Bei einer Diskussion im Kunstmuseum haben Szenevertreter das Verhältnis von privaten Sammlern und öffentlichen Museen beleuchtet. Den Häusern fehlen die Ankaufetats.

Stuttgart -

 

Müssen die Alten Meister der Berliner Gemäldegalerie über Jahre hinaus ins Depot? Dies war 2013 ein höchst kontroverses Thema. Heiner und Ulla Pietzsch wollten ihre Surrealisten-Sammlung – Max Ernst, Dalí, Magritte, Miró, Tanguy, Delvaux, alles was Rang und Namen hat – dem Preußischen Kulturbesitz vermachen: unter der Bedingung, dass diese auch gezeigt würde.

Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. Rembrandt und Botticelli sind nach wie vor zu sehen, doch Berlin baut für 130 Millionen Euro ein Museum für die geschätzt 150 Millionen schwere Sammlung. Solche Fälle, wenn auch nicht konkret angesprochen, standen im Hintergrund einer Diskussion im Kunstmuseum anlässlich der aktuellen Ausstellung der Sammlung Ute und Rudolf Scharpff. Es war bereits die zweite von sechs prominent besetzten Gesprächsrunden und für zwei Teilnehmer ein Heimspiel: für Rudolf Scharpff sowieso, für Marion Ackermann insofern, als sie in Stuttgart jeder kennt, wenn sie auch eher für die Kunstsammlung des Landes Nordrhein-Westfalen einstand.In einem langen, aber interessanten einleitenden Statement erinnerte der Kunstkritiker Hans-Joachim Müller, der als Moderator eingesprungen war, daran dass die Mehrzahl der Museen von privaten Kunstsammlungen ihren Ausgang genommen habe. Eine neue Situation sei jedoch dadurch entstanden, dass aufgrund der immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut riesige Kunstsammlungen entstanden seien, mit Folgen für die Kunst und das Berufsbild des Künstlers. Stephan Berg, Direktor des Bonner Kunstmuseums, fühlt sich allerdings nicht von Privatsammlern umzingelt. Die Sammlung sei in der Nachkriegszeit aus kommunalen Mitteln aufgebaut worden. Dann beherbergte das Museum dreißig Jahre lang die Sammlung Hans Grothe, bis dieser das meiste an Ulrich Ströher verkaufte. „Bessere Hausmeister der Ströher-Sammlung“, so Berg, wollten die Bonner nicht sein. Eine „knallharte Dauerpräsenz“ der Privatsammlung, gefördert aus Steuermitteln: dazu war das Museum nicht bereit. Die Entscheidungshoheit müsse beim Museum bleiben. Dann allerdings sei eine fruchtbare Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ möglich.

Schenken ist Marion Ackermann lieber als Ausleihen

Damit war das Stichwort genannt, unter dem der Abend angekündigt worden war. Marion Ackermann etwa, die in Stuttgart bereits mit den Scharpffs kooperiert hat, verfolgt in Düsseldorf die Strategie, keine Leihgaben anzunehmen. Wenn den Sammlern etwas daran liege, ihre Kollektionen im Museum zu präsentieren, könnten sie diese auch schenken. Die Berliner Kunstsammlerin Erika Hoffmann, die an dem Abend nur wenig zu Wort kam, hatte frühzeitig mit mehr als zwanzig anderen Sammlern in Dresden ein Museum ins Leben rufen wollen. Das damals ungewohnte Konzept stieß seinerzeit auf Ablehnung. Seit 1997 macht sie ihre Sammlung in ihren Räumen zugänglich. Die Mehrzahl der Zuhörer hätte hier wohl ein wenig Anschauungsmaterial brauchen können. Immerhin machten ihre Ausführungen neugierig.

Rudolf Scharpff gibt sich unprätentiös. Er erinnerte an seine erste Begegnung mit Uwe M. Schneede. „Ich will viele Sammler“, habe Schneede als Direktor der Hamburger Kunsthalle gesagt: „Chef bin ich.“ Um die Deutungshoheit kreisten die folgenden Diskussionsbeiträge, um die Nobilitierung privater Sammlungen durch die Museen, auch um mögliche kalkulierte Preistreiberei durch Museumsaustellungen. Man solle sich nicht immer von den Auktionsergebnissen leiten lassen, wandte Scharpff ein, wenn es um Ankäufe ginge, würden Museen schnell sehr knickrig. Dass Museen faktisch keine Ankaufsetats mehr hätten, bezeichnete Müller als Skandal, an diesem Abend unwidersprochen. So könnte es dazu kommen, dass in den Museen alles bis in die achtziger Jahre musealisiert werde, danach aber alles in Privatsammlungen lande. „Wir müssen vorwiegend Künstler ausstellen, die am Markt nicht funktionieren“, meinte dagegen Marion Ackermann. Es sei ein „Unding, die Ankaufsetats zu streichen“, meinte auch sie, erinnerte allerdings daran, dass der Bund relativ viel für Kultur ausgebe.

Was ist mit der nicht markttauglichen Kunst?

Müllers Aussage, wer eine Ausstellung über André Butzer machen wolle, käme an Scharpff nicht vorbei, wollte dieser nicht gelten lassen. „Künstler sind unglaublich produktiv“, so der Sammler: „Butzer ohne Scharpff ist ohne weiteres möglich.“ Museumsdirektoren könnten zu wenig reisen, stellte er jedoch zur Verblüffung des Publikums fest. Sie unterschätzten jedoch, dass sie in einer viel besseren Position seien als sie glauben.

Damit schien das Schlusswort gesprochen, doch das Publikum sollte auch noch zu Wort kommen. Nach der Deutungshoheit wurde erneut gefragt, und ob der Kanon der Kunst ab 1945 in allen Museen derselbe sei. „Was verwirrt an der Deutungshoheit, sind die Preise“, betonte Scharpff. Was bei all dem nicht zu Wort kam, war die neuere kritische, nicht markttaugliche Kunst, wie sie auf der Documenta, in Kunstvereinen oder in den Biennalen zu sehen ist.