weidmanns Vorgänger, der frühere Bundesbankpräsident Axel Weber, hatte sich am Wochenende für ein Einschreiten der Aufsichtsbehörden ausgesprochen. „Ich würde eine Auseinandersetzung der Regulatoren mit den Kryptowährungen sehr begrüßen. Dies würde helfen, die unkontrollierten Preissteigerungen in geordnete Bahnen zu lenken“, sagte Weber, heute Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS, der „NZZ am Sonntag“. Kleinanleger müssten geschützt werden.

Eine deutliche Warnung vor Bitcoin kam außerdem vom dänischen Notenbankchef Lars Rohde: „Bleiben Sie weg. Das ist tödlich“, sagte Rohde dem Radiosender DR in einem Interview. Ähnlich wie sein Kollege Weidmann betonte aber auch der dänische Notenbankchef: Das liegt nicht in der Verantwortung der Behörden. Es liegt in der Verantwortung des Einzelnen.“

Frankreich will Thema bei G20 auf den Tisch bringen

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire kündigte unterdessen an, innerhalb der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) über eine mögliche Regulierung sprechen zu wollen. „Ich mag ihn nicht. Er kann Aktivitäten wie Drogenhandel oder Terrorismus verschleiern“, sagte Le Maire mit Blick auf den Bitcoin im französischen Fernsehen. Da Zahlungen mit Bitcoin weitgehend anonym ablaufen, ist die Digitalwährung auch bei Kriminellen beliebt.

Entwickelt wurde Bitcoin, um Transaktionen über das Internet direkt vom Zahler zum Empfänger ohne Einschaltung einer Bank zu ermöglichen. Es gibt mittlerweile einige Online-Shops, die Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren. Hauptsächlich wird die Digitalwährung aber von Anlegern gehortet, die auf einen weiteren Wertzuwachs spekulieren. Der Kurs war am Wochenende an einigen Online-Handelsplätzen vorübergehend über 20 000 Dollar (17 000 Euro) gestiegen.

Neue Börsenprodukte erhöhen Risikopotenzial

Getrieben wird die Rekordjagd unter anderem dadurch, dass zwei Börsen in Chicago Bitcoin salonfähig machen wollen: Nach der Optionsbörde CBOE führte am Sonntag auch die weltgrößte Terminwarenbörse CME Finanzprodukte ein, mit denen Investoren auf die Entwicklung des Bitcoin-Kurses wetten können. „Wenn in das Geschäft mit Bitcoin-Terminkontrakten eines Tages im großen Stil Banken einsteigen, die stark gehebelt sind – also mit geliehenem Geld hohe Risiken eingehen – dann wäre das durchaus ein Problem für die Finanzstabilität“, sagte Professor Tobias Berg von der Frankfurt School of Finance unserer Zeitung. Noch sei dies aber nicht der Fall.

„Bislang sind die Volumina, die an den US-Terminbörsen CBOE und CME gehandelt werden, sehr klein. Die Umsätze mit Bitcoin-Terminkontrakten liegen bei 50 bis 100 Millionen Dollar pro Tag. Zum Vergleich: Der Handel mit Devisenkontrakten beläuft sich allein in den USA auf rund 1300 Milliarden Dollar am Tag“, sagte Berg. Anders ausgedrückt: Die Einsätze bei den Bitcoin-Wetten machen nur einen Bruchteil der Summen aus, die bei Absicherungs- und Spekulationsgeschäften mit offiziellen Währungen im Spiel sind.

„Bitcoins bestehen nur aus Einsen und Nullen“

„Bei den aktuellen Volumina macht sich noch keiner Sorgen um die Finanzstabilität, selbst bei einer Verhundertfachung der Umsätze wäre das noch nicht der Fall. Es ist allerdings schwierig, einen Schwellenwert zu definieren, ab dem es kritisch wird“, gab Berg zu bedenken. Immerhin träfen die US-Börsen gewisse Schutzvorkehrungen: Sie verlangten von Investoren, die mit den Bitcoin-Terminkontrakten handelten, sehr hohe Sicherheiten. Wer etwa bei der CME eine Million Dollar auf eine bestimmte Kursentwicklung verwette, der müsse dafür 430 000 Dollar als Sicherheit vorhalten.

Für die Börsen erschließe sich mit der Einführung der Bitcoin-Terminkontrakte eine neue Einnahmequelle, weil sie Handelsgebühren einstrichen. „Ob diese Geschäfte volkswirtschaftlich sinnvoll sind, steht auf einem anderen Blatt“ sagte Berg. „Schließlich sind Bitcoins fundamental nichts wert, sie bestehen nur aus Einsen und Nullen.“

Auch die Deutsche Börse denkt über Terminkontrakte auf Bitcoin nach, wie die „Wirtschaftswoche“ berichtete. Vor einer möglichen Einführung müssten aber noch zahlreiche Fragen geklärt werden, nicht zuletzt mit den Regulierungsbehörden, sagte eine Börsensprecherin auf Nachfrage.