Im Kunstmuseum diskutieren Jugendliche über den Mangel an Orten, an denen sie sich entfalten können.

Stuttgart- Jugendliche haben zu wenig Platz in der Stadt. Das ist seit Jahren bekannt. Doch getan hat sich wenig. Im Gegenteil, der Jugend branden viele Vorurteile entgegen: laut, betrunken, partysüchtig und computerabhängig. Dass es aber auch andere junge Menschen gibt, die sich abseits von Konsum und Feier treffen wollen, hat sich bei einer Diskussion am Freitagabend im Kunstmuseum gezeigt.

 

Ein Beispiel sind Pfadfinder aus Botnang. „Uns gibt es seit 38 Jahren, aber jetzt wissen wir nicht mehr, wohin“, sagt der junge Pfadfinder, der an diesem Abend zu den wenigen Gästen im Kunstmuseum gehört. Er will auf die Probleme seiner Gruppe aufmerksam machen. Denn, so erzählt er, das Haus, in dem sich die Pfadfinder in den vergangenen zehn Jahren getroffen haben, wird abgerissen. Dabei haben sie sich um das Gebäude gekümmert, Arbeit hineingesteckt. „Wir bräuchten etwas Längerfristiges, das bezahlbar ist“, sagt der junge Mann. Doch das ist derzeit nicht in Sicht.

Skateboard-Museum droht das aus

Ein anderes Beispiel ist das Skateboard-Museum. Seit 2005 residiert das flippige und einzige Museum dieser Art im Keller des Filmhauses an der Friedrichstraße. Ursprünglich sollte es nur eine zweiwöchige Ausstellung werden, doch dann sind sie geblieben. „Wir sprechen ein junges Publikum an“, sagt Jürgen Blümlein, der für das Museum auf dem Podium sitzt. Ihr Problem: Ende 2012 müssen die Skateboards aus dem Filmhaus raus. „Wir suchen nach neuen Räumen“, sagt Blümlein.

Doch Flächen in Stuttgart sind teuer. „Es gibt keine schnelle Lösungen“, sagt Tabea Schilling, interfraktionelle Sprecherin des Stadtjugendrats. In der Stadt gebe es viel zu wenig geeignete Räume. Eine Idee, die vor einiger Zeit aufgekommen ist, ist die Zwischennutzung von Gebäuden. Bei der städtischen Wirtschaftsförderung ist dafür inzwischen eine Stelle geschaffen worden. „Das weiß bloß noch keiner“, sagt die Jugendrätin Cara Nemelka. Die Teilnehmer der Diskussion sind sich einig, da muss noch etwas geschehen. Leer stehende Ladenflächen, seien es private oder städtische, müssten an die neue Stelle gemeldet werden, so dass Jugendliche, Vereine und Organisationen die Räume für eine gewisse Zeit nutzen können.

Tobias Bulgrien, Vorstandsmitglied des Stadtjugendrings, geht noch einen Schritt weiter: Er fordert ein multifunktionales Verbandshaus. Alle unter einem Dach, „das wäre eine langfristige Lösung“. Auch für den Jugendkulturverein Bosnien und Herzegowina Mladost, der eine Vertreterin zur Diskussion geschickt hat. Auch diesem Verein, der zwei Mal pro Woche ein Training für Kinder- und Jugendliche anbietet, seien die Räume gekündigt.

Anregungen aus Manchester

Es ist immer wieder das gleiche Problem. Deswegen sitzen auch Julia Kuhn und Michael Bernhard im Publikum. Die beiden betreiben die Trendsportart Parkour, bei der eine Strecke durch die Stadt oder Umgebung auf dem kürzesten Weg absolviert werden soll – Klettern und Überspringen von Hindernissen inklusive. „Wir wollen etwas Kreatives und Anspruchsvolles machen“, sagt Julia Kuhn und hat festgestellt, dass das, was die Jugendlichen tun, einen sehr schlechten Ruf haben kann. „Wir Jugendlichen wollen das Bild ändern“, sagt Kuhn und betreibt bei ihren Touren auch mal Aufklärungsarbeit.

Wie Jugendkultur ihren Raum finden kann, erzählt Ben Reed aus Manchester. Seine Organisation „Sparefish“ veranstaltet seit einigen Jahren in verschiedenen europäischen Städten „Street Festivals“. Diese Straßenfeste widmen sich der Jugendkultur, der Kunst und dem Tanz. Besucher, die jünger als 16 Jahre sind, haben freien Eintritt. Was man bei solch einem Festival erleben kann, zeigt der Brite mit einem kurzen Film: Da wird live gemalt und Graffiti auf eine Wand von Umzugskartons gesprüht. Jugendliche messen sich beim Breakdance.

Unterstand für Jugendliche

„Wir wollen junge Menschen inspirieren, damit sie wissen, was sie mit ihrer Zeit tun können“, sagt Ben Reed und stellt weitere Projekte aus Manchester vor, wie Flamenco im Boxring oder Live-Kunst im leeren Schaufenster. „Es geht darum, bestehende Räume zu nutzen“, sagt Reed. Und das vielleicht generationenübergreifend: „Wichtig ist, eine Akzeptanz zu schaffen“, sagt Blümlein. So wie es Julia Kuhn bei ihrem Parkour-Touren schon erlebt hat. So habe ihre Gruppe einmal vor einem Altenheim trainiert und die Senioren schauten zunächst aus den Fenstern neugierig zu und kamen dann sogar zu ihnen nach draußen, setzten sich auf eine Parkbank und betrachteten den neuen Sport aus der Nähe.

Auch im Stuttgarter Osten gibt es ein positives Beispiel zu verzeichnen. Im Wohnquartier Raitelsberg hat die Mobile Jugendarbeit zusammen mit Jugendlichen aus dem Viertel erfolgreich ein viel beachtetes Projekt realisiert: Auf einem kleinen Platz wurde ein relativ großer Unterstand geplant und gebaut. Die Jugendlichen selbst waren von Anfang an dabei, legten selbst Hand an und kümmern sich seit der Fertigstellung im vergangenen Oktober um ihren gern genutzten Treffpunkt, sorgen dafür, dass kein Müll herum liegt und das Holzbauwerk nicht beschädigt wird. Das Projekt hat inzwischen Vorbildcharakter für ähnliche Vorhaben in der Landeshauptstadt und auch in der Region.