Der Milliardär Andy Fang will mit seinem Liefer-Riesen Doordash Deutschland erobern – von Stuttgart aus. Wir haben ihn gefragt, was die Landeshauptstadt als Startpunkt der Expansion so reizvoll macht.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Für einen Helden aus dem Silicon Valley ist Andy Fang auffallend schick gekleidet. Der 29-Jährige mit chinesisch-amerikanischen Wurzeln widersetzt sich voll dem Image.

 

Die erfolgreichen Typen aus der US-Hightech-Region, die 30-mal (oder noch mehr) so viel verdienen wie die deutsche Bundeskanzlerin, tragen bevorzugt T-Shirts, Super-Slim-Wollpullover, Jeans, Turnschuhe. Keine Manschettenknöpfe sieht man an ihren Handgelenken, sondern die Smartwatch. Gut, ein Anzug ist’s noch nicht, auf den sich der Mitgründer des Liefer-Riesens Doordash, des amerikanischen Marktführers, beim vegetarischen Dinner mit den neuen Stuttgarter Geschäftspartnern im Killesberg-Restaurant Bellevue einlässt. Zu seinen blauen Edel-Jeans aber hat er ein blütenweißes Hemd, ein blaues Sakko und schwarze Schuhe (keine Sneakers) angezogen. Sein Lächeln erscheint asiatisch-zurückhaltend, ist aber sehr bestimmt.

Der US-Marktführer wird mit 67 Milliarden Dollar bewertet

Die Zahlen, die man zu seiner Person beim Googeln findet, sind atemraubend. Sein Vermögen, schreibt das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“, beträgt aktuell 3,2 Milliarden US-Dollar. Als Plattform für Restaurantessen-Bestellungen setzt Doordash nach eigenen Angaben 2,6 Milliarden Dollar um und wird mit 67 Milliarden Dollar bewertet. Die Aktienkurse sind 2021 um 70 Prozent gestiegen. Jüngst hat die Jungfirma dreifach in Europa zugeschlagen: Mit umgerechnet 352 Millionen Euro beteiligt sie sich am Berliner Lieferdienst Flink. Für sieben Milliarden Euro hat sie den finnischen Anbieter Wolt übernommen. Und will zum Dritten mit Doordash auch noch den deutschen Markt erobern – in Stuttgart geht’s furios damit los. Jetzt steht Fang, dessen Jeanstasche ausgebeult ist vom Handy, in der Küche des Restaurants Bellevue und holt sich bei Küchenchef Timo Kadner seine Schale mit Knödeln, Cranberry-Schaum, Zitronensaitling und dem Pilz Krause Glucke ab. Das Dinner soll zum Erlebnis für den Big Boss und seinen 30 Gästen werden, wozu der Gang zum Herd gehört. Allein der Blick aufs nächtliche Stuttgart vom Killesberg aus ist fantastisch. „Sieht aus, als wäre ganz hinten das Meer“, sagt einer aus dem Fang-Team.

Der Big Boss hat in Stuttgart sechs Essen mit dem E-Bike ausgefahren

Stimmt es, was „Forbes“ über den berühmten Start-up-Unternehmer schreibt, dass er also dreifacher Milliardär ist? Andy Fang lächelt und zögert mit der Antwort. Dann sagt er: „This is private.“ Sein Vermögen ist privat, na klar. Falsch jedoch ist, dass er mit dem Privatjet nach Stuttgart geflogen ist – nein, er kam ganz normal mit Linie.

Und obendrein hat er Essen ausgefahren mit dem E-Bike im Kessel, wie er berichtet, um zu wissen, was auf seine Leute am ersten deutschen Standort dazukommt.

Ist gute PR! Der Chef packt selbst an! „Eure Stadt liegt schön, aber die Hügel strengen an“, sagt er. Sechs Touren habe er übernommen. Dazu trug er ein Sweetshirt mit der Aufschrift „VfB Stuttgart“. Einmal habe er sich in einem Wohnblock verirrt. Ohne E-Bike, ist ihm klar, sei der Lieferdienst in den Cleverly Hills von Stuttgart kaum zu bewältigen. Warum sich die Kalifornier zum deutschen Start gerade Stuttgart ausgesucht haben (auch Blumen und Hundefutter werden hier ausgeliefert)? Ein Mitarbeiter seiner Agentur sagt es schmunzelnd freiheraus: „Ihr in Stuttgart seid halt Durchschnitt.“

Wer es in Stuttgart schafft, schafft es überall

Für Strategen ist so ein Durchschnitt viel Wert. Die Stadt gilt als repräsentativ. Motto: Wer es in Stuttgart schafft, schafft es überall. In Berlin oder Hamburg wäre die Konkurrenz noch größer. Seit Wochen klappern die Dasher Restaurants und Läden in Stuttgart ab, um für ihre Geschäftsidee zu werben. Die Provision beträgt im Schnitt 15 Prozent. In der Pandemie sind die Umsätze mit Lieferdienste explodiert. In diesem Bereich sei der deutsche Markt „unterversorgt“, erklärt Andy Fang beim ersten Stuttgart-Besuch seines Lebens. 90 Prozent der deutschen Restaurants seien noch nicht auf einer Lieferplattform gelistet. Weil es so viel zu tun gibt, hat er keine Zeit für Besuche in den Mercedes- oder Porsche-Musseen, von denen er viel gehört hat. Dass Stuttgart die Stadt der Baustellen ist, hat er natürlich gesehen – allein schon von der Präsidentensuite des Hotels Le Merdien aus, wo er abgestiegen ist.

Mit drei Studienfreunden der Elite-Universität Stanford hat Andy Fang 2013 Essen aufgefahren, um ein bisschen Geld nebenher zu verdienen. Sie überlegten, wie sich das besser machen lässt. Der Ruf der Lieferdienste ist in Deutschland, was die Behandlung der Beschäftigen angeht, nicht gut. Was will Doordash anders machen? Fang: „Wir stellen unsere Fahrer über eine Agentur namens Jobandtalent ein und achten auf faire Löhne für gute Arbeit. Zudem sorgen wir für Sicherheitstraining und angemessene Ausrüstung wie Winterjacken.“ Aus dem Silicon Valley schaut man nun genau auf Stuttgart. Und wir passen auf, dass der Liefer-Gigant aus den USA gut mit seinen Dashern umgeht!